VwGH 2005/03/0055

VwGH2005/03/005528.2.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des D M in S, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, Hauptstraße 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 17. Juni 2003, Zl Wa-86/03, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaffG 1996 §12 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 idF BGBl I Nr 134/2002 (WaffG), ein Waffenverbot verhängt. Dem lag im Wesentlichen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 5. August 2002 auf seinem Anwesen in S (unweit der Staatsgrenze) in der Nacht zwei Schüsse abgegeben hatte. Die belangte Behörde traf zu diesem Vorfall folgende Feststellungen:

"Es ist jedenfalls als erwiesen anzunehmen, dass Sie ohne besonders erkennbare Bedrohung zwei Schüsse in die Luft abgaben. Nachträglich ist nicht mehr genau verifizierbar in welchem Winkel und wohin Sie diese Warnschüsse tatsächlich abgaben. Als erwiesen ist aufgrund des Sachverhaltes jedoch anzunehmen, dass diese Schüsse ohne jegliche unmittelbare Bedrohung gegen Sie erfolgten. Entsprechend den Ausführungen wurden diese Warnschüsse offensichtlich nur präventiv abgefeuert, ohne dass für Sie irgendwelche Gefahrenmomente ersichtlich waren. Die Behörde nimmt auch als erwiesen an, dass Sie dieses Verhalten vorher zumindest schon einmal gesetzt haben.... Als erwiesen ist auch anzunehmen, dass sich in unmittelbarer Nähe zwei Gendarmeriebeamte befunden haben, die im Rahmen einer Fahndung die Gegend durchstreift haben (in 20 bis 40 m Entfernung). Dass die Gendarmeriebeamten keine Warnrufe von Ihnen gehört haben, wird aufgrund der übereinstimmenden Angaben der Beamten ebenfalls als erwiesen angenommen. Dem gegenüber stehen die Aussagen Ihrer Person und Ihrer Ehegattin, wonach es derartige Warnrufe gegeben habe. Sollte es Warnrufe gegeben haben, dann haben diese jedenfalls nur so stattgefunden, dass sie offensichtlich von den Gendarmerieorganen nicht gehört wurden."

Die belangte Behörde folgerte, die vom Beschwerdeführer als Warnung bezeichnete Schussabgabe sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil der Beschwerdeführer "sich nicht einmal annähernd in einer Notwehrsituation, die einen derartigen Warnschuss gerechtfertigt hätte, befunden" habe. Durch sein Verhalten habe er zwei in der Nähe befindliche Gendarmeriebeamte, die nach einem Schlepper gesucht hätten, in Gefahr gebracht. Daraus sei zu schließen, dass der Beschwerdeführer "in allfälligen Spannungssituationen (bloßes Nähern von Grenzgängern oder sonstiger Personen) völlig überreagieren und ohne Vorliegen von Notwehrsituationen zur Waffe greifen" könne. Es bestehe daher die Gefahr, dass der Beschwerdeführer durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben oder die Gesundheit von Menschen im Sinne von § 12 Abs 1 WaffG gefährden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl 2005/03/0011, mwN).

Auch wenn also für die Verhängung eines Waffenverbotes nicht Voraussetzung ist, dass eine missbräuchliche Verwendung von Waffen schon erfolgte, ist dafür doch erforderlich, dass von der Behörde festzustellende konkrete Umstände eine qualifizierte Gefährdung durch missbräuchliche Verwendung einer Waffe befürchten lassen. Missbräuchliche Verwendung ist ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch von Waffen und kann auch auf der Außerachtlassung der im Umgang mit Waffen gebotenen Sorgfalt beruhen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Juli 2002, Zl 99/20/0189).

Die belangte Behörde hat sich zur Begründung des Waffenverbotes bloß auf den oben dargestellten Vorgang vom 5. August 2002 gestützt. Die von ihr aus dem festgestellten Sachverhalt gezogene Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer habe, "ohne dass irgendwelche Gefahrenmomente ersichtlich waren", zwei Warnschüsse in die Luft abgegeben und dadurch "in der Nähe befindliche Gendarmeriebeamte nicht unwesentlich in Gefahr gebracht", ist anhand der Aktenlage nicht nachvollziehbar:

Ausgehend vom Bericht des Gendarmeriepostens D vom 13. Oktober 2002 (AS 90) kämen "im Gemeindegebiet von D und S eine Vielzahl von illegalen Grenzgängern zumeist in den Nachtstunden über die Bundesgrenze". Der Beschwerdeführer habe "bereits mehrmals die Gendarmerie oder Grenzgendarmerie von verdächtigen Wahrnehmungen im Nahbereich seines Wohnhauses in Kenntnis gesetzt".

Grund für die Abgabe der Schüsse vom Beschwerdeführer war nach seinem - unwidersprochen gebliebenen - Vorbringen, dass zwei auf dem Objekt gehaltene Hunde angeschlagen hätten. Was die vom Beschwerdeführer behaupteten Warnrufe vor Abgabe der Schüsse anlangt, stellte die belangte Behörde fest, die sich in unmittelbarer Nähe des Anwesens des Beschwerdeführers befindlichen Gendarmeriebeamten hätten solche Warnrufe nicht gehört. Ausgehend von den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Gattin (Warnrufe seien abgegeben worden) folgerte die belangte Behörde: "Sollte es Warnrufe gegeben haben, dann haben diese jedenfalls nur so stattgefunden, dass sie offensichtlich von den Gendarmerieorganen nicht gehört wurden."

Es kann also auch nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer Warnrufe abgegeben hat, die ungehört und demgemäß unbeantwortet blieben. Unter den Umständen des konkreten Falles (abgelegenes Anwesen in nicht verbautem Gebiet in Grenznähe, regelmäßiger Übertritt einer Vielzahl von illegalen Grenzgängern in den Nachtstunden) kann die Abgabe von Schüssen in die Luft als Reaktion auf die vom Beschwerdeführer auf Grund des Anschlagens der Hunde und fehlender Antwort auf seine Warnrufe vermutete Anwesenheit von "illegalen Grenzgängern, Schleppern oder Kriminellen" (Vorstellung, AS 75) nicht als missbräuchliche Verwendung einer Waffe angesehen werden.

Eine unmittelbare Gefährdung der in der Nähe befindlichen Gendarmeriebeamten (deren Anwesenheit dem Beschwerdeführer unbekannt geblieben war) durch die Schussabgabe in die Luft kann - ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde - nicht nachvollzogen werden.

Es fehlt damit an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für die von der belangten Behörde erstellte Prognose, der Beschwerdeführer könne in allfälligen Spannungssituationen "völlig überreagieren" und Leben und Gesundheit anderer gefährden. Daran vermag mangels jeglicher konkreter Tatsachenfeststellungen auch der Hinweis im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer hätte "ein derartiges Verhalten früher zumindest schon einmal" an den Tag gelegt, nichts zu ändern.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2006

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