VwGH 2005/18/0591

VwGH2005/18/059130.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des V, geboren 1971, vertreten durch Dr. Heinrich Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 15/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. Juli 2005, Zl. SD 1199/05, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §35 Abs1 lita;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1;
FinStrG §35 Abs1 lita;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Juli 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich laut seinen niederschriftlichen Angaben vom 19. Jänner 2005 - bezogen auf den 18. Juli 2005 - seit ca. dreieinhalb Jahren in Österreich auf. Im Hinblick darauf, dass er am 9. Juli 2002 seine frühere Ehefrau (er sei bis 1995 mit ihr verheiratet gewesen) noch einmal geheiratet habe und seine Schwiegermutter österreichische Staatsbürgerin sei, sei ihm für den Zeitraum vom 24. Februar 2003 bis 24. Februar 2004 eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 5 FrG, das heiße für jeglichen Aufenthaltszweck ausgenommen Erwerbstätigkeit, erteilt worden. Diese Niederlassungsbewilligung sei auf Grund des rechtzeitigen Antrages vom 23. Februar 2004 für den Zeitraum 9. März 2004 bis 9. März 2005 verlängert worden.

Der Beschwerdeführer weise drei verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf, nämlich wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges im alkoholbeeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO, Geldstrafe von EUR 581,--, Bundespolizeidirektion Wien, rechtkräftig seit 5. Dezember 2002), des Vergehens nach § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG (Geldstrafe von EUR 720,--, Hauptzollamt Wien, rechtskräftig seit 10. Juli 2003) und wegen des (neuerlichen) Lenkens eines Kraftfahrzeuges im alkoholbeeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO, Geldstrafe von EUR 1.162,--, Bundespolizeidirektion Wien, rechtskräftig seit 13. Jänner 2005).

Am 19. Mai 2005 sei über den Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß §§ 223, 224 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 leg. cit., des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung gemäß §§ 12 zweiter Fall, 298 Abs. 1 leg. cit. und des Verbrechens gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, § 148 zweiter Fall leg. cit. eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon ein Teil von zwölf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, rechtskräftig verhängt worden. Wie sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergebe, habe er im Jahr 2004 falsche Gutachten für technisch nicht überprüfte Kraftfahrzeuge am Computer selbst hergestellt und pro Stück um EUR 50,-- verkauft, im selben Jahr mit einem selbst angefertigten slowakischen Reisepass "bzw." Führerschein diverse Betrügereien begangen und ebenfalls im selben Jahr einen Mittäter bestimmt, gegenüber einem Sicherheitswachebeamten fälschlich anzugeben, dass ein bestimmter Personenkraftwagen gestohlen wäre.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig. Die Kinder und seine Ehefrau lebten in Österreich. Seine Ehefrau habe allerdings im Dezember 2004 angegeben, seit Juli 2004 von ihm getrennt zu leben und keinen Kontakt mehr zu haben.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass die strafgerichtliche Verurteilung und die beiden verwaltungsrechtlichen Vorstrafen gemäß § 99 Abs. 1 StVO - jeweils für sich - gemäß § 36 Abs. 2 Z 1 FrG eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. darstellten. Die dieser Verurteilung und den verwaltungsrechtlichen Vorstrafen zugrunde liegenden Verhaltensweisen ließen auch die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und überdies anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe.

Auf Grund der vorhandenen familiären Bindungen im Bundesgebiet müsse von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgegangen werden, sodass gemäß § 37 Abs. 1 FrG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig sei, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Das bisher gezeigte und eingangs dargestellte gesetzwidrige Verhalten des Beschwerdeführers lasse den verfügten Entzug der Aufenthaltsberechtigung als zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, in concreto zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und Aufrechterhaltung der Ordnung, als dringend geboten erscheinen. Das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten.

Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer im Hinblick auf die wiederholten und zum Teil beträchtlichen Verstöße gegen die Rechtsordnung und die dadurch gezeigte Unverbesserlichkeit nicht möglich.

Eine nach § 37 Abs. 2 FrG gebotene Interessenabwägung müsse jedenfalls zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Zunächst sei auf die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration Bedacht zu nehmen. Diese erweise sich jedoch (keine Beschäftigung, zeitweise keine polizeiliche Meldung) als nur durchschnittlich stark. Anders seien hingegen die familiäre Bindung auf Grund seiner Ehe und die Sorgepflicht für zwei ebenfalls in Österreich lebende minderjährige Kinder zu beurteilen. Wenngleich die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen durchaus beachtlich seien, komme ihnen im Ergebnis doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig beeinträchtigten Allgemeininteresse. Den familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stehe nämlich das maßgebliche und überaus große Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegenüber. Die Auswirkungen des unbefristeten Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation wögen nicht schwerer als das überaus große öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, wobei es sich bei den Übertretungen nach § 5 StVO um die gröbsten Verstöße gegen dieses Gesetz im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK handle und das der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Verhalten von einer bedeutenden kriminellen Energie des Beschwerdeführers zeuge.

Im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten und die damit verbundene Schädigung öffentlicher Interessen könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.

Da der Beschwerdeführer durch sein Gesamt(fehl)verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv beeinträchtigt habe, eine günstige Prognose nicht erstellt werden könne und sich demgegenüber seine privaten Interessen am Verbleib in Österreich als nicht so ausgeprägt erwiesen hätten, könne der Erstbehörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten habe, dass ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorhergesehen werden könne, und sie deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet ausgesprochen habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestritten Feststellungen der belangten Behörde zur (rechtskräftigen) Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG verwirklicht sei, im Ergebnis keinem Einwand. Bemerkt sei jedoch, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde die beiden verwaltungsrechtlichen Bestrafungen nach § 99 Abs. 1 StVO den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG nicht verwirklichen.

2. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen liegt der genannten Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde, dass er im Jahr 2004 falsche Gutachten für technisch nicht überprüfte Kraftfahrzeuge hergestellt und um EUR 50,-- pro Stück verkauft, im selben Jahr mit einer von ihm gefälschten öffentlichen Urkunde diverse Betrügereien begangen und im selben Jahr einen Mittäter dazu bestimmt hat, gegenüber einem Sicherheitswachebeamten fälschlich anzugeben, dass ein bestimmter Personenkraftwagen gestohlen worden sei.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer - was die Beschwerde ebenso nicht in Abrede stellt - dass Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG verübt und, obwohl über ihn im Jahr 2002 wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges im alkoholbeeinträchtigten Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO) eine Geldstrafe (rechtskräftig) verhängt worden war, neuerlich ein Kraftfahrzeug im alkoholbeeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch erneut eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO begangen.

In Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens kann die Auffassung der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde wie auch in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe und somit die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Hiebei kann - entgegen der Beschwerdeansicht- keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde die von ihr in Bezug auf den Beschwerdeführer getroffene negative Verhaltensprognose im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend konkret begründet und lediglich eine "Scheinbegründung" vorgenommen habe.

3. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von rund dreieinhalb Jahren und seine Bindungen zu seinen beiden hier lebenden mj. Kindern, für die er sorgepflichtig ist, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Darüber, ob - wie laut den Feststellungen der belangten Behörde von der Ehegattin des Beschwerdeführers im Dezember 2004 angegeben wurde - dieser seit Juli 2004 von ihr getrennt lebe und sie zueinander keinen Kontakt mehr hätten, wurde von der belangten Behörde keine (dezidierte) Feststellung getroffen. Unstrittig geht der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung nach.

In Anbetracht des obgenannten - in Ansehung des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand überdies einschlägigen -

Fehlverhaltens des Beschwerdeführers erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, dringend geboten sei und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes somit gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, als unbedenklich.

Ebenso kann die Ansicht der belangten Behörde, dass den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (jedenfalls) kein größeres Gewicht als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig beeinträchtigten Allgemeininteresse zukomme und somit auch § 37 Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, nicht als rechtswidrig erkannt werden, und zwar auch dann, wenn der Beschwerdeführer - wie von der Beschwerde im Rahmen ihrer Sachverhaltsdarstellung angegeben - "mit" seiner Ehegattin und seinen beiden minderjährigen Kindern aufhältig sein, das heißt mit diesen zusammenleben, sollte.

Wenn die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde hätte anführen müssen, welche Auswirkungen die Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes auf den Beschwerdeführer und seine Familie habe bzw. ob und inwiefern nachteilige Folgen durch eine Abstandnahme von dessen Erlassung gegeben wären, so ist auch dieses Vorbringen nicht zielführend, legt die Beschwerde doch nicht dar, welche Auswirkungen und Folgen dieser Maßnahme im Einzelnen von der belangten Behörde noch festzustellen gewesen wären.

Die weitere von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, dass dem Beschwerdeführer "kein ausreichendes Gehör" geboten worden sei und er (sonst) konkrete Angaben über sein Vorleben und "die Aufführung während seiner Haft (wohlwollendes Verhalten, anstandsloses Benehmen)" hätte machen können, ist bereits deshalb nicht zielführend, weil die in Haft zugebrachte Zeit bei der Beurteilung eines allfälligen Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/18/0158, mwN). Im Übrigen wird von der Beschwerde auch in dieser Hinsicht, soweit ihr Vorbringen nicht die in Haft zugebrachte Zeit betrifft, nicht konkretisiert, welche Feststellungen über das "Vorleben" des Beschwerdeführers die belangte Behörde noch hätte treffen müssen, zumal diese ohnedies davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer über die obgenannten (I.1.) Straftaten hinaus kein weiteres Fehlverhalten gesetzt hat.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. November 2005

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