VwGH 2002/18/0170

VwGH2002/18/017017.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des E, geboren 1978, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Juli 2002, Zl. St 77/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FrG 1997 §37 Abs2;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FrG 1997 §37 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 5. Juli 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit 1993 im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte, sei während seines Aufenthaltes in Österreich wie folgt gerichtlich verurteilt worden:

"Am 11. 09.1998 (rk 14.09.1998) vom LG Leoben, 11 Vr 329/98 - HV 414/98, §§ 12, 127 u. 129 Z. 1 StGB, S 27.000,-- Geldstrafe, im NEF 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

Am 08.10.2001 (rk 08.10.2001) vom LG Linz, 25 Vr 1523/00 - Hv 8/01, §§ 127, 129 Z. 1 und 2, 130 4. Fall und 15 StGB, 1 Jahr Freiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre."

Den Verurteilungen seien folgende strafbaren Handlungen zu Grunde gelegen:

"1. In der Nacht zum 28.3.1998 haben andere Täter in Leoben und Niklasdorf mehrere Autoradios durch Einbruch in verschiedene Autos zu stehlen versucht, wobei Sie an den Tathandlungen durch die Mitwirkung an der gemeinsamen Ausarbeitung des Tatplanes sowie Bereitstellen und Lenken eines Fahrzeuges beigetragen haben.

2. Sie haben gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen anderer Personen in der Absicht weggenommen, sich durch die Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

In der Nacht zum 09.08.2000 in Pasching ca. S 8.000,-- Bargeld durch Einsteigen in ein Gebäude;

in der Nacht zum 03.08.2000 in Linz Bargeld in unbekannter Höhe durch Aufbrechen eines Geldwechselautomaten, wobei es beim Versuch geblieben ist;

Ende Juli 2000 in Linz Sachen unbekannten Wertes durch Einbruch in ein Lokal, wobei es beim Versuch geblieben ist;

am 22.04.2000 in Haid/Ansfelden einen Frontspoiler in unbekanntem Wert."

Im Strafamt der BPD Linz würden folgende Vormerkungen

aufscheinen:

"S 0000765/LZ/01

§ 3 Abs 1 iVm § 22 Abs 1 Z 2 MeldeG

EUR

72,67

S 0001907/LZ/01

§ 43 Abs 4 lit. d KFG

EUR

109,01

S 0009656/LZ/01

§ 14 Abs 1 Z 1 FSG

EUR

43,60

S 0010480/LZ/01

Art IC Abs 1 Z 2 EGVG

EUR

36,43

S 0032032/LZ/01

§ 20 Abs 2 StVO

EUR

36,43

S 047440/LZ/01

§ 24 Abs 1 lit d StVO

EUR

36,43

S 0004365/LZ/02

§ 103 Abs 2 KFG

EUR

35,00"

In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen, zumal er in Österreich (seit 19 Monaten bei der Firma Q.) einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Dem Beschwerdeführer werde auch eine der Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet entsprechende Integration zugebilligt. Von einer "Integration im sozialen Bereich" sei in Anbetracht der gerichtlich strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers aber nicht auszugehen. Dabei sei zu beachten, dass eine gerichtliche Verurteilung nicht ausgereicht habe, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Aus der hohen - wenn auch nur bedingten - Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr könne geschlossen werden, dass auch das Gericht den dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhalt bzw. den Unwert der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers sehr hoch bewertet habe.

Das Aufenthaltsverbot sei daher im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art", weshalb nicht mehr nur mit einer bloß niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen habe gefunden werden können.

Im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen unter Berücksichtigung aller oben angeführten Tatsachen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Daran vermöge auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die beabsichtigte Familiengründung nichts zu ändern.

Das Aufenthaltsverbot sei auf die Dauer von fünf Jahren auszusprechen gewesen, da (frühestens) nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die in Österreich geltenden Gesetze halte. Dies entspreche auch der Dauer der Tilgungsfrist für die gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (3. und 4. Fall) FrG erfüllt sei. Gegen diese Beurteilung bestehen keine Bedenken. Ferner begegnet auch die - in der Beschwerde gleichfalls unbekämpft gebliebene - Auffassung der belangten Behörde, dass angesichts des den genannten Verurteilungen zu Grunde liegenden wiederholten Fehlverhaltens die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

2.1. Die Beschwerde bekämpft indes den angefochtenen Bescheid im Licht des § 37 Abs. 1 und 2 FrG und bringt vor, dass von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes hätte Abstand genommen werden müssen, weil der Beschwerdeführer 1993 mit seinem Onkel von Bosnien nach Österreich gezogen sei. Sein jetziges Verhältnis zu seinem Onkel entspreche einem "Eltern-Kind-Verhältnis". Er lebe seit zwei Jahren mit einer bosnischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft. Zwar sei er zweimal rechtskräftig verurteilt worden, doch lägen diesen Verurteilungen "keine besonderen schweren Straftaten" zu Grunde. Der Unwert seines Tuns sei - trotz der bedingten Verurteilung zu einer Strafe von einem Jahr - als gering anzusehen. Dies zeige sich gerade darin, dass die gerichtliche Verurteilung lediglich bedingt ausgesprochen worden sei. Er selbst habe "nie ein rechtlich geschütztes Gut wie Gesundheit oder Eigentum verletzt, lediglich dazu beigetragen, dass andere dieses Rechtsgut verletzt haben." Damit zeige sich aber, dass von ihm keine Gefahr ausgehe. Dies habe die belangte Behörde falsch beurteilt. Dass er Straftaten begangen habe, "mag böse sein, die Behörde könnte auch argumentieren, dass ich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, aber zu behaupten, dass ich nicht sozial integriert sei, ist sowohl tatsächlich als auch rechtlich falsch."

2.2. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1993, seine berufliche Tätigkeit, die daraus ableitbare Integration und seine Absicht, in Österreich (mit seiner Lebensgefährtin) eine Familie zu gründen, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat jedoch - unter gebührender Bedachtnahme auf diese Interessenlage - auch den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (nämlich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer) dringend geboten und nach § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei. Dieser Auffassung ist beizupflichten, hat doch der Beschwerdeführer durch seine wiederholt verübten Vermögensstraftaten, insbesondere die Einbruchsdiebstähle, wobei er überdies gewerbsmäßig, dass heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, vorgegangen ist, sowie durch seine zahlreichen Verwaltungsübertretungen deutlich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die Rechte anderer und die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften zu respektieren.

Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen von Gewicht sind, so kommt ihnen - selbst wenn man die behauptete vaterähnliche Bindung zu seinem in Österreich lebenden Onkel berücksichtigt - doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Zwar ist die Ansicht der belangten Behörde, dass "von einer Integration im sozialen Bereich ... nicht ausgegangen" werden könne, in dieser Schärfe nicht gerechtfertigt, das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers führt aber zu einer erheblichen Minderung seiner - nicht nur von der Dauer seines Aufenthaltes, sondern auch von seinem Verhalten in Österreich abhängigen - Integration in ihrer sozialen Komponente (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2001/18/0096). Der Beschwerdehinweis auf die strafgerichtlichen Erwägungen betreffend die im Urteil vom 8. Oktober 2001 ausgesprochene bedingte Strafnachsicht geht fehl, hatte doch die belangte Behörde ihre Beurteilung unabhängig von den die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 98/18/0422, mwN).

3. Schließlich liegt in der Abstandnahme von einer mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde kein Verfahrensmangel, weil ein subjektives Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 297ff zu § 45 AVG).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 17. September 2002

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