Normen
AsylG 1997 §10 Abs1;
AsylG 1997 §10 Abs2;
AsylG 1997 §11 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs2;
AsylG 1997 §44 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
AsylG 1997 §10 Abs1;
AsylG 1997 §10 Abs2;
AsylG 1997 §11 Abs1;
AsylG 1997 §11 Abs2;
AsylG 1997 §44 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem angefochtenen Bescheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1997 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde langte am 17. Dezember 1997 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Sie wurde mit dem Beschluß vom 14. Oktober 1998, Zl. 97/01/1127, in Anwendung des § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (idF.: AsylG), zurückgewiesen.
Der Antrag der Mutter des Beschwerdeführers auf Ausdehnung von Asyl wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1997 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde langte am 22. Dezember 1997 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Sie wurde mit dem Beschluß vom 14. Oktober 1998, Zl. 97/01/1143, in Anwendung des § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (idF.: AsylG), zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer beantragte durch seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin am 27. November 1997 gemäß § 4 AsylG 1991 die Ausdehnung der Gewährung von Asyl. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 4. Dezember 1997 ab. Der Bundesminister für Inneres wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 1997 ab. Dieser Bescheid wurde der Mutter des Beschwerdeführers am 2. Jänner 1998 zugestellt.
Der Bundesminister für Inneres hob den angefochtenen Bescheid mit dem Bescheid vom 22. Jänner 1998 gemäß § 68 Abs. 2 AVG auf. Im Hinblick auf das Inkrafttreten des AsylG 1997 habe der Bundesminister für Inneres den angefochtenen Bescheid am 2. Jänner 1998 als sachlich unzuständige Behörde erlassen, weil gemäß § 38 AsylG 1997 die Zuständigkeit zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes ab diesem Zeitpunkt dem unabhängigen Bundesasylsenat zukomme. Dieser Bescheid wurde nach dem im Verwaltungsakt befindlichen Rückschein dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Mutter am 26. Jänner 1998 durch Hinterlegung zugestellt.
Der unabhängige Bundesasylsenat wies daraufhin die Berufung des Beschwerdeführers mit dem Bescheid vom 5. Februar 1997, Zl. 201.654/0-IV/12/98, gemäß § 10 und 11 AsylG ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 27. Mai 1998 durch seinen Vertreter Dr. Martin Prokopp die vorliegende Beschwerde. In dieser Beschwerde stellt der Beschwerdeführer klar, daß der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Dezember 1997 in der Folge von Amts wegen aufgehoben wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund dieser Angabe des Beschwerdeführers keine Zweifel an der rechtsgültigen Erlassung des Aufhebungsbescheides des Bundesministers für Inneres vom 22. Jänner 1998.
Der unabhängige Bundesasylsenat begründete den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1998 im wesentlichen damit, daß den Eltern des Beschwerdeführers nicht Asyl gewährt worden sei, weshalb die gemäß § 10 Abs. 1 des nunmehr anzuwendenden AsylG 1997 geforderte Voraussetzung, daß einem Angehörigen Asyl gewährt worden sei, nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, seine Eltern hätten die "Möglichkeit, gegen den abweislichen Berufungsbescheid bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes Beschwerde zu erheben". Es sei daher noch gar nicht sicher, ob seinen Eltern nicht doch Asyl gewährt werde. Es sei das Erkenntnis des angerufenen Höchstgerichtes abzuwarten. Eine negative Entscheidung über den Asylerstreckungsantrag sei in diesem Stadium nicht zulässig.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem am 12. August 1998 im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 110/1998, kundgemachten Erkenntnis vom 13. Juni 1998, G 78/98, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge ", sofern die Anfechtung vor Kundmachung dieses Bundesgesetzes erfolgte" in § 44 Abs. 2 letzter Halbsatz AsylG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, die aufgehobene Gesetzesbestimmung sei "auch hinsichtlich jener Bescheide nach dem Asylgesetz 1991 nicht mehr anzuwenden, die derzeit bei einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angefochten sind". Diese Ausdehnung der Anlaßfallwirkung erfaßt u.a. die zu den hg. Zlen. 97/01/1127 und 97/01/1143 angefochten gewesenen, den Vater und die Mutter des Beschwerdeführers betreffenden Berufungsbescheide nach dem AsylG 1991 und ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - trotz des Umstandes, daß sie von der belangten Behörde deren Entscheidung noch nicht zugrunde gelegt werden konnte - auch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen. Es ist daher davon auszugehen, daß die die Eltern des Beschwerdeführers betreffenden Berufungsbescheide nach dem AsylG 1991 mit dem Inkrafttreten des AsylG am 1. Jänner 1998 gemäß § 44 Abs. 2 dieses Gesetzes (in der bereinigten Fassung dieser Bestimmung) außer Kraft getreten sind.
Damit stellt sich - anders als noch für die belangte Behörde - bei der Beurteilung des vorliegenden Falles zunächst die Frage, ob die auf das Fehlen der Voraussetzung einer positiven Erledigung des Asylantrages des Vaters des Beschwerdeführers gestützte Abweisung eines Asylerstreckungsantrages nach §§ 10 und 11 AsylG rechtmäßig ist, wenn die Entscheidung über die Berufung des Angehörigen gegen die erstinstanzliche Abweisung seines Asylantrages noch aussteht.
Die für die Beantwortung dieser Frage maßgeblichen (und mit der Rechtslage nach dem AsylG 1991 nicht inhaltsgleichen) Bestimmungen des AsylG lauten:
"Asylerstreckungsantrag
§ 10. (1) Fremde begehren mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl.
(2) Asylerstreckungsanträge können frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden. Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.
Asylerstreckung
§ 11. (1) Die Behörde hat auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK, BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
(2) Fremde, die einen Asylerstreckungsantrag eingebracht haben, können im Verfahren über den Asylantrag ihres Angehörigen aus eigenem alles vorbringen, was ihnen für dieses Verfahren maßgeblich erscheint. Wird der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen, so gelten die der Sache nach damit verbundenen Asylerstreckungsanträge, sofern der Betroffene nach Belehrung über die Folgen nicht ausdrücklich darauf verzichtet, als Asylanträge. Die Behörde hat über diese Anträge unverzüglich zu entscheiden; im Falle eines Verzichtes sind Asylanträge dieser Fremden innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der die Asylerstreckungsanträge abweisenden Entscheidung unzulässig.
(3) Bringen Fremde einen Asylerstreckungsantrag während eines bereits anhängigen Verfahrens gemäß § 7 ein, ist mit der Erledigung dieses Antrages zuzuwarten, bis die Entscheidung über ihren Asylantrag ergangen ist. Asyl durch Erstreckung darf ihnen erst gewährt werden, wenn ihr Asylantrag rechtskräftig zurückgewiesen oder abgewiesen wurde.
(4) Bescheide, mit denen Angehörigen durch Erstreckung Asyl gewährt wurde, treten außer Kraft und Asylerstreckungsanträge werden gegenstandslos, wenn den Angehörigen gemäß § 7 Asyl gewährt wird."
§ 11 Abs. 3 und 4 AsylG können im folgenden außer Betracht bleiben, weil sie Asyl- und Asylerstreckungsanträge ein und derselben Person betreffen.
§ 10 Abs. 1 AsylG scheint dem Wortlaut nach ein schon im Zeitpunkt des Asylerstreckungsantrages positiv, nämlich durch Asylgewährung, abgeschlossenes Verfahren über den Hauptantrag vorauszusetzen. Dem steht aber die ausdrückliche Anordnung des § 10 Abs. 2 AsylG entgegen, wonach Asylerstreckungsanträge "frühestens zur selben Zeit" wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden können. Mit der Vorstellung, derartige vor einem positiven Abschluß des Hauptverfahrens gestellte Anträge seien zwar nicht als unzulässig zurückzuweisen, aber schon während des erstinstanzlichen Verfahrens über den Hauptantrag spruchreif und mangels Vorliegens der Voraussetzung eines bereits "gewährten Asyls" sogleich abzuweisen, ließe sich diese Anordnung des Gesetzgebers nicht sinnvoll in Einklang bringen. Daß eine derartige Spruchreife während des erstinstanzlichen, aber zumindest in bezug auf eine verfahrensbeendende Entscheidung über den Asylerstreckungsantrag auch während des Berufungsverfahrens über den Hauptantrag nicht anzunehmen ist, ergibt sich jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes vor allem aus § 11 Abs. 2 erster Satz AsylG, wonach Erstreckungswerber im Verfahren über den Hauptantrag aus eigenem alles vorbringen können, was ihnen für dieses Verfahren (nämlich dasjenige über den Hauptantrag) maßgeblich erscheint. Diese Bestimmung setzt voraus, daß das Verfahren über den Erstreckungsantrag nicht vor dem Verfahren über den Hauptantrag rechtskräftig beendet wird. Zusätzliche Bestätigung findet dies in der detailliert durchgestalteten Parallelführung beider Verfahren für den besonders geregelten Fall, daß der Hauptantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird und der Erstreckungswerber auf die Behandlung seines Antrages als Asylantrag verzichtet (vgl. hiezu
§ 11 Abs. 2 zweiter und dritter Satz in Verbindung mit § 32 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 dritter Satz AsylG, wobei es an der zuletzt genannten Stelle statt "zurückweisenden" richtig "abweisenden" heißen müßte; die Aufhebung der Wortfolge "§ 4 und" des § 32 AsylG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98-10 u.a., wegen der verfassungswidrigen Kürze der in der Stammfassung dieser Bestimmung vorgesehenen Berufungsfrist ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung).
Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß mit der rechtskräftigen Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers bis zur rechtskräftigen Erledigung des seit dem 1. Jänner 1998 wieder offenen Verfahrens über den Hauptantrag zuzuwarten ist und der beschwerdeführenden Partei in dem zuletzt genannten Verfahren die ihr durch § 11 Abs. 2 erster Satz AsylG eingeräumte Beteiligtenstellung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1998
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