VwGH 99/20/0189

VwGH99/20/018918.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des AL in M, vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in 8750 Judenburg, Kaserngasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. Februar 1999, Zl. WA 114/5-1998, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. Februar 1999 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 5. Oktober 1998, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (im Folgenden: WaffG) der Besitz "sämtlicher" Waffen und Munition verboten worden war (Waffenverbot), keine Folge gegeben.

Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer Eigenjagd und war im Besitz dreier Jagdgewehre sowie genehmigungspflichtiger Faustfeuerwaffen, für die auch eine Waffenbesitzkarte und ein Waffenpass ausgestellt waren. Der Beschwerdeführer überließ dem damals 15-jährigen Schüler Christian M. am 23. Mai 1998 um ca. 20.15 Uhr eines seiner Jagdgewehre mit fünf Schuss Munition im Magazin und gestattete ihm, alleine auf die Jagd zu gehen und einen Rehbock zu schießen. Christian M. hatte bisher den Beschwerdeführer schon öfter auf der Jagd begleitet, der Beschwerdeführer hatte ihm - seinem Vorbringen zufolge - jedoch noch nie eine Waffe ausgehändigt. Christian M. schoss um ca.

21.15 Uhr bei schon starker Dämmerung irrtümlich statt eines Rehbockes einen Hirsch, der nicht zum Abschuss frei gewesen war. Christian M. berichtete dem Beschwerdeführer anschließend von diesem Vorfall mit den Worten, er habe auf einen Hirsch geschossen und jetzt könne er "sich gleich selbst erschießen". Nachdem M. und der Beschwerdeführer den geschossenen Hirsch geborgen und nach Hause gebracht hatten, fragte M. den Beschwerdeführer (der das Jagdgewehr mittlerweile wieder an sich genommen hatte), ob er das Gewehr ins Haus hineintragen solle, was der Beschwerdeführer bejahte. M. ging mit dem Gewehr in den Kellerraum, wo die Jagdgewehre verwahrt werden. Dort erschoss sich M. mit dem Jagdgewehr des Beschwerdeführers.

Die belangte Behörde begründete die Verhängung des Waffenverbotes gegen den Beschwerdeführer zusammenfassend damit, dass die Überlassung einer Schusswaffe an eine unbefugte 15- jährige Person eine missbräuchliche Verwendung von Waffen darstelle. Durch diese missbräuchliche Verwendung der Jagdwaffe sei es in weiterer Folge zum Selbstmord des 15-jährigen Schülers Christian M. gekommen. Aufgrund dieses Sachverhaltes habe die Behörde zum Schluss kommen müssen, angesichts der vorliegenden Tatsachen sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Diese Vorschrift dient, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung - bereits zum Waffengesetz 1986 - wiederholt ausgeführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0337, VwSlg. 14.050/A), der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen und setzt nicht voraus, dass bereits tatsächlich eine missbräuchliche Verwendung durch jene Person erfolgt ist, gegen die das Waffenverbot verhängt wird. Vielmehr genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass diese Person von der Waffe einen die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigenden gesetz- oder zweckwidrigen ("missbräuchlichen") Gebrauch machen und dadurch Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Anders als etwa bei den Entziehungstatbeständen wegen mangelnder Verlässlichkeit (§ 25 in Verbindung mit § 8 WaffG 1996) setzt der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG eine (anzunehmende) qualifizierte rechtswidrige Verwendung von Waffen, nämlich deren Missbrauch voraus. Liegen aber die genannten Voraussetzungen vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass dem ein "auch noch so untadeliges Vorleben" der betreffenden Person entgegenstünde (vgl. die bei Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, Anm. 2 III zu § 12, zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Behörde hat hiebei eine Prognoseentscheidung anzustellen und aus bekannten und beweispflichtigen Tatsachen auf die Gefahr einer künftigen missbräuchlichen Waffenverwendung, die mit einer Gefährdung von Leben, Gesundheit, Freiheit oder fremdem Eigentum verbunden sein könnte, zu schließen (Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, Anm. 2 I zu § 12). Hiebei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der auch mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0279, und die dort zitierte Judikatur). Ein missbräuchlicher Gebrauch von Schusswaffen bereits in der Vergangenheit verstärkt die Besorgnis, dass in der Zukunft von der Waffe ein die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigender gesetz- oder zweckwidriger "missbräuchlicher" Gebrauch gemacht werden könnte, wesentlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 94/20/0658) und ist daher grundsätzlich geeignet, die Verhängung eines Waffenverbotes zu begründen.

Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" nicht restriktiv auszulegen. Unter missbräuchlicher Verwendung werden gesetz- oder zweckwidrige Handlungen verstanden, wobei eine solche missbräuchliche Verwendung von Waffen nicht nur in deren direkter Anwendung, sondern unter bestimmten Umständen auch in der Überlassung von Waffen an unbefugte Dritte gelegen sein kann; dies jedenfalls dann, wenn anzunehmen ist, der Dritte werde die Waffe missbräuchlich verwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2001, Zl. 99/20/0400). Aus der Tatsache einer nicht ordnungsgemäßen Verwahrung oder einem unbefugten Führen einer Waffe allein kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingegen noch nicht auf eine missbräuchliche Verwendung geschlossen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 2001/20/0433).

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die gesetzwidrige Überlassung des Jagdgewehres an Christian M. zur Jagd nicht die Annahme künftigen missbräuchlichen Verwendens von Waffen rechtfertige. Die Rechtswidrigkeit der Überlassung der Waffe an Christian M. zur Jagd sei unstrittig, jedoch sei die spätere Überlassung innerhalb der Liegenschaft des Beschwerdeführers, damit M. die Waffe in den Waffenschrank bringe, zulässig gewesen. Es habe zu diesem Zeitpunkt niemand mit dem Selbstmord des Christian M. rechnen können, bei dem es sich um einen langjährigen Freund des Beschwerdeführers und um eine bisher überaus zuverlässige Person gehandelt habe. Da es nur durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zu dem Selbstmord gekommen sei und für den Beschwerdeführer als Eigenjagdbesitzer auch wirtschaftlich "sehr viel auf dem Spiel" stehe, würden die besonderen Umstände des gegenständlichen Falles den Schluss zulassen, dass der Beschwerdeführer in Zukunft niemals mehr einer nicht berechtigten Person eine Jagdwaffe übergeben und damit ein im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG gefährdendes Verhalten an den Tag legen könnte.

Diesen Ausführungen ist entgegen zu halten, dass auch eine auf die Überlassung des Jagdgewehres an Christian M. zur Jagd beschränkte Prüfung der Umstände, auf welche die belangte Behörde ihre Entscheidung gestützt hat, nicht ergibt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in Rechten verletzt wurde. Dabei ist einzuräumen, dass die diesbezügliche Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 WaffG im vorliegenden Fall nicht so ausgeprägt erscheint wie in den Fällen des erwähnten Vorerkenntnisses vom 22. November 2001, Zl. 99/20/0400 (Gefahr der Überlassung von Waffen an eine Person, gegen die ein Waffenverbot besteht), und des dort zitierten Erkenntnisses vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0149 (Gefahr der unkontrollierten Weitergabe von Kriegsmaterial an Unbefugte), oder wie dies - mit Bezug auf die Schutzgüter des § 12 Abs. 1 WaffG - bei der Überlassung einer Jagdwaffe zum Zweck des Eingriffs in ein fremdes Jagdrecht der Fall wäre. Einen nicht jagdberechtigten, erst 15 Jahre alten Minderjährigen mit einem Jagdgewehr in der Dämmerung in den Wald zu schicken, damit er dort - unbeaufsichtigt und dem Vorbringen nach erstmals - vom Gewehr auch tatsächlich durch die Abgabe von Schüssen Gebrauch mache, kommt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aber dennoch einem Verhalten gleich, auf das die belangte Behörde sowohl in Bezug auf einen zu befürchtenden Missbrauch von Waffen als auch hinsichtlich des Umstandes, dass dadurch eine Gefährdung insbesondere von Leben oder Gesundheit von Menschen oder fremden Eigentums eintreten könnte, die im Gesetz geforderte Prognose stützen durfte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 18. Juli 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte