Normen
AsylG 1997 §10 Abs1;
AsylG 1997 §10 Abs2;
AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs2;
AsylG 1997 §11;
AVG §68 Abs1;
AsylG 1997 §10 Abs1;
AsylG 1997 §10 Abs2;
AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs2;
AsylG 1997 §11;
AVG §68 Abs1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20, insgesamt somit EUR 6.938,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder, die zweit- bis siebentbeschwerdeführenden Parteien, sind (erstmals) gemeinsam mit ihrem Ehegatten bzw. Vater S M am 11. März 2000 nach Österreich eingereist. Alle sind Staatsangehörige des Libanon.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. April 2000 wurde der von S M am 16. März 2000 gestellte Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Libanon für zulässig erklärt. Das Bundesasylamt erachtete das Vorbringen zu einer angeblichen Verfolgung durch die Hisbollah aus näher dargestellten Gründen für unglaubwürdig. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom selben Tag wurden der von der Erstbeschwerdeführerin und die vom Vater für die zweit- bis siebentbeschwerdeführenden Kinder gestellten Asylerstreckungsanträge gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Die erwähnten abweisenden, jeweils am 3. Mai 2000 zugestellten Bescheide sind seit 18. Mai 2000 rechtskräftig. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden jeweils mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. August 2000 als verspätet zurückgewiesen.
Am 12. Jänner 2001 stellte S M einen weiteren Asylantrag. In der diesbezüglichen Niederschrift vom 21. August 2002 erklärte er auf entsprechenden Vorhalt, seine Angaben zum ersten Asylantrag seien richtig. Nach neu entstandenen Gründen befragt gab er lediglich an, die Hisbollah habe die syrische Regierung beauftragt, ihn zu verfolgen und aufzugreifen. Das habe er schon im November 1999 gewusst; auch deshalb sei er aus dem Libanon in die Türkei (gemeint: Anfang März 2000) geflüchtet. In der Vernehmung vom gleichen Tag stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und als Mutter für die zweit- bis siebentbeschwerdeführenden Parteien auf den nunmehrigen Antrag des Ehegatten bzw. Vaters bezogene Asylerstreckungsanträge.
Dessen Asylantrag vom 12. Jänner 2001 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. September 2002 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Das Bundesasylamt vertrat die Auffassung, der Beschwerdeführer habe keine wesentliche Sachverhaltsänderung behauptet. Mit dem alle beschwerdeführenden Parteien betreffenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. September 2002 wurden deren Asylerstreckungsanträge vom 21. August 2002 ebenfalls gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ausgehend von der dargestellten Aktenlage - rechtskräftige Abweisung der Erstanträge im Haupt- und in den Erstreckungsverfahren und nunmehrige Zurückweisung des Antrages im Hauptverfahren wegen entschiedener Sache - vertrat die Erstbehörde die Meinung, auch hinsichtlich der (wiederholten) Erstreckungsanträge liege mangels Geltendmachung eines "neuen relevanten Sachverhaltes" entschiedene Sache vor.
Die gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobene Berufung wurde für jede der beschwerdeführenden Parteien gesondert erledigt und mit jeweils inhaltlich im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden der belangten Behörde vom 4. Februar 2004 "gemäß § 68 Abs. 1 AVG" abgewiesen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde - wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges gemeinsam - erwogen hat:
Soweit die Beschwerde auch von S M eingebracht wurde und den Berufungsbescheid im Hauptverfahren betrifft, ist zunächst auf deren Erledigung (Ablehnung ihrer Behandlung) mit hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2003/20/0203, zu verweisen. Soweit die Beschwerde von den erst- bis siebentbeschwerdeführenden Parteien erhoben wurde und deren Erstreckungsverfahren betrifft, ist sie jedoch berechtigt:
An den diese Parteien betreffenden Bescheiden der belangten Behörde ist zunächst zu bemängeln, dass bei der Darstellung des bisherigen Verfahrensganges - aktenwidrig - (im Wesentlichen wortgleich zum Berufungsbescheid im Hauptverfahren) von der Abweisung von Asylanträgen in den Erstverfahren und nunmehr gestellten zweiten Asylanträgen, die von der Erstbehörde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden seien, ausgegangen wurde und völlig unbeachtet blieb, dass es sich jeweils nur um Erstreckungsanträge gehandelt hat. Die Begründung dieser Bescheide besteht - soweit sie tragend ist - sonst nur aus einer Verweisung auf den erstinstanzlichen Bescheid, in dem allerdings, der Aktenlage entsprechend, von wiederholten Erstreckungsanträgen ausgegangen wurde. Da die belangte Behörde daher insoweit einen anderen - für die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG aber wesentlichen - Sachverhalt zugrunde gelegt hat als die Erstbehörde, stellt die bloße Verweisung auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid keine schlüssige Begründung dar.
Vor allem ist die von der Berufungsbehörde übernommene Begründung im Bescheid des Bundesasylamtes aber rechtlich verfehlt, was die belangte Behörde nicht erkannt hat. Nach § 68 Abs. 1 AVG, auf den der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides gestützt wurde, sind Anbringen von Beteiligten, die - außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG - die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (von hier nicht zu erörternden weiteren Ausnahmen abgesehen) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegeben werden, und daran anschließend das Erkenntnis vom 20. März 2003, Zl. 99/20/0480, jeweils mwN).
Fremde begehren mit einem Asylerstreckungsantrag "die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl" (§ 10 Abs. 1 AsylG). Verfahrensgegenstand eines derartigen Antrages ist ausschließlich die Frage, ob der Antragsteller die in §§ 10, 11 AsylG normierten Voraussetzungen für die Erstreckung erfüllt (so auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997, 229). Die Asylerstreckung hat - neben der Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen und anderer materieller Kriterien - gemäß dem erwähnten § 10 Abs. 1 AsylG vor allem zur Bedingung, dass dem Angehörigen, auf dessen Asylantrag sich der Erstreckungswerber bezieht, Asyl gewährt wurde. Das wurde im Hinblick auf die Abweisung des von S M gestellten Asylantrages im ersten Verfahren über die damit verbundenen Erstreckungsanträge der beschwerdeführenden Parteien verneint und demzufolge deren Abweisung gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG vorgenommen. Auf die Frage, aus welchen Gründen die Abweisung des Asylbegehrens im Hauptverfahren erfolgte, kam es dabei nicht an. Für die Zulässigkeit der nunmehr vorliegenden Asylerstreckungsanträge der beschwerdeführenden Parteien unter dem Gesichtspunkt des § 68 Abs. 1 AVG kommt daher dem von den Asylbehörden für entscheidungswesentlich erachteten Umstand, es sei kein neuer maßgeblicher Sachverhalt (erkennbar gemeint: in Bezug auf die Asylgründe des S M) geltend gemacht worden, jedenfalls keine Relevanz zu.
Die Stellung eines Erstreckungsantrages setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht den bereits rechtskräftig erfolgten, durch die Asylgewährung an den Angehörigen positiven Abschluss dieses Verfahrens voraus, sondern ist dann zulässig, wenn ein diesbezügliches Hauptverfahren anhängig ist; also auch dann, wenn die zunächst schon erledigte Frage der Asylgewährung an den Angehörigen wieder offen ist (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/01/0204, und Zl. 98/01/0246, u.a.; allgemein zu Erstreckungsanträgen das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0429, wonach in Bezug auf das Zulässigkeitserfordernis der Minderjährigkeit bei Asylerstreckungsanträgen von Kindern auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist (bereits) im Vorliegen eines neuen Asylantrages eine für die diesbezüglichen Erstreckungsanträge maßgebliche Sachverhaltsänderung im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG zu sehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311), die somit im gegenständlichen Fall einer Zurückweisung der von den beschwerdeführenden Parteien am 21. August 2002 gestellten Asylerstreckungsanträge wegen entschiedener Sache entgegenstand. Davon ausgehend erlangt die eingangs aufgezeigte Aktenwidrigkeit zusätzliche Bedeutung, weil der angenommene Zurückweisungsgrund unter den vorliegenden Umständen nur bei wiederholten Asylanträgen in Betracht gekommen wäre und daher mit der unzutreffenden Darstellung der Aktenlage im angefochtenen Bescheid der Eindruck einer im Einklang mit dieser Rechtslage befindlichen Entscheidung erweckt wurde.
Die angefochtenen Bescheide waren aus den dargestellten Gründen wegen der vorrangigen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 52 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 1. April 2004
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