VwGH 2005/01/0537

VwGH2005/01/053726.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des E (auch E oder G) S in W, geboren 1984, vertreten durch Mag. Andrea Eisner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Mahlerstraße 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Mai 2005, Zl. 254.516/0-V/15/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 3. (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea-Bissau, reiste nach eigenen Angaben am 23. Juni 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte am darauf folgenden Tag einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 8. September 2004 brachte er - zusammengefasst - vor, im November 1998 aus der Hauptstadt Bissau in die Grenzregion zum Senegal geflüchtet zu sein, dort bis November 2000 in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt zu haben, anschließend in den Senegal gegangen und im Jahr 2003 nach Europa gereist zu sein, um hier Arbeit zu finden. Er sei vor dem Krieg in seinem Herkunftsstaat geflüchtet, aber selbst nie an Kampfhandlungen beteiligt gewesen. Wegen des Krieges sei es ihm schlecht gegangen und er habe nichts zu essen gehabt. Im Falle einer Rückkehr wisse er nicht, was er zu erwarten habe.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Guinea-Bissau gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Seiner Entscheidung legte es das Vorbringen des Beschwerdeführers zu Grunde, traf im Übrigen Feststellungen zur Lage in Guinea-Bissau und folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, dass der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat aus keinem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Asylgrund verlassen habe, weshalb seinem Asylantrag keine Berechtigung zukomme. Anzumerken sei jedoch, dass aktuell keine Kriegs- oder Bürgerkriegssituation in Guinea-Bissau vorliege, weshalb dem Beschwerdeführer auch kein Refoulementschutz zu gewähren und er - mangels Anhaltspunkten für einen Eingriff in Art. 8 EMRK - aus dem Bundesgebiet auszuweisen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, in Guinea-Bissau herrsche seit einem Militärputsch im Jahr 1998 ein latenter Bürgerkrieg, der noch immer andauere.

Die belangte Behörde führte über die Berufung am 3. Mai 2005 eine Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer - trotz Ladung an der einzigen aktenkundigen und zum damaligen Zeitpunkt im Zentralen Melderegister aufscheinenden Wohnadresse - unentschuldigt nicht erschien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Guinea-Bissau zulässig sei (Spruchpunkt 2.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt 3.). Gestützt auf näher bezeichnete Länderberichte (zeitlich datierend bis März 2005) traf die belangte Behörde Feststellungen zur Lage in Guinea-Bissau und verwies anschließend hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages auf die entsprechenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, die sie auch zum Bestandteil ihrer Entscheidung erhob. Die Refoulemententscheidung begründete sie damit, dass auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen keine aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 und 2 FrG vorläge. Es bestünde auch kein Hinweis auf außergewöhnliche Umstände (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung gemäß Art. 3 EMRK und § 57 Abs. 1 FrG unzulässig machen könnten. In Guinea-Bissau herrsche keine Bürgerkriegssituation und die Staatsgewalt sei funktionsfähig. Die Ausweisung stelle keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weil sämtliche Familienangehörige des Beschwerdeführers in Afrika lebten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht geltend, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil auf Grund einer Bürgerkriegssituation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und des fehlenden Schutzes durch die Staatsgewalt ein Recht auf Asyl bestünde. Diese Ausführungen erweisen sich - im Zusammenhang mit der Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG - schon vom Ansatz her als verfehlt, ließe sich doch in Ermangelung eines in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grundes auch bei einem unterstellten Bürgerkrieg im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers für sich allein noch keine asylrelevante Verfolgung erkennen und könnte daraus- wenn überhaupt - nur ein Anspruch auf subsidiären Schutz abgeleitet werden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0203, mwN). Die belangte Behörde hat jedoch - unter Berücksichtigung der im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Lage in Guinea-Bissau - eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers zu Recht verneint und vermag die Beschwerde dem nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen.

Mit ihrem Hinweis auf die angeblich seit März 2005 geänderte Wohnadresse des Beschwerdeführers zeigt die Beschwerde im Übrigen keinen Verfahrensmangel auf, gesteht sie doch selbst zu, dass der Beschwerdeführer eine Meldung dieses behaupteten Wohnsitzwechsels an die belangte Behörde unterlassen hat. Aus welchen Gründen die belangte Behörde daher - so die Argumentation der Beschwerde - zum Zeitpunkt der Zustellung seiner Ladung zur Berufungsverhandlung zu der Auffassung gelangen hätte sollen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht mehr an der Ladungsadresse wohnhaft sei, wird von ihr nicht näher dargetan und sind derartige Gründe auch nicht ersichtlich, war der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt doch noch immer an der Ladungsadresse aufrecht gemeldet.

Insoweit sich die Beschwerde gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, kann sie daher nicht erfolgreich sein.

Bei ihrem Ausspruch über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt 3.) hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

In diesem Spruchpunkt war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. Jänner 2006

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