VwGH 2004/08/0103

VwGH2004/08/010326.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. April 2004, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2004-3224, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

61989CJ0192 Sevince VORAB;
61991CJ0237 Kazim Kus VORAB;
61995CJ0285 Suat Kol VORAB;
61997CJ0001 Birden VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
AuslBG §15;
AuslBG §16;
AuslBG §4c Abs2;
61989CJ0192 Sevince VORAB;
61991CJ0237 Kazim Kus VORAB;
61995CJ0285 Suat Kol VORAB;
61997CJ0001 Birden VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
AuslBG §15;
AuslBG §16;
AuslBG §4c Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Dezember 2003 auf Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 und 3 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt abgewiesen.

In der Begründung gab die belangte Behörde die einschlägige Rechtslage wieder und führte aus, der Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger - habe seine arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen ohne Beschäftigungsbewilligung oder sonstige Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgeübt. Ein Befreiungsschein mit einer Gültigkeitsdauer vom 8. April 1992 bis zum 7. April 1997 sei auf Grund der Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 30. November 1995 widerrufen worden. Ein danach gestellter Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sowie ein Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines seien abgewiesen worden; weitere Anträge seien nicht gestellt worden. Der Beschwerdeführer verfüge somit seit dem Widerruf des Befreiungsscheines mit Bescheid vom 30. November 1995 weder über einen Befreiungsschein noch über eine Arbeitserlaubnis; es sei ihm auch keine Beschäftigungsbewilligung für den jeweiligen Arbeitgeber erteilt worden. Der Beschwerdeführer verfüge auch über kein "entsprechendes Aufenthaltsrecht", weshalb seine Beschäftigungen illegal gewesen seien. Die Fremdenbehörde könne gemäß § 34 Abs. 3 Z. 2 Fremdengesetz (FrG) einen Fremden ausweisen, wenn dieser während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Da der Beschwerdeführer während des letzten Jahres keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, könne ihn die Fremdenbehörde ausweisen. In diesem Fall dürfe ein Ausländer auch keine Beschäftigung aufnehmen. Der Beschwerdeführer verfüge derzeit über keine Niederlassungsbewilligung. Da der Beschwerdeführer derzeit keine erlaubte Beschäftigung aufnehmen könne, stehe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, weshalb die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, die Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich sei ihm keineswegs verwehrt. Er sei auf Grund des Assoziationsabkommens mit der Türkei berechtigt, in Österreich zu arbeiten. Er habe Jahrzehnte hindurch Versicherungsbeiträge einbezahlt; nunmehr sei der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit eingetreten, weshalb er zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigt sei. Der angefochtene Bescheid diskriminiere den Beschwerdeführer unzulässig als Ausländer. Ein Österreicher würde in einer vergleichbaren Situation Arbeitslosengeld erhalten. Es widerspreche dem Grundsatz der Arbeitslosenversicherung, Personen als Beitragszahler in die Risikogemeinschaft der potenziell Arbeitslosen aufzunehmen, wenn im Versicherungsfall der Bezug von Versicherungsleistungen von vornherein ausgeschlossen sei. Solange fremdenpolizeilich keine Maßnahmen im Sinne einer Ausweisung gesetzt würden, die faktisch dazu führten, dass eine Verfügbarkeit für den österreichischen Arbeitsmarkt nicht gegeben sei, habe der Beschwerdeführer Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Mit der Beschwerde legte der Beschwerdeführer einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Februar 2004 vor, mit dem gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FrG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Dieser Bescheid enthält in seinem Spruch ferner das Gebot, dass der Beschwerdeführer nach Eintritt der Durchsetzbarkeit des Bescheides unverzüglich aus dem Bundesgebiet auszureisen habe. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer am 4. Oktober 2001 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Für die Zeit vom 22. Februar 2002 bis zum 5. Mai 2003 habe er einen Aufenthaltstitel erhalten. Am 28. März 2003 sei die Behörde darüber informiert worden, dass die der Niederlassungsbewilligung zu Grunde liegende arbeitsrechtliche Bewilligung des Beschwerdeführers eine Fälschung gewesen sei. Zudem habe sich der Beschwerdeführer durch eine Scheinehe eine arbeitsrechtliche Erlaubnis erschlichen und es erreicht, trotz rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet zu verweilen. Er habe somit gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. einem Organ dieser Behörde unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck sowie die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht, um sich die Einreise in das Bundesgebiet und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verschaffen. Dies rechtfertige die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden könnte.

Nach den Behauptungen in der vorliegenden Beschwerde hat der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung erhoben.

Die für den Zeitpunkt der Antragstellung am 3. Dezember 2003 und danach maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Nach § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist (§ 7Abs. 2 leg. cit.).

Gemäß § 7 Abs. 3 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen,

"1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbarenversicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. die aufenthaltsrechtlich berechtigt ist, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und

3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt."

Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation sieht Folgendes vor:

"Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

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