Normen
42000D0677 Übk Zuständigkeit Familienangehörige;
AsylG 1997 §5 Abs1 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §5 idF 1999/I/004;
B-VG Art129c Abs1;
B-VG Art140;
B-VG Art140a;
B-VG Art83 Abs2;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
Dubliner Übk 1997;
EMRK Art13;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §13 Abs1 Z1;
42000D0677 Übk Zuständigkeit Familienangehörige;
AsylG 1997 §5 Abs1 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §5 idF 1999/I/004;
B-VG Art129c Abs1;
B-VG Art140;
B-VG Art140a;
B-VG Art83 Abs2;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
Dubliner Übk 1997;
EMRK Art13;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §13 Abs1 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 28. Februar 2001 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. März 2001 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Juni 2001 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz als unzulässig zurückgewiesen. Ausgesprochen wurde ferner, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 6 und Art. 11 Abs. 4 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages (Dubliner Übereinkommen - DÜ, BGBl. III Nr. 165/1997) Italien zuständig ist. Unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer "illegal" von der Türkei nach Italien begeben habe. Ebenfalls "illegal" sei der Beschwerdeführer aus Italien kommend in Österreich eingereist. Auf Grund des Umstandes, dass sich der Onkel des Beschwerdeführers in Österreich aufhalte, sei eine eingehende Prüfung hinsichtlich des Überganges der Zuständigkeit für Familienangehörige durchgeführt worden. Dabei habe kein humanitärer oder sonstiger Grund für den Gebrauch des Selbsteintrittsrechts im Sinne des Art. 3 Abs. 4 DÜ und auch im Hinblick auf die ausgesprochene Ausweisung nach Italien keine Verletzung des Art. 8 EMRK festgestellt werden können, zumal der Beschwerdeführer keine Gründe dafür geltend gemacht habe, auf Hilfe zum Leben durch seinen Onkel angewiesen zu sein. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit seinem Onkel in seinem Herkunftsland als Familie zusammengelebt habe. Dem Onkel des Beschwerdeführers sei bereits am 13. Oktober 1995 ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt worden, der Beschwerdeführer selbst sei jedoch erst 2001 in das österreichische Bundesgebiet eingereist.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei ohne Vermögen nach Österreich eingereist und könne mangels rechtlicher Möglichkeit keiner Beschäftigung nachgehen. Sein Onkel habe sich verpflichtet, für sämtliche Kosten, die durch seinen Aufenthalt in Österreich entstünden, aufzukommen. Außerdem sei der Beschwerdeführer bei seinem Onkel wohnhaft. Die erstinstanzliche Entscheidung bedeute einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK. In Italien hätte der Beschwerdeführer im Übrigen keinen Schutz vor Abschiebung entweder in die Türkei oder nach Slowenien, aus welchem Land er nach Italien eingereist sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei "illegal" von Italien kommend in Österreich eingereist. Italien habe mit Schreiben vom 8. August 2001 erklärt, den Beschwerdeführer zu übernehmen. Bezüglich des Umstandes, dass sich der Onkel des Beschwerdeführers in Österreich aufhalte und der Beschwerdeführer auf dessen finanzielle Unterstützung angewiesen sei, sei auf die ausführliche Prüfung der Behörde erster Instanz im Sinne des Beschlusses Nr. 1/2000 vom 31. Oktober 2000 des Ausschusses nach Art. 18 DÜ über den Übergang der Zuständigkeit für Familienangehörige gemäß Art. 3 Abs. 4 und Art. 9 DÜ zu verweisen. Die diesbezügliche Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz werde zum Inhalt des Berufungsbescheides erhoben. Auch könne nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer wegen eines besonderen Grundes von Hilfe abhängig wäre, also etwa wegen schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Lebensalters. Außerdem könne der Beschwerdeführer auch in Italien eine finanzielle Zuwendung durch seinen Onkel erhalten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er in Italien keinen Schutz vor Abschiebung habe, erweise sich als zu wenig konkret, als dass damit allfällige Menschenrechtsverletzungen oder auch tatsächliche Verletzungen des Abschiebungsschutzes durch Italien aufgezeigt würden. Die Vertragsstaaten des DÜ seien völkerrechtlich zur Durchführung eines der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Asylverfahrens verpflichtet. Als Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätten sie sich auch zur Beachtung der in der EMRK gewährleisteten Grundrechte verpflichtet.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach der Zitierung von Bestimmungen des DÜ und des AsylG führt die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, dass eindeutig die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers vorliege, was Italien auch mit Schreiben vom 8. August 2001 bestätigt habe. Für die belangte Behörde stehe somit die Anwendbarkeit des Art. 6 DÜ zweifelsfrei fest. "Demzufolge" seien "die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 AsylG 1997 erfüllt". Der in Österreich gestellte Asylantrag erweise sich "sohin im Grunde des § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig".
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/01/0498, ausgeführt, er halte an seinen Rechtssätzen, wonach § 5 Asylgesetz keiner verfassungskonformen Auslegung im Sinne einer Bedachtnahme auf Art. 3 und 8 EMRK zugänglich sei und dem Asylwerber kein subjektiv-öffentliches Recht auf Eintritt eines nach dem Wortlaut des DÜ unzuständigen Mitgliedstaates (Österreich) in die Prüfung des Asylantrages zustehe, nicht fest, sondern schließe sich der (im genannten Erkenntnis näher wiedergegebenen) Ansicht des Verfassungsgerichtshofes in dessen Erkenntnis vom 8. März 2001, G 117/00 u.a., VfSlg. 16.122, an; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - der das zitierte, erst ein Jahr später gefällte Erkenntnis eines verstärkten Senates noch nicht bekannt sein konnte - auch auf das ihr bereits vorliegende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht Bezug genommen (anders etwa der mit der zur hg. Zl. 2002/01/0161 protokollierten Beschwerde, deren Behandlung mit Beschluss vom 3. Dezember 2003 abgelehnt wurde, bekämpfte Bescheid der belangten Behörde vom 22. Februar 2002). Sie hat sich andererseits auch nicht ausdrücklich auf die frühere, gegenteilige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes berufen (anders etwa noch der mit dem hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2001/20/0520, aufgehobene, insoweit im Erkenntnis allerdings nicht wiedergegebene Bescheid der belangten Behörde vom 5. Juli 2001). Die belangte Behörde hat als "entscheidungsrelevanten Sachverhalt" aber - abgesehen von einer Feststellung über die Bereitschaft Italiens zur Übernahme des Beschwerdeführers - nur die Tatsachen festgestellt, die für die Subsumtion unter Art. 6 DÜ von Bedeutung sind, den der Beweiswürdigung gewidmeten Abschnitt der Bescheidbegründung auf diese Sachverhaltselemente beschränkt und ihre Entscheidung in rechtlicher Hinsicht - wie zuvor dargestellt -
darauf gestützt, dass es für die Anwendung des § 5 AsylG nur auf die Erfüllung des Zuständigkeitstatbestandes durch Italien ankomme. Der angefochtene Bescheid beruht daher, gemessen an dem erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates, auf einer unzutreffenden Beurteilung der Rechtslage.
Im Anschluss an die rechtliche Schlussfolgerung, der erstinstanzliche Bescheid sei aus den dargestellten rechtlichen Gründen "vollinhaltlich zu bestätigen" gewesen, hat sich die belangte Behörde - in eher kursorischer Weise - allerdings noch mit den Vorbringensteilen befasst, in denen sich der Beschwerdeführer auf das Familienleben mit seinem Onkel in Österreich und auf das Fehlen eines Abschiebungsschutzes in Italien bezogen hatte. Diese Ausführungen stellen jedoch keine für sich genommen tragfähige Eventualbegründung des angefochtenen Bescheides dar. Hinsichtlich der familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers und der behaupteten Verletzung des Art. 8 EMRK hat sich die belangte Behörde mit einem Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid begnügt, dem inhaltlich aber insoweit nur eine Prüfung am - weniger weit reichenden - Maßstab des erwähnten Beschlusses Nr. 1/2000 zugrunde lag (vgl. in diesem Zusammenhang zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2003, Zl. 2003/01/0136). Auch in Bezug auf das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Fehlen eines effizienten Abschiebungsschutzes in Italien genügen die abschließenden Bemerkungen der belangten Behörde nicht den gesetzlichen Begründungserfordernissen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2000/01/0386).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da diese bereits in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung berücksichtigt ist.
Wien, am 17. Dezember 2003
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