VwGH 2003/16/0030

VwGH2003/16/003026.6.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der C GesmbH in N, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 12. Dezember 2002, Zl ABK-209/02, betreffend Getränkesteuer 1995 bis 2000, zu Recht erkannt:

Normen

31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
61993CJ0062 BP Soupergaz Anonimos Etairia Geniki VORAB;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §250;
BAO §311;
EURallg;
VwRallg;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
61993CJ0062 BP Soupergaz Anonimos Etairia Geniki VORAB;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §250;
BAO §311;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 332,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem am 7. März 2000 beim Magistrat der Stadt Wien eingelangten Schriftsatz vom 1. März 2000 wurde von der Beschwerdeführerin wörtlich ausgeführt:

Sollte die Getränkesteuer für EU-widrig erklärt werden, so ersuchen wir Sie höflich, von einer Vorschreibung und Einhebung Abstand zu nehmen und die Rückzahlung der zu Unrecht vorgeschriebenen und eingehobenen Getränkesteuer seit dem Jahre 1995 zu veranlassen.

Nach Vornahme einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 6. August 2002 Getränkesteuer für die Zeiträume 1995 bis 2000 vorgeschrieben, wobei für 2000 eine Steuer allein für alkoholfreie Getränke ausgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der Antrag vom 1. März 2000 auf Rückzahlung der Getränkesteuer zurückgewiesen.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde beantragt, für die Jahre 1995 bis 2000 keine Getränkesteuer vorzuschreiben und die Rückzahlung anzuordnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung des Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass bedingte Prozesshandlungen unzulässig seien. Die Beschwerdeführerin habe damit vor dem 9. März 2000 keinen Rechtsbehelf gegen die Einhebung von Getränkesteuer erhoben. Der bedingte Rückzahlungsantrag sei zurückzuweisen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Erstattung und Nichtentrichtung einer gemeinschaftsrechtswidrig erhobenen und vorgeschriebenen Abgabe verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Spruchteil 3 des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 lautet:

Niemand kann sich auf Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben, wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass des Urteiles des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C 437/97 entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der in diesem Urteil des EuGH verwendete Begriff Rechtsbehelf möglichst weit zu verstehen. So ist insbesondere eine Berichtigung bzw ein Rückzahlungsantrag ein solcher Rechtsbehelf (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 28. September 2000, Zl 2000/16/0338, und vom 17. Mai 2001, Zl 2000/16/0704 mwH).

Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde im

Hinblick auf die Formulierung "Sollte die Getränkesteuer ... als

EU-widrig erklärt werden" davon ausgegangen, dass das Begehren des Beschwerdeführers unter einer Bedingung erklärt worden ist. Mit dieser Folgerung ist die Behörde im Recht. Derartige bedingte Prozesshandlungen sind im Allgemeinen unzulässig (vgl insbesondere Stoll, BAO-Kommentar, 2574, und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl weiters das hg Erkenntnis vom 18. Juni 1996, Zl 94/04/0183). Insbesondere ist dabei ein Begehren, das wie im Beschwerdefall nur dann als erhoben gelten soll, wenn ein anderes Gericht in einem anderen Verfahren zu einer der Bedingung entsprechenden Rechtsmeinung gelangen sollte, nicht zulässig (vgl den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1997, B 2152/97).

Die Unzulässigkeit des vorliegenden bedingten Rückzahlungsantrages stand damit einer Beurteilung des Antrages als Rechtsbehelf iS des Punktes 3 des Urteilstenors des oben angeführten EuGH-Urteils vom 9. März 2000 entgegen (vgl insbesondere die hg Erkenntnisse vom 7. Juni 2001, Zl 2001/16/0016, und vom 28. Juni 2001, Zl 2001/16/0059).

Die Ausführungen in der vorliegenden Beschwerde können den Verwaltungsgerichtshof nicht veranlassen, von der dargestellten Rechtsauffassung abzugehen. So ist für die rechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Schriftsatzes vom 1. März 2000 nicht von Bedeutung, dass sich die Beschwerdeführerin bei der damit gewählten Formulierung an eine Empfehlung ihrer Interessensvertretung gehalten habe.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, der bedingte Rückzahlungsantrag hätte abgewiesen, nicht aber zurückgewiesen werden müssen, so ist ihr entgegenzuhalten, dass ein Anbringen zurückzuweisen ist, wenn es unzulässig ist (vgl Ritz, BAO2, § 311 BAO, Rz 10 und die dort zitierte hg Rechtsprechung). Im Hinblick auf die oben dargelegte Unzulässigkeit des bedingten Rückzahlungsantrages hat die Abgabenbehörde diesen Antrag zu Recht zurückgewiesen.

Weiters wird in der Beschwerde dargelegt, wie der Schriftsatz vom 1. März 2000 ihrer Auffassung nach zu verstehen gewesen sei - nämlich als implizite Zustimmung zur Zurückstellung seiner Behandlung bis zur Entscheidung des EuGH. Auch diese Vorbringen ist nicht geeignet, den Standpunkt der Beschwerdeführerin zu stützen, weil die einer Prozesserklärung zu Grunde liegenden Absichten und Beweggründe unerheblich sind (vgl neuerlich das hg Erkenntnis vom 7. Juni 2001, Zl 2001/16/0016 mwH).

Schließlich wird von der Beschwerdeführerin angeregt, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften iS des Artikels 234 EG die Frage vorzulegen, ob eine derartige Prozesserklärung wie im Beschwerdefall als "Rechtbehelf" iS des Spruchteils 3 des oben genannten Urteils vom 9. März 2000 anzusehen ist. Damit übersieht die Beschwerdeführerin, dass die Erstattung von Beträgen, die unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes erhoben wurden, nur im Rahmen der in den jeweils einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen betrieben werden kann (vgl insbesondere das Urteil des EuGH vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93 , BP Soupergaz, RNr. 41). Mangels gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen über die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Abgaben ist es also die Aufgabe des einzelnen Mitgliedsstaates, die Bedingungen für die Erstattung festzulegen. Dabei ist jedoch auf die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität Bedacht zu nehmen. Beide Grundsätze stehen der Auffassung, wonach bedingte Prozesserklärungen unzulässig sind, nicht entgegen: Zum einen besteht keine Differenzierung zwischen innerstaatlichen Sachverhalten und solchen, die einen gemeinschaftsrechtlichen Bezug aufweisen; zum anderen kommt es bei Anwendung der allgemein vorherrschenden Auffassung, wonach bedingte Prozesserklärungen nach innerstaatlichem Recht unzulässig sind, im Hinblick auf die ansonsten sehr weite Auslegung des Begriffs des "Rechtsbehelfs" durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl nochmals das hg Erkenntnis vom 7. Juni 2001, Zl 2001/16/0016, und die dort angegebene weitere Rechtsprechung) keineswegs zu einer übermäßigen Erschwerung bzw Unmöglichmachung der Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich begründeter Ansprüche. Daraus folgt aber, dass die Frage, ob eine bedingte Prozesserklärung als Rechtsbehelf im bezeichneten Sinne anzusehen ist, nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen und dass in diesem Zusammenhang keine Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorzunehmen ist. Der Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung war daher nicht zu entsprechen.

Aus den oben angeführten Gründen erweist sich die Beschwerde hinsichtlich Getränkesteuer 1995 bis 1999 als unbegründet; hinsichtlich Getränkesteuer 2000 - wozu in der Beschwerde keine gesonderten Ausführungen enthalten sind - ist die Beschwerde schon deswegen unbegründet, weil für 2000 die Steuer nur für nichtalkoholische Getränke vorgeschrieben worden ist. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Juni 2003

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