Normen
AVG §69 Abs1 Z2;
VStG §24;
AVG §69 Abs1 Z2;
VStG §24;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. Jänner 2001 zufolge war der Zeuge D und der Ausländer B am 9. Jänner 2001 von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien beim Entrümpeln eines Dachbodens betreten worden. D habe angegeben, dass B seit drei Tagen und er selbst seit zwei Tagen bei dem von der Beschwerdeführerin vertretenen Unternehmen tätig sei. In seiner niederschriftlichen Aussage vor dem Magistrat der Stadt Wien vom 8. Februar 2002 hatte der Zeuge D ausgesagt, er sei bei keiner Baufirma beschäftigt und habe die gegenständlichen Arbeiten aus Eigenem durchgeführt. Sein Bekannter D habe ihm helfen wollen und habe vom Hausbesitzer für die Durchführung der Arbeiten einen schönen alten Ofen und ein Taschengeld bekommen sollen.
Mit dem rechtskräftigen Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 26. November 2002 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen Berufene der S Bau Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft in Wien als Arbeitgeberin am 9. Jänner 2001 um
11.30 Uhr den namentlich angeführten kroatischen Staatsbürger B mit Maurertätigkeiten beschäftigt habe, obwohl für diesen weder eine Beschäftigungsbewilligung für diese Beschäftigung oder eine Entsendebewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt worden sei und der Ausländer auch keine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besessen habe. Wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 AuslBG wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 erster Strafsatz AuslBG eine Geldstrafe von EUR 1.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche und drei Stunden verhängt. In der Begründung dieses Bescheides führte die Behörde u.a. die Darstellung der Angaben des D vom 9. Jänner 2001 und seine Zeugenaussage vom 8. Februar 2002 an und brachte zum Ausdruck, dass sie letzterer - und auch der Verantwortung der Beschwerdeführerin - keinen Glauben schenke.
Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Februar 2003 als verspätet zurückgewiesen.
Am 10. Dezember 2003 brachte die Beschwerdeführerin einen auf § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme dieses rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass ihrer Verantwortung vor der Behörde erster Instanz kein Glauben geschenkt worden, sondern die Tat auf Grund einer Aussage des D als erwiesen angesehen worden sei. Der Aussage des Zeugen D komme bei der Wahrheitsfindung zentrale Bedeutung zu.
Die Beschwerdeführerin legte eine notariell beglaubigte Aussage des Zeugen D vom 28. November 2003 vor, in welcher dieser seine bisherige Aussage vom 9. Jänner 2001, wonach er selbst sowie Herr B für das von der Beschwerdeführerin vertretene Unternehmen tätig gewesen sei, widerrufe. Das von der Beschwerdeführerin vertretene Unternehmen hätte erst nach Beendigung der von D und B vorgenommenen Arbeiten tätig werden sollen. Daraus gehe hervor, dass D allein für die Arbeitsaufnahme des B verantwortlich gewesen sei, ihn die Beschwerdeführerin zu keiner Zeit beschäftigt habe, und er auch in keinerlei arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zu dem von der Beschwerdeführerin vertretenen Unternehmen gestanden sei. Das "neue Beweismittel (nova producta)" habe ohne ihr Verschulden im Verfahren nicht geltend gemacht werden können und sei geeignet, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen.
Mit Bescheid vom 8. Jänner 2004 wies die Erstbehörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen gerichteten Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 8. Jänner 2004 bestätigt. Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass in dem zum Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 26. November 2002 führenden Verwaltungsstrafverfahren in einem vergleichsweise umfangreichen Ermittlungsverfahren mehrere Zeugen einvernommen worden seien, darunter auch der bei einer Beschäftigung betretene Ausländer und der gemeinsam mit diesem auf einer Baustelle angetroffene Zeuge D. Dessen Aussage sei neben anderen Beweisergebnissen von der Erstbehörde gewürdigt und ihrem Bescheid vom 26. November 2002 zu Grunde gelegt worden.
Bei der mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Erklärung des bereits im rechtskräftig abgeschlossenen, erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren bekannten Zeugen vom 28. November 2003 und bei seinen darin enthaltenen Angaben handle es sich nicht um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, sondern vielmehr um ein neu entstandenes, weshalb die am 28. November 2003 nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens getätigte bzw. entstandene Erklärung eine Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens nicht ermögliche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
"1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anderes entschieden wurde."
Dass ein "neu entstandenes" Beweismittel wie die spätere Erklärung eines im Verfahren vernommenen Zeugen ganz allgemein ungeeignet sei, gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen, ist nach dieser Bestimmung nicht so eindeutig, wie die belangte Behörde anzunehmen scheint, zumal dies schon der Gesetzeswortlaut vor allem für den Fall nicht ausschließt, wenn dabei bisher unbekannt gebliebene Tatsachen hervorkommen.
Die belangte Behörde stützt sich für ihre Ansicht - abgesehen von Entscheidungen, in denen nur zusammenfassend von "Tatsachen und Beweismitteln" insgesamt die Rede ist - auf hg. Erkenntnisse, die den Entstehungszeitpunkt von Urkunden (Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 94/19/0139) und eine nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens abgelegte gerichtliche Zeugenaussage (Erkenntnis vom 11. September 1985, Zl. 84/03/0084) betreffen.
Diesen und weiteren derartigen Erkenntnissen (vgl. die Nachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 178 und 179 zu § 69 AVG) steht jedoch hg. Judikatur gegenüber, der zufolge es bei neu entstandenen Beweismitteln darauf ankommt, ob sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen. Diese Auffassung entspricht seit Fasching, JBl. 1956, 245 (247 f), und der von ihm dort referierten Judikatur der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu § 530 Abs. 1 Z. 7 i.V.m. Abs. 2 ZPO (vgl. zuletzt vor allem Jelinek in Fasching/Konecny2 IV/1 (2005) § 530 ZPO Rz 67, 150 ff und 160 ff; Kodek in Rechberger (Hrsg.) ZPO3 (2006) Rz 15 zu § 530). Vom Verwaltungsgerichtshof wurde sie im Zusammenhang mit späteren Bescheiden und Bestätigungen schon in Entscheidungen von 1955 und 1956 sowie daran anknüpfend in den hg. Erkenntnissen vom 25. Mai 1987, Zl. 83/08/0066, und vom 27. April 1989, Zl. 87/08/0004, vertreten (vgl. Walter/Thienel, a.a.O. E 136 und 137). Sie liegt aber vor allem auch der seit dem Erkenntnis vom 2. Juni 1982, Zl. 81/03/0151, ständigen hg. Rechtsprechung zur grundsätzlichen Eignung eines späteren Sachverständigenbefundes als Wiederaufnahmegrund zu Grunde (vgl. dazu die Nachweise bei Walter/Thienel, a.a.O. E 181 und 183, und die Bezugnahme auf diese hg. Rechtsprechung etwa in der Entscheidung des OGH vom 1. Juli 2003, EvBl 2004/22). Zumindest in einer hg. Entscheidung ist dies auch auf spätere Zeugenaussagen übertragen worden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1988, Zl. 88/18/0326, bei Walter/Thienel, a.a.O. E 185; zur Möglichkeit einer Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG im Zusammenhang mit Zeugenaussagen auch schon die dort in E 107 und 144 nachgewiesene hg. Judikatur).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme, jedoch - aus von ihr nicht herangezogenen, anderen rechtlichen Gründen - im Ergebnis zutreffend abgewiesen:
Ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des - gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden - § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG setzt u.a. zweierlei voraus: es muss sich um neue Tatsachen oder Beweismittel handeln und diese müssen entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmsverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustandekommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist.
Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmsgrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmsantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat.
Dies ist hier aber nicht der Fall: Der Wiederaufnahmsantrag beruht nämlich auf der unzutreffenden Prämisse, dass das wider die Beschwerdeführerin erlassene rechtskräftige Straferkenntnis auf der Aussage des Zeugen D beruhe, der "zentrale Bedeutung" zukomme und dass daher dessen nunmehrige Aussage, das von der Beschwerdeführerin vertretene Unternehmen hätte erst nach der Beendigung der (u.a. von D in Eigenregie) vorgenommenen Entrümpelungsarbeiten tätig werden sollen, ein "Novum" sei.
Dem gegenüber stützte die Strafbehörde ihren Bescheid insbesondere auf die Angaben des Zeugen B vom 14. Jänner 2002 (des ausländischen Arbeitnehmers, wegen dessen Beschäftigung die Beschwerdeführerin bestraft worden ist), er sei von der von der Beschwerdeführerin vertretenen Gesellschaft beschäftigt gewesen und hätte von dieser eine Entlohnung erhalten sollen, und (ausdrücklich) auf das Ermittlungsergebnis, wonach am Tag der Kontrolle (Tattag) vor dem Haus eine bereits mit Schutt (und nicht mit wiederverwendbarem Ziegelpflaster) gefüllte Baumulde vorgefunden worden sei, die auf Grund einer Auskunft des Vermieters der Baumulde jener Baugesellschaft zuzurechnen war, deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin ist.
Der schon damals gemachten Aussage des Zeugen D, der Hauseigentümer habe ihm die Abholung diverser Sachen aus der "Entrümpelung" des Dachbodens erlaubt und er habe dies gemeinsam "mit einem Bekannten aus eigenem und nicht im Auftrag der Baufirma getan, hat die Behörde ausdrücklich unter Hinweis auf eine anderslautende Aussage dieses Zeugen gegenüber der Polizei, er sei seit zwei Tagen bei der betreffenden Baugesellschaft beschäftigt, schon damals keinen Glauben geschenkt. Nur insoweit wurde die Aussage dieses Zeugen in der Bescheidbegründung überhaupt erwähnt. Hatte der Zeuge aber schon damals seine ursprüngliche Zeugenaussage erfolglos widerrufen, so ist eine Wiederholung dieses Widerrufs - auch wenn es sich dabei um eine neuerliche Aussage handelt - mangels Neuheit kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund.
Dies gilt im Ergebnis auch für die (insoweit allerdings neue) Behauptung des Zeugen D, er habe die Gesellschaft um die Bereitstellung der Baumulde für eigene Zwecke gebeten und ihr die Kosten refundiert: die Behörde hat die Zurechnung der Verwendung der Baumulde am Tattag zur Baugesellschaft (und nicht zum Zeugen D und den von ihm behaupteten eigenen Aktivitäten), mit deren Inhalt begründet, der aus Bauschutt und nicht aus den, dem Zeugen D seinen Behauptungen zufolge überlassenen, wiederverwertbarem Ziegelpflaster bestanden habe; die Behörde hat sich also nicht etwa auf den Umstand der Kostentragung durch die Baugesellschaft gestützt. Die Behauptung, der Zeuge habe die Baumulde für eigene Zwecke angefordert und deren Kosten der Baugesellschaft refundiert, berührt daher nicht die den Bescheid tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der Behörde und ist daher objektiv nicht tauglich, diese in Zweifel zu ziehen.
Die Behörde hat daher den Wiederaufnahmsantrag der Beschwerdeführerin mangels Tauglichkeit des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 19. April 2007
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)