VwGH 2003/08/0092

VwGH2003/08/009224.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des H in A, vertreten durch Dr. Johann Eder, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Giselakai 45, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 20. März 2001, Zl. 3/05-V/13.198/18-2001, betreffend Beitragspflicht und Verlängerung der Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23),

Normen

ASVG §410 Abs1;
ASVG §58;
ASVG §62 Abs1;
AVG §38;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
ASVG §410 Abs1;
ASVG §58;
ASVG §62 Abs1;
AVG §38;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Feststellung der Verlängerung der Pflichtversicherung der Dienstnehmer D und S gemäß § 11 Abs. 1 ASVG richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 18. Juli 1997 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingelangten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer, einen näher bezeichneten Rückstandsausweis aufzuheben und

"bescheidmäßig festzustellen, daß auf dem Beitragskonto Nr. ... keinerlei Beitragsschuld besteht, sowie, daß die Dienstnehmer (P.S. und H.D.) seit 12. August 1996 als Arbeitnehmer der Fa. (A-GmbH) gemeldet waren und mit 31.1.1997 ordnungsgemäß abgemeldet wurden, sodaß über diesen Zeitraum hinaus keinerlei Beiträge mehr zu entrichten waren."

Mit Bescheid vom 4. August 1997 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse über diesen Antrag entschieden; der Spruch dieses Bescheides lautet wörtlich:

"Das Dienstverhältnis der beiden Arbeitnehmer (H.D. und P.S.) zum Dienstgeber (Beschwerdeführer) ist aufgrund der mit 31.01.1997 ausgesprochenen Kündigung beendet.

Der Zeitpunkt der Kündigung der Arbeitnehmer entspricht jedoch nicht den Bestimmungen des Angestelltengesetzes, da die Kündigung eines Angestellten nur unter Einhaltung der Kündigungsfristen (§ 20 Angestelltengesetz) zum Quartal möglich ist.

Bei der aufgrund der zeitwidrigen Kündigung den Arbeitnehmern zustehenden Kündigungsentschädigung (bis zum Quartalsende bzw. bis zum 31.03.1997) handelt es sich gemäß § 49 Abs. 1 ASVG um beitragspflichtiges Entgelt.

Dadurch verlängert sich die gesetzliche Pflichtversicherung der Herren (H.D. und P.S.) gemäß § 11 Abs. 1 ASVG bis zum 31.03.1997 (Ende des Entgeltanspruches)."

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch machte der Beschwerdeführer geltend, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu Unrecht davon ausgehe, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses der beiden Arbeitnehmer "durch ihren Dienstgeber, die Firma (A)-GmbH zeitwidrig und entgegen den Bestimmungen des Angestelltengesetzes" erfolgt sei. Das Dienstverhältnis sei einvernehmlich aufgelöst worden, sodass zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Beschäftigungsverhältnisse der beiden Dienstnehmer, sondern auch deren Ansprüche auf Entgelt geendet hätten. Damit sei die Pflichtversicherung jedenfalls zum 31. Jänner 1997 erloschen und es seien daher für einen späteren Zeitpunkt keinerlei Beiträge mehr vom ehemaligen Dienstgeber, der A-GmbH, zu entrichten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen dazu aus, dass aus der im Akt einliegenden Abmeldung der beiden Arbeitnehmer ersichtlich sei, dass eine Kündigung vorliege; auch aus dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 31. Jänner 1997 an die Dienstnehmer gehe eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer die Kündigung ausgesprochen habe. Mangels einer für die Angestellten günstigeren Vereinbarung könne der Dienstgeber gemäß § 20 Abs. 2 des Angestelltengesetzes das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung auflösen. Die Kündigungsfrist betrage sechs Wochen. Eine Kündigung sei daher frühestens zum 31. März 1997 möglich gewesen. Eine nicht frist- oder termingerechte Kündigung seitens des Arbeitgebers, die im gegenständlichen Fall vorliege, habe dieselben Rechtsfolgen wie eine ungerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Auf die zeitwidrige Kündigung sei die Bestimmung des § 29 des Angestelltengesetzes analog anzuwenden. Der Arbeitnehmer behalte den Anspruch auf Entgelt für den Zeitraum, der bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine fristgerechte Kündigung hätte verstreichen müssen. Da die beiden Dienstverhältnisse auf Grund der fristwidrigen Kündigung mit 31. Jänner 1997 tatsächlich beendet worden seien, hätten die Arbeitnehmer Anspruch auf Kündigungsentschädigung bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 29 des Angestelltengesetzes, das sei der 31. März 1997.

In der Rechtsmittelbelehrung führte die belangte Behörde aus, dass gegen diesen Bescheid Berufung erhoben werden könne. Die vom Beschwerdeführer fristgerecht eingebrachte Berufung hat der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen mit Bescheid vom 21. März 2003 als unzulässig zurückgewiesen. Über die gegen diesen Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/08/0138, entschieden und den Bescheid, soweit damit die Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verlängerung der Pflichtversicherung der genannten Dienstnehmer gemäß § 11 Abs. 1 ASVG zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und im Übrigen die Beschwerde abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/08/0084 WE, dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den angefochtenen Bescheid stattgegeben. In der mit dem Wiedereinsetzungsantrag ausgeführten Beschwerde stellt der Beschwerdeführer den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse teilte mit, dass sie von der Erstattung einer Gegenschrift absehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch beschwert, dass im angefochtenen Bescheid der Beginn des streitgegenständlichen Zeitraumes nicht angeführt sei und dass festgestellt werde, dass die gesetzliche Pflichtversicherung der beiden Arbeitnehmer am 31. März 1997 ende. Weiters fühlt er sich darin beschwert, dass er "als Verantwortlicher bzw. Zahlungspflichtiger" geführt werde. Der Sache nach bestreitet er damit sowohl das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als auch seine Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen.

2. Zum Vorbringen gegen die Feststellung der (Verlängerung der) Pflichtversicherung ist festzuhalten, dass in Angelegenheiten der Versicherungspflicht - mit Ausnahme der hier nicht in Betracht kommenden Fälle des § 11 Abs. 2 erster Satz ASVG - gemäß § 415 Abs. 1 ASVG die Berufung an den Bundesminister zusteht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/08/0138).

Soweit sich die Beschwerde daher gegen die Feststellung der Verlängerung der Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 1 ASVG richtet, war sie in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat mangels Erschöpfung des Instanzenzugs nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

3. Mit den beiden ersten Absätzen des - oben wiedergegebenen -

Spruchs des erstinstanzlichen Bescheides wurde ausgesprochen, dass das Dienstverhältnis der beiden namentlich genannten Dienstnehmer zum Beschwerdeführer als deren Dienstgeber beendet ist und dass die Kündigung nicht den Bestimmungen des Angestelltengesetzes entsprochen habe. Die Entscheidung über den Bestand eines Angestelltendienstverhältnisses steht jedoch nicht den Verwaltungsbehörden, sondern den Gerichten zu.

Ob bzw. in welchem Zeitraum ein Dienstverhältnis besteht und ob eine Kündigung dieses Dienstverhältnisses dem Angestelltengesetz entspricht, kann eine Vorfrage für die vom Versicherungsträger bzw. im Falle eines Einspruchs von der belangten Behörde zu beurteilenden Fragen der Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem ASVG darstellen. Soweit der Ausspruch über die Beendigung des Dienstverhältnisses als Beurteilung der Vorfrage zu verstehen sein sollte, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die der Behörde gemäß § 38 AVG zustehende Beurteilung einer Vorfrage nicht in den Spruch des Bescheides, sondern in dessen Begründung aufzunehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/04/0127 m.w.N.). Angesichts der klar gegliederten, nach ihrem Wortlaut einen eigenständigen normativen Gehalt aufweisenden Spruchteile kann hier auch nicht davon die Rede sein, dass es sich bei den beiden ersten Absätzen des erstinstanzlichen Spruchs offensichtlich nur um eine Vorwegnahme der Begründung des Bescheides handeln sollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1960, VwSlg. Nr. 5363/A). Da die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zur Entscheidung über die Beendigung des Dienstverhältnisses unzuständig war, hätte die belangte Behörde auf Grund des Einspruchs des Beschwerdeführers den erstinstanzlichen Bescheid in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos zu beheben gehabt.

4. Auch im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid - durch Abweisung des Einspruchs des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid - getroffene Feststellung, wonach es sich bei der den Arbeitnehmern zustehenden Kündigungsentschädigung gemäß § 49 Abs. 1 ASVG um beitragspflichtiges Entgelt handle, erweist sich die Beschwerde auf Grund eines zwar nicht ausdrücklich geltend gemachten, jedoch im Rahmen des Beschwerdepunkts aufzugreifenden Grund als berechtigt.

Der Beschwerdeführer hat sich in seinem verfahrenseinleitenden Antrag gegen seine Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen, die ihm auf Grund eines Rückstandsausweises vorgeschrieben wurden, gewandt und um bescheidmäßige Absprache ersucht. Es lag daher ein Streit um geschuldete und fällige Beiträge vor, sodass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse jedenfalls einen Leistungsbefehl zu erlassen hatte und es nicht bei der Feststellung, wonach es sich bei einer bestimmten Geldleistung um beitragspflichtiges Entgelt handle, bewenden lassen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/08/0262).

5. Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er nicht über die Verlängerung der Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 1 ASVG abgesprochen hat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, jedoch begrenzt durch das hinter den Pauschalsätzen der genannten Verordnung zurückbleibende Begehren.

Wien, am 24. Jänner 2006

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