VwGH 2004/18/0177

VwGH2004/18/01776.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des F S, (geboren 1972), in Wien, vertreten durch Dr. Lennart Binder, LL.M. Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Mai 2004, Zl. SD 955/03, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Normen

11992E008A EGV Art8a Abs1;
11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer Art2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art2 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;
11992E008A EGV Art8a Abs1;
11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer Art2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art2 Abs2;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Mai 2004 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, der ihm am 25. August 1999 ausgestellte Reisepass mit der Nr. E 0547736 entzogen. Weiters wurde ihm der am 25. August 1999 ausgestellte Personalausweis mit der Nr. 55003416 gemäß § 19 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f leg.cit. entzogen. Mit diesem Bescheid wurde ferner der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 27. Juni 2002 nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall und Abs. 2 zweiter und dritter Fall des Suchtmittelgesetzes (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, davon 8 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 20. Februar 2001 gemeinsam mit einer Mittäterin 958,2g Cannabiskraut, sohin nahezu das Sechsfache der Grenzmenge, von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich aus- bzw. eingeführt habe.

Der durch die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung festgestellte Handel mit Suchtgift in größerer Menge stelle eine Tatsache i.S.d. § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992 dar. Infolge eines derartigen Fehlverhaltens könne der Aufenthalt der betreffenden Person im Ausland auch die innere Sicherheit der Republik Österreich, insbesondere die Volksgesundheit iSd § 14 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. gefährden. Dies insbesondere deshalb, weil bei Straftaten, die mit Suchtgiften in Zusammenhang stünden, die Gefahr einer Wiederholung besonders groß sei. Das diesbezügliche Berufungsvorbringen erweise sich daher als unzutreffend.

Ebenso als unzutreffend erweise sich der Einwand des Beschwerdeführers, Österreich sei der Europäischen Union beigetreten und die Behörde dürfte die Freizügigkeit als ein Grundrecht der EU-Bürger nicht beschränken. Der Beschwerdeführer übersehe nämlich, dass sowohl das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK als auch das Recht der Freizügigkeit gemäß Art. 2 Abs. 2 des 4. ZPEMRK unter einem Gesetzesvorbehalt stünden, der jeweils einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff zur Verhinderung von Straftaten und zum Schutz der Gesundheit rechtfertige. Die Versagung eines Reisepasses bzw. Personalausweises diene gerade diesen Zwecken. Aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1998, Zl. 97/18/0424, zitierten Regelungen ergebe sich weiters, dass die Entziehung des für einen Inländer ausgestellten Reisepasses und die damit verbundene Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union jedenfalls dann zulässig sei, wenn es sich hiebei um eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit handle. Art. 17 ff EGV stünde daher der Entziehung eines Reisepasses und Personalausweises nicht entgegen. Ebenso der geltenden Rechtslage widerspreche die Auffassung des Beschwerdeführers, die Entziehung eines Reisepasses oder eines Personalausweises würde eine Bestrafung darstellen und dem Doppelbestrafungsverbot widersprechen, weil es sich hierbei ohne jeglichen Zweifel um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handle. Zusätzlich verkenne der Beschwerdeführer die Rechtslage, wenn er vermeine, dass auf Grund des Wegfalls der Grenzkontrollen an den Grenzen der Mitgliedstaaten für Bürger der Eurpäischen Union ein Reisepass für Reisen in diese Länder nicht notwendig wäre.

Die Erstbehörde habe daher zutreffend das Vorliegen des im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992 normierten Sachverhalts festgestellt. Dem Beschwerdeführer sei daher sein Reisepass und gemäß § 19 leg. cit. auch der ihm ausgestellte Personalausweis zu entziehen, ohne dass der Behörde hierbei Ermessen zukäme.

Angesichts des der besagten Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens, der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und der diesbezüglich hohen Wiederholungsgefahr habe sich die vorzeitige Vollstreckung des Entziehungsbescheides auf Grund des öffentlichen Wohls wegen Gefahr in Verzug als dringend geboten erwiesen. Die Erstbehörde habe daher einer Berufung die aufschiebende Wirkung zu Recht aberkannt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 (PassG), ist u.a. die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepasse benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen. Gemäß § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen. Gemäß § 19 Abs. 2 PassG sind u.a. auf die Ausstellung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden.

2.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die strafgerichtliche Verurteilung und das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Dem Beschwerdeführer liegt demnach zur Last, Suchtgift im Umfang von nahezu dem Sechsfachen der "Grenzmenge" von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich aus- bzw. eingeführt zu haben. Im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG handelt es sich bei der Untergrenze einer großen Menge um eine solche Menge, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. In Anbetracht dieses schwer wiegenden Fehlverhaltens begegnet die - in der Beschwerde nicht konkret bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebenen Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Im Gegensatz zur Beschwerdemeinung ist der Behörde bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Passversagungsgrundes kein Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2004/18/0081, mwH).

2.2. Dem Vorbringen der Beschwerde, der vorliegenden Entziehung stehe das gemeinschaftsrechtliche Recht des Beschwerdeführers auf Freizügigkeit entgegen, kommt keine Berechtigung zu. Die Entziehung eines für einen Inländer ausgestellten Reisepasses und die damit verbundene Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union sind jedenfalls dann zulässig, wenn es sich um eine Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit handelt, wobei bei Maßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein darf. Gleiches hat für die Entziehung eines Personalausweises zu gelten. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2004/18/0423, mwH.) Der Beschwerdeführer hat durch seine gegen das SMG gerichtete Straftat das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Gesundheit gravierend verletzt. Da dieses Verhalten den Schluss rechtfertigt, er werde als Inhaber eines Reisepasses bzw. eines Personalausweises auch in Zukunft gegen dieses, einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse verstoßen, ist die Entziehung des Reisepasses bzw. des Personalausweises auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unbedenklich.

2.3. Dem Einwand des Beschwerdeführers, der vom Gemeinschaftsrecht geforderte effektive gerichtliche Rechtsschutz werde verletzt, weil dem Verwaltungsgerichtshof eine nur eingeschränkte Kontrolle zukomme, ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Erfordernis eines gerichtlichen Rechtsschutzes nach der Rechtsprechung des EuGH vor allem darauf gerichtet ist, sicherzustellen, dass gegebenenfalls eine Vorabentscheidung i.S.d. Art. 234 EG eingeholt wird (vgl. Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht. Die Anwendung des Europarechts im innerstaatlichen Bereich, 3. Auflage, 2006, 131). Dass der Verwaltungsgerichtshof ein Gericht iSd Art. 234 EG darstellt, das zur Einholung einer Vorabentscheidung iS der genannten Bestimmung zuständig ist, steht außer Zweifel (vgl. etwa den hg. Vorlagebeschluss vom 22. Februar 2007, Zlen. EU 2007/0001, 0002). Inwiefern der Beschwerdeführer durch die von ihm behauptete eingeschränkte Kontrolle in Rechten verletzt sein könnte, wird in der Beschwerde nicht weiter substanziiert. Vor diesem Hintergrund gelingt es dem Beschwerdeführer mit dem besagten Vorbringen nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

3. Angesichts seines besagten massiven Fehlverhaltens drohte ferner dem öffentlichen Wohl durch die Verfügungsmöglichkeit des Beschwerdeführers über seinen Reisepass und seinen Personalausweis ein derart gravierender Nachteil, dass die vorzeitige Vollstreckung des erstinstanzlichen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten war, weshalb sich der angefochtene Bescheid auch bezüglich des von der belangten Behörde ausgesprochenen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung nach § 64 Abs. 2 AVG nicht als rechtswidrig erweist.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 6. September 2007

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