VwGH 2002/20/0063

VwGH2002/20/006321.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Dezember 2001, Zl. 204.076/11-VIII/23/01, betreffend § 15 AsylG (mitbeteiligte Partei: RYM (auch M), geboren am 9. Februar 1956, 4020 Linz, Goethestraße 52), zu Recht erkannt:

Normen

VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Inhalt der vorliegenden Amtsbeschwerde und der mit dieser vorgelegten Ausfertigung des bekämpften Bescheides ergibt sich folgender bisheriger Verfahrensgang:

Der Mitbeteiligte, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 23. Oktober 1991 gemäß § 3 AsylG 1991 einen Antrag auf Gewährung von Asyl, der mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1995 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Dem Mitbeteiligten wurden in der Folge durch den Bundesminister für Inneres mehrfach (zuletzt bis 3. Juli 1998) befristete Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 AsylG 1991 erteilt. Auf Antrag des Mitbeteiligten vom 5. Juli 1998 erteilte ihm das Bundesasylamt gemäß § 15 Abs. 3 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 3. Juli 1999. Am 2. Juli 1999 beantragte er die Verlängerung dieser Aufenthaltsberechtigung.

Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. November 2000 wurde dieser Antrag abgewiesen. In der Begründung folgte der unabhängige Bundesasylsenat der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0474, wonach unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG 1997 eine dem Rechtsbestand angehörende Feststellung nach § 8 AsylG 1997 sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in den Herkunftsstaat unzulässig sei. Der den Asylantrag des Mitbeteiligten abweisende Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1995 habe aber eine derartige Feststellung noch gar nicht enthalten können, weil das AsylG 1997 erst mit 1. Jänner 1998 in Kraft getreten sei.

Dieser Bescheid wurde aufgrund der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2001, B 2344/00, wegen Verletzung des durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung der Fremden untereinander aufgehoben. In den Entscheidungsgründen lehnte der Verfassungsgerichtshof die in dem erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vertretene Rechtsauffassung ausdrücklich ab und führte (unter anderem) aus:

"... Seit Geltung des AsylG 1997 ist bei Abweisung des Asylantrages gemäß § 8 von Amts wegen unter einem eine Non-Refoulement-Prüfung vorzunehmen, deren Ausgang zu Gunsten des Fremden ua. Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG 1997 ist. Eine dem Ausspruch nach § 8 AsylG 1997 entsprechende Entscheidung war jedoch im AsylG 1991 nicht vorgesehen, weshalb im Fall, dass der Asylantrag nach dem AsylG 1991 abgewiesen wurde, ein auf § 8 AsylG 1997 gestützter derartiger Ausspruch schon voraussetzungsgemäß keine Bedingung für die Erteilung oder Verlängerung einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung gem. § 15 AsylG 1997 sein kann.

Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 6 AsylG 1997 gelten Bescheide, mit denen Fremden eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 erteilt wurde, innerhalb ihres zeitlichen Geltungsbereiches als Bescheide gemäß § 15 AsylG 1997. Eine Verlängerung befristeter Aufenthaltsberechtigungen ist - wie aus dem letzten Satz im Abs. 2 und dem ersten Satz im Abs. 3 des § 15 AsylG 1997 hervorgeht - unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das schon erwähnte Erfordernis verfassungskonformer Auslegung des § 8 AsylG 1991 ist nun auch in Ansehung der in Rede stehenden Übergangsbestimmung sowie des § 15 AsylG 1997 entsprechend zu beachten, also dahin, dass das Ergebnis einer Non-Refoulement-Prüfung zu Gunsten des Fremden seinen Anspruch auf Verlängerung der ihm nach der früheren Gesetzeslage erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung begründet (...)."

Mit dem nunmehr mit Amtsbeschwerde angefochtenen Ersatzbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) wurde dem Mitbeteiligten eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19. Dezember 2004 erteilt. Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges (samt einer auszugsweisen wörtlichen Wiedergabe der Begründung des Verfassungsgerichtshofes im aufhebenden Erkenntnis), nach Ausführungen zu der auf die belangte Behörde infolge Devolution übergegangenen Zuständigkeit und Wiedergabe des § 15 sowie des § 44 Abs. 1 und 6 AsylG 1997 führte die belangte Behörde begründend Folgendes aus:

"Dem oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes folgend war davon auszugehen, dass dem Berufungswerber bereits dreimal die befristete Aufenthaltsberechtigung gültig erteilt wurde. Da diese somit bereits zweimal verlängert wurde, war die Erteilung bis drei Jahre möglich. Aus dem Akteninhalt, den Gründen, die ursprünglich zum Asylantrag vorgebracht worden waren und die dann auch für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 ausreichten, der zwischenzeitlich offensichtlichen Integration des Berufungswerbers in Österreich und dem Vorhandensein eines ausgeprägten Netzes sozialer und privater Beziehungen (Art. 8 EMRK), ergibt sich, dass die Ausreise in das Herkunftsland dem Berufungswerber nicht zumutbar ist, und war daher die befristete Aufenthaltsberechtigung im höchstzulässigen Ausmaß zu erteilen. Ein anderweitiges Aufenthaltsrecht (z.B. nach Fremdengesetz) besteht nicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Inneres, die neben einer Darstellung des Sachverhaltes und Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit nur folgende Begründung enthält:

"Die Entscheidung der belangten Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid entspricht zwar dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9.10.2001, Zahl B 2344/00-12, (und ist diese gemäß § 87 (2) VfGG an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes gebunden), steht jedoch gleichzeitig in klarem Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Rechtsansicht des beschwerdeführenden Bundesministers.

Im Interesse einer Klärung der Rechtslage

wird daher der ANTRAG

gestellt,

  1. a) in die Behandlung der Beschwerde einzutreten und
  2. b) den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben."

    Über diese Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

    Mit den wiedergegebenen Beschwerdeausführungen wird die Rechtslage verkannt. Eine Klarstellung in dem vom beschwerdeführenden Bundesminister erkennbar gewünschten Sinn, ob sich der Verwaltungsgerichtshof der im aufhebenden Erkenntnis vertretenen Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes anschließt, oder ob er seine gegenteilige, im erwähnten Erkenntnis vom 24. Februar 2000 vertretene Meinung weiter aufrecht erhält, kann im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgen. Wenn der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 87 Abs. 2 VerfGG). An diese Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes ist aber auch der Verwaltungsgerichtshof insofern gebunden, als er bei gleichbleibender Rechts- und Sachlage bei der Prüfung des in Beschwerde gezogenen Bescheides (Ersatzbescheides) - gemeint: in Bezug auf die vom Verfassungsgerichtshof beurteilte Rechtsfrage - nur berechtigt ist zu prüfen, ob dieser Bescheid der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1976, Zl. 516/76). Sie ist daher der Prüfungsmaßstab für die Behandlung der Beschwerde gegen einen Ersatzbescheid (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1997, Zl. 95/08/0083, mwN; vgl. auch Azizi, ÖJZ 1979, 627ff).

    Dass die belangte Behörde der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht Rechnung getragen hätte, kann aber nach der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gesagt werden. Vielmehr gesteht auch die Beschwerde zu, dass der angefochtene Bescheid dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes "entspricht".

    Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 21. März 2002

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