Normen
AVG §37;
AVG §45;
AVG §56;
AVG §67a Abs1 Z2;
SPG 1991 §89;
SPG RichtlinienV 1993;
StPO §139 Abs2;
AVG §37;
AVG §45;
AVG §56;
AVG §67a Abs1 Z2;
SPG 1991 §89;
SPG RichtlinienV 1993;
StPO §139 Abs2;
Spruch:
Der hinsichtlich seines Ausspruchs betreffend Barauslagenersatz gemäß § 76 Abs. 1 AVG unbekämpft gebliebene angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die ihm zugrunde liegende Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z 2 AVG im Punkt "Hausdurchsuchung" abweist sowie hinsichtlich seiner Entscheidung nach § 89 SPG (einschließlich der Kostenaussprüche) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, soweit er die ihm zugrunde liegende Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z 2 AVG in ihren sonstigen Punkten abweist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und hinsichtlich seines Ausspruchs betreffend "Antrag auf Erstattung von Reisekosten" wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 17. Februar 2000 führte die Bundespolizeidirektion Wien im Hinblick auf einen Hausdurchsuchungsbefehl des Jugendgerichtshofes Wien in der Asylwerberunterkunft in Wien, (K-heim), eine Hausdurchsuchung durch. Von dieser Maßnahme war ua. das zum damaligen Zeitpunkt von der damals knapp drei Monate alten Beschwerdeführerin und ihrer Mutter bewohnte Zimmer 310 betroffen.
In ihrer an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) gerichteten Beschwerde "gemäß §§ 67a Abs. 1 Z. 2 AVG und 88, 89 SPG" stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die Durchsuchung des Zimmers sowie ihrer dort befindlichen persönlichen Besitztümer und ihrer Schlafstelle, ihre während der Dauer des Einsatzes erfolgte Freiheitsbeschränkung (Konfinierung) sowie die an ihr vorgenommene Personsdurchsuchung für rechtswidrig zu erklären und die Rechtswidrigkeit der ihr gegenüber während der Dauer des Einsatzes erfolgten Verweigerung jeglicher Erfüllung persönlicher Bedürfnisse (von ihrer Mutter aufgenommen, beruhigt und gestillt zu werden) sowie die Verletzung im Recht auf Unterlassung unmenschlicher Behandlung und auf Unterlassung von Angriffen gegen ihre körperliche Unversehrtheit (durch Geöffnetlassen des Fensters und Schreienlassen) festzustellen. In weiterer Folge präzisierte die Beschwerdeführerin, dass hinsichtlich der begehrten Feststellungen eine Verletzung von § 5 und § 6 Abs. 1 Z 3 RLV geltend gemacht werde. Insoweit beantragte sie schließlich mit Stellungnahme vom 4. Juli 2000 - nach Erhalt einer Sachverhaltsmitteilung der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Juni 2000, wonach kein Fehlverhalten der einschreitenden Beamten vorgelegen habe - die Entscheidung der belangten Behörde gemäß § 89 Abs. 4 SPG.
Mit am 19. April 2002 mündlich verkündetem und am 16. Mai 2002 schriftlich ausgefertigtem Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z 2 AVG ("in allen Punkten") sowie die Beschwerde nach § 89 SPG als unbegründet ab (gemäß § 67c Abs. 3 AVG bzw. gemäß § 67c Abs. 3 AVG iVm § 89 Abs. 5 SPG) und sprach dem Bund Kosten zu. In der schriftlichen Bescheidausfertigung legte sie der Beschwerdeführerin ferner gemäß § 76 Abs. 1 AVG den Ersatz von Barauslagen auf und sprach "hinsichtlich des Antrages auf Erstattung der Reisekosten durch die Mutter der Beschwerdeführerin" aus, dass dieser Antrag als unbegründet abgewiesen werde.
Die belangte Behörde stellte fest, dass am Morgen des 17. Februar 2000 Organe der Bundespolizeidirektion Wien in das gegenständliche Zimmer 310 eingedrungen seien. Dort - bezüglich dieser Räumlichkeit und anderer Räumlichkeiten des Objekts habe ein Hausdurchsuchungsbefehl des Jugendgerichtshofes Wien bestanden - seien die Beschwerdeführerin und ihre Mutter, die im Durchsuchungsbefehl nicht als Verdächtige bezeichnet worden seien, angetroffen worden. Die Mutter der Beschwerdeführerin sei gerade dabei gewesen, sich um ihr Baby (die Beschwerdeführerin) zu kümmern; diese sei leicht bekleidet und lediglich mangelhaft zugedeckt auf einem Bett gelegen. Man habe eine Durchsuchung des Zimmers vorgenommen, wobei ein namentlich genannter Kriminalbeamter das geöffnete Fenster bzw. die Balkontüre nach dem Betreten des Zimmers verschlossen habe. In weiterer Folge sei die Mutter der Beschwerdeführerin im separaten WC visitiert worden, wobei sich diese Maßnahme aus Verschulden der Mutter, die sich nicht habe ankleiden und sich auch nicht um ihr Kind habe kümmern wollen, verzögert habe. Im Anschluss an die Visitierung sei die Mutter der Beschwerdeführerin aufgefordert worden, sich um ihr Baby (die Beschwerdeführerin) zu kümmern. Die Organe der Bundespolizeidirektion Wien hätten auch die beiden im Zimmer vorhandenen Betten durchsucht, wobei es zu einer "Ortsveränderung" der Beschwerdeführerin von einem zum anderen Bett gekommen sei. Eine "regelrechte" Entkleidung und Untersuchung der Beschwerdeführerin hätten die Organe der Bundespolizeidirektion Wien nicht vorgenommen. Nach Visitierung der Mutter und nachdem sich diese entschlossen habe, sich wieder ihrem Kind zu widmen, habe sie die Beschwerdeführerin angezogen und ihr die Windeln gewechselt. Nach negativem Ergebnis der Durchsuchung des Zimmers hätten die Beamten die Örtlichkeit verlassen.
Zur Beweiswürdigung führte die belangte Behörde Folgendes aus:
"Den Angaben der einvernommenen Zeugen war Glauben zu schenken, es bestand kein Grund und kein Hinweis, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Die Mutter der Beschwerdeführerin machte hingegen widersprüchliche Angaben und waren ihre Angaben selbst durch Zeugen, die sie benannt hatte, nicht zu stützen."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Hausdurchsuchungsbefehl des Jugendgerichtshofes Wien eindeutig das Zimmer 310 bezeichnet habe, weshalb die Durchsuchung dieses Zimmers einem Beschwerdeverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nur hinsichtlich der Überprüfung des Vorliegens eines "Exzesses" möglich sei. Ein solcher Exzess sei jedoch nicht hervorgekommen, weshalb die Beschwerde im Punkt Hausdurchsuchung abzuweisen gewesen sei. Hinsichtlich der Beschwerdepunkte Freiheitsbeschränkung und Entkleidung/Durchsuchung der Beschwerdeführerin habe sich nicht ergeben, dass die Mutter gewaltsam oder in Befehlsform gehindert worden sei, sich um die Beschwerdeführerin zu kümmern bzw. dass die Organe der Bundespolizeidirektion Wien diese Maßnahme überhaupt gesetzt hätten. Auch insoweit sei die erhobene Beschwerde daher abzuweisen gewesen. Bezüglich der behaupteten Richtlinienverletzungen werde festgestellt, "dass eine Richtlinie für das Einschreiten durch Sicherheitsorgane, hier Organe der belangten Behörde, nicht erfolgt" sei. Die diesbezüglichen Beschwerdepunkte "sind von der beschwerdeführenden Partei hypothetisch dargestellt" und seien mit dem subjektiven Empfinden der Beschwerdeführerin nicht mit erforderlicher Sicherheit in Einklang zu bringen, zumal sich die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Alters nicht habe artikulieren können. Das geltend gemachte Geöffnetlassen der Balkontüre habe nicht festgestellt werden können. "Im Eigentlichen" - so die belangte Behörde weiter - sei die Beschwerdeführerin durch die Amtshandlung der Organe der Bundespolizeidirektion Wien mit Ausnahme der Durchsuchung ihrer Habseligkeiten nur mittelbar betroffen gewesen, weshalb "ein Eingehen und Anführen der gesetzlichen Bestimmungen ihrer subjektiven Rechte, insbesondere Einschränkung dieser Rechte, nicht erforderlich ist."
Des Weiteren begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung nach § 76 Abs. 1 AVG und führte schließlich aus:
"Der Antrag auf Erstattung der Reisekosten der Mutter der Beschwerdeführerin war abzuweisen, da eine diesbezügliche gesetzliche Bestimmung zur Erstattung der Reisekosten einer Partei im Gesetz nicht vorgesehen ist."
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 27. Februar 2004, B 1106/02-11, ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde mit Beschluss vom 25. März 2004 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Dieser hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin lässt den Ausspruch betreffend Barauslagenersatz nach § 76 Abs. 1 AVG ausdrücklich unbekämpft. Sie wendet sich aber einerseits (uneingeschränkt) gegen die Abweisung von Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde und andererseits gegen den in die schriftliche Ausfertigung des Bescheides aufgenommenen Ausspruch, wonach der Antrag "auf Erstattung der Reisekosten durch die Mutter der Beschwerdeführerin" als unbegründet abgewiesen wird.
2. Hinsichtlich des ersten Punktes der Maßnahmenbeschwerde ("Hausdurchsuchung") gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem die Mutter der Beschwerdeführerin betreffenden hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/01/0041, zugrunde liegt. Insoweit wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das genannte Erkenntnis verwiesen. Aus den dort näher dargestellten Gründen durfte auch im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der vom Jugendgerichtshof erteilte Hausdurchsuchungsbefehl die Durchsuchung des persönlichen Bereichs der Beschwerdeführerin gedeckt habe.
3. Was die übrigen Punkte der Maßnahmenbeschwerde ("Freiheitsbeschränkung" und "Personsdurchsuchung") anlangt, so vermochte die belangte Behörde weder in die Sphäre der Beschwerdeführerin reichende Verhaltensanordnungen seitens der einschreitenden Polizeibeamten an ihre Mutter noch eine "regelrechte" Entkleidung und Untersuchung der Beschwerdeführerin festzustellen. Zu diesem Ergebnis gelangte sie - ohne weitere Erwägungen darzulegen - allein auf Grund der oben wörtlich wiedergegebenen Beweiswürdigung. Diese vermag allerdings der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung (siehe dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht standzuhalten: Die von der belangten Behörde einvernommenen Zeugen (die eingeschrittenen Polizeibeamten einerseits und die Mutter der Beschwerdeführerin andererseits) haben nämlich zum Ablauf der Amtshandlung (etwa zur Frage der Durchsuchung der Beschwerdeführerin) unterschiedliche Angaben gemacht. Jedenfalls im Hinblick darauf wäre es erforderlich gewesen, sich mit diesen Angaben näher auseinander zu setzen. Die bloße Bemerkung, es habe "kein Grund und kein Hinweis" bestanden, dass "diese Angaben" (offensichtlich jene der Polizeibeamten) nicht der Wahrheit entsprochen hätten, stellt ebenso wenig eine solche Auseinandersetzung dar wie der Hinweis darauf, dass die Mutter der Beschwerdeführerin widersprüchliche Angaben - ohne diese Widersprüche im Einzelnen aufzuzeigen - gemacht habe (ähnlich die hg. Erkenntnisse je vom 17. September 2002, Zlen. 99/01/0172, 0173 und Zl. 2000/01/0138; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2001/01/0311).
4. Der eben beschriebene Verfahrensmangel erfasst auch die Entscheidung der belangten Behörde nach § 89 SPG. Soweit in diesem Zusammenhang im bekämpften Bescheid ausgeführt wird, die "diesbezüglichen Beschwerdepunkte" seien "hypothetisch dargestellt und mit dem subjektiven Empfinden der Beschwerdeführerin nicht mit erforderlicher Sicherheit in Einklang zu bringen", liegt allerdings ergänzend eine Verkennung der Rechtslage vor, weil es bei der Frage, ob beim Einschreiten eines Exekutivorganes Richtlinien verletzt worden sind, nicht auf den subjektiven Eindruck des von der Amtshandlung Betroffenen, sondern nur auf das objektive Erscheinungsbild ankommen kann.
5. Zum "Antrag auf Erstattung von Reisekosten" führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie und ihre Mutter lediglich am 20. August 2001 (nach der Aktenlage richtig: am 24. August 2000) an Verhandlungen vor der belangten Behörde teilgenommen hätten. Hiefür habe aber nicht die Beschwerdeführerin, sondern lediglich deren Mutter einen Antrag auf Erstattung von Reisekosten gestellt, der freilich bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2002 erledigt worden sei.
Dieses Vorbringen steht mit der Aktenlage und mit den Ergebnissen des zur hg. Zl. 2002/17/0004 geführten Säumnisbeschwerdeverfahrens (Verfahrenseinstellung mit hg. Beschluss vom 10. Juni 2002 wegen Zuerkennung der beantragten Kosten an die Mutter der Beschwerdeführerin mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2002, Zl. UVS-02/V/32/1141/02-1) in Einklang. Es trifft auch - jedenfalls nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten - zu, dass die Beschwerdeführerin selbst keinen Antrag auf Erstattung von Reisekosten gestellt hat, weshalb dem nunmehrigen Bescheidabspruch über einen solchen "Antrag" von vornherein die Basis fehlt.
6. Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid insoweit, als er die ihm zugrunde liegende Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z 2 AVG im Punkt "Hausdurchsuchung" und insoweit, als er die Beschwerde nach § 89 SPG als unbegründet abweist sowie im Umfang seiner Kostenaussprüche wegen der (prävalierenden) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Hinsichtlich seines Ausspruchs betreffend "Antrag auf Erstattung von Reisekosten" war er hingegen wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG sowie im Übrigen (im angefochtenen Umfang) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, näher auf die weiteren Beschwerdeausführungen zur behaupteten Befangenheit des im vorliegenden Fall tätig gewordenen Organwalters der belangten Behörde einzugehen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. August 2004
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