VwGH 2002/10/0143

VwGH2002/10/014328.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des TA in W, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 21, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Juni 2002, Zl. GS5- F-47.792/1-02, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §143 Abs2;
SHG NÖ 2000 §37;
SHG NÖ 2000 §39;
ABGB §143 Abs2;
SHG NÖ 2000 §37;
SHG NÖ 2000 §39;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von EUR 331,75 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1918 geborene Vater des Beschwerdeführers wurde im Juni 2001 in das NÖ Landespensionisten- und Pflegeheim St. aufgenommen.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2001 teilte die Bezirkshauptmannschaft dem Beschwerdeführer und dessen beiden Geschwistern mit, dass deren Vater ab 15. Juni 2001 Sozialhilfe durch Unterbringung und Pflege im Landespensionistenheim in Höhe von S 720,-- (EUR 52,32) täglich erhalte. Die Bezirkshauptmannschaft werde die Einkommensverhältnisse und Sorgepflichten prüfen und feststellen, ob im Rahmen der Unterhaltspflicht der Kinder ein Kostenersatz zu leisten sei.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens erhob die Bezirkshauptmannschaft, dass das Nettoeinkommen des H.A. (des Bruders des Beschwerdeführers) S 12.637,-- monatlich und das Nettoeinkommen der G.K. (der Schwester des Beschwerdeführers) S 11.592,-- monatlich betrage.

Mit Bescheid vom 20. September 2001 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft den Beschwerdeführer, zu den Kosten der Sozialhilfe für seinen Vater einen monatlichen Kostenersatz von S 5.042,-- (EUR 366,42) zu leisten. Begründend wurde dargelegt, der Beschwerdeführer müsse im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht einen Kostenersatz für den aufgrund der Heimunterbringung seines Vaters entstehenden Aufwand an Sozialhilfe leisten. Der Kostenersatz betrage 15 % der Bemessungsgrundlage von S 33.610,-- (EUR 2.442,53).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er sehe sich finanziell außer Stande, den geforderten Kostenersatz von S 5.042,-- monatlich zu erbringen. Neben den berücksichtigten Sorgepflichten für Gattin und Kind würden monatlich Zahlungen in der Höhe von S 30.000,-- fällig. Diese Kosten rekrutierten sich aus Miete, Alimentationszahlungen, fälligen Kreditrückzahlungen von monatlich S 6.300,--, diversen Versicherungen für seinen Sohn, diversen Betriebskosten (Strom, Gas, Telefon, etc.), Aufwendungen von Miete und Investitionen für den Wohnsitz seiner Frau. Seine finanzielle Schmerzgrenze an Aufwendungen für Pflegegelder wären S 2.500,-- bis S 3.000,-- monatlich.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2002 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Detail die Rechtslage vor; sie legte ferner im Detail die für den Vater des Beschwerdeführers aufgewendeten Verpflegskosten (monatlich S 22.701,--) und dessen Eigenleistung von monatlich S 18.743,-- dar. Auf der Grundlage eingehender Darlegungen über die Ermittlung der Bemessungsgrundlage führte sie aus, ausgehend vom monatlichen Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von S 41.060,-- (EUR 2.983,95) ergebe sich nach Abzug einer Sonderbelastung von monatlich S 7.450,-- (EUR 541,41) eine Bemessungsgrundlage von S 33.610,-- (EUR 2.442,53). Ausgehend von einem Unterhaltsanspruch von 15 % wäre ein Kostenersatz von S 5.042,-- (EUR 366,42) zu errechnen. Die offenen Verpflegskosten für den Vater des Beschwerdeführers beliefen sich jedoch nur auf monatlich S 3.958,--

(EUR 287,64), weshalb ein Kostenersatz in dieser Höhe vorzuschreiben sei. Diesem Vorhalt erwiderte der Beschwerdeführer, dass Unterhaltspflichten sehr wohl berücksichtigt werden müssten. Ausgaben des täglichen Lebens seien von ihm zu begleichen und könnten nicht ignoriert werden. Die Summe von S 3.958,-- sei tatsächlich noch immer zu hoch. Er sehe sich außer Stande, für Kostenersatz in dieser Höhe aufzukommen, weil er selbst Familie habe und dieselbe natürlich zu versorgen sei. Er habe niemals ein schriftliches Einverständnis dazu gegeben, seinen Vater in ein Pflegeheim zu überweisen. Dies sei die Idee seiner Mutter und seines Bruders gewesen, folglich müssten auch diese zumindest für einen Teil der Verpflegskosten aufkommen. Nach Auskunft des Pflegepersonals wäre sein Vater "durchaus in der Lage, zu Hause gepflegt zu werden, sollte es zu keiner befriedigenden finanziellen Einigung in Sachen Verpflegskosten kommen". Er fühle sich moralisch verpflichtet, seine Lebensgefährtin und sein Kind bestmöglich zu unterstützen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der ersten Instanz teilweise Folge und verpflichtete den Beschwerdeführer, ab 1. September 2001 zu den Kosten der Sozialhilfe für seinen Vater einen Kostenersatz von monatlich EUR 287,64 zu leisten. Nach Darstellung der Rechtslage (§§ 37, 39 NÖ SHG 2000 und § 143 ABGB) legte die belangte Behörde dar, nach der Judikatur der Zivilgerichte müssten Kinder für ihre Eltern 22 % ihres Nettoeinkommens an Unterhalt leisten. Im Fall des Beschwerdeführers ergebe sich somit eine Unterhaltsverpflichtung für seinen Vater in der Höhe von EUR 654,06. Weitere Unterhaltspflichten des Unterhaltsschuldners würden durch Abzüge von Prozentpunkten vom maßgebenden Unterhaltssatz berücksichtigt. Auf der Grundlage eingehender Darlegungen über die Verpflegskosten und das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, die Differenz zwischen den monatlichen Verpflegskosten und dem Einkommen betrage EUR 287,64. Es könne demnach den unterhaltspflichtigen Angehörigen anteilsmäßig grundsätzlich ein Kostenersatz bis zur Höhe dieses Betrages vorgeschrieben werden. Im erstinstanzlichen Verfahren seien auch mögliche Kostenersatzleistungen der Geschwister des Beschwerdeführers überprüft worden. Der Beschwerdeführer beziehe sein Gehalt von monatlich S 41.060,-- (EUR 2.983,95) netto. Nach Darlegungen, welche Sonderbelastungen die Bemessungsgrundlage mindernd berücksichtigt werden könnten, legte die Behörde weiters dar, der Beschwerdeführer habe in der Berufung finanzielle Mehrbelastungen durch Kreditrückzahlung sowie Sorgepflichten für seine Ehegattin und ein Kind geltend gemacht, diese jedoch nicht ausreichend belegt. Die Alimentationszahlungen seien nur durch eine private Bestätigung nachgewiesen worden. Ein Nachweis für eine (z.B. gerichtliche) Verpflichtung zur Höhe der Leistungen sei nicht erbracht worden. Diesen Sachverhalt habe die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. Februar 2002 zur Kenntnis gebracht und ihn eingeladen, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Weiters sei mitgeteilt worden, dass derzeit für Wohnbedarf und Unterhaltsverpflichtungen des Beschwerdeführers als Sonderbedarf nur ein Betrag von S 7.450,-- (EUR 541,41) berücksichtigt werden könne und sich daraus ein Kostenersatz von monatlich S 5.042,-- (EUR 366,42) ergebe. Der Beschwerdeführer habe daraufhin Bankbestätigungen über Kreditverpflichtungen und Unterhaltszahlungen vorgelegt. Aufgrund der Bestätigung der V-Bank könne nunmehr ein weiterer Pauschalbetrag von S 1.200,-- (EUR 87,21) für Kreditrückzahlung als absetzbare Sonderbelastung berücksichtigt werden. Aus der Bestätigung der R-Bank gehe zwar hervor, dass der Beschwerdeführer an Alimentationszahlungen weniger geleistet habe (monatlich S 4.500,--) als die Bezirkshauptmannschaft im bekämpften Bescheid berücksichtigt habe (monatlich S 6.250,--). Da der Beschwerdeführer jedoch durch die Berufungsentscheidung nicht schlechter gestellt werden solle als durch den erstinstanzlichen Bescheid, werde die Höhe der berücksichtigten Alimente auch im Berufungsverfahren beibehalten. Der Absetzbetrag betrage somit insgesamt S 8.650,-- (EUR 628,62). Die behaupteten Sorgepflichten gegenüber der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers könnten nicht berücksichtigt werden, weil eine Lebensgemeinschaft rechtlich keine wechselseitige Unterhaltsverpflichtung bewirke. Die Tochter des Beschwerdeführers sei bei der Ermittlung der Prozentkomponente nicht als Sorgepflicht zu berücksichtigen, weil die für sie tatsächlich erbrachten Unterhaltszahlungen als absetzbare Sonderbelastungen berücksichtigt worden seien. Es ergebe sich somit eine Bemessungsgrundlage von S 32.410,-- (EUR 2.355,33). Unter Berücksichtigung der Sorgepflicht für den Vater sei aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers ein Unterhalt von 15 %, das sind S 4.861,50 (EUR 353,30) zumutbar. Es sei daher Kostenersatz bis zur Höhe der nicht durch Eigenleistung gedeckten Verpflegskosten vorgeschrieben worden. Derzeit verblieben für den Vater des Beschwerdeführers offene Verpflegskosten von monatlich S 3.958,-- (EUR 287,64). Die Ersatzleistung des Beschwerdeführers sei daher mit diesem Betrag begrenzt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 37 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000, LGBl. 9200-0 idF LGBl. 9200-2 (NÖ SHG), lautet:

"Kostenersatzverpflichtete

Für die Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, haben Ersatz zu leisten:

  1. 1. der Hilfeempfänger,
  2. 2. die Erben des Hilfeempfängers,
  3. 3. die unterhaltspflichtigen Angehörigen des Hilfeempfängers,
  4. 4. Personen, denen gegenüber der Hilfeempfänger Rechtsansprüche zur Deckung jenes Bedarfes besitzt, der die Leistung der Sozialhilfe erforderlich gemacht hat, und

    5. Personen, denen der Hilfeempfänger Vermögen geschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung übertragen hat."

    § 39 NÖ SHG lautet auszugsweise:

    "Ersatz durch Dritte

(1) Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. ...

(3) Unterhaltspflichtige Angehörige dürfen durch die Heranziehung zum Kostenersatz in ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht gefährdet sein."

Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinen Rechten verletzt, da die belangte Behörde zum einen Feststellungen über die Kostenersatzleistungen der Geschwister des Beschwerdeführers nicht überprüft hat und zum anderen die Bestimmungen über den Kostenersatz, insbesondere jene der § 143 Abs. 1 und 2 ABGB zum Nachteil des Beschwerdeführers unrichtig angewendet hat". Der Vater des Beschwerdeführers habe drei Kinder, die den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten hätten. Ausgehend von diesem Grundsatz des Unterhaltsrechts hätte der offene Verpflegskostenbeitrag von EUR 287,64 unter alle drei Kinder aufgeteilt werden müssen, sei es doch offensichtlich, dass allen drei Kindern die Bezahlung eines Drittels, sohin von EUR 95,88 zumutbar sei. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, inwieweit die beiden Geschwister des Beschwerdeführers zum Unterhalt des "Kindesvaters" beitragen könnten.

Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit auf.

Es trifft zu, dass gemäß § 143 Abs. 2 ABGB mehrere Kinder den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten haben. Das bedeutet, dass unter mehreren unterhaltspflichtigen Nachkommen gleichen Grades die Pflicht zum Unterhalt eines Vorfahren anteilig nach ihrer Leistungsfähigkeit aufzuteilen ist. Sie schulden daher nur anteilig und nicht solidarisch. Für das Verfahren betreffend einen Ersatzanspruch gegenüber unterhaltspflichtigen Nachkommen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, es könne jeder der unterhaltspflichtigen Nachkommen vorbringen, dass die Kräfte der anderen noch nicht anteilig ausgeschöpft wurden (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0049, und vom 22. März 2002, Zl. 99/11/0281).

Dies hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aber nicht getan. Er hat sich - sowohl im Verfahren erster Instanz als auch in seiner Berufung - vielmehr ausschließlich auf in seiner wirtschaftlichen Sphäre gelegene, nach seiner Auffassung das Ausmaß seiner Unterhaltsverpflichtung mindernde Umstände bezogen. Auch mit dem - in der Beschwerde nicht weiter verfolgten - Hinweis im Berufungsverfahren, es sei "die Idee meiner Mutter und meines Bruders gewesen, meinen Vater in ein Pflegeheim zu überweisen, folglich müssten auch diese zumindest für einen Teil der V.K. aufkommen", bezog sich der Beschwerdeführer nicht konkret darauf, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der anderen Unterhaltspflichtigen nicht ausgeschöpft würde.

Gemäß § 143 Abs. 2 ABGB darf die Unterhaltsleistung des Kindes den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährden. Im Hinblick auf die Ermittlungen der ersten Instanz (monatliches Nettoeinkommen des Bruders des Beschwerdeführers S 12.637,--, der Schwester des Beschwerdeführers S 11.592,--) ging diese davon aus, dass unter den gegebenen Verhältnissen keine Unterhaltsverpflichtung der Geschwister des Beschwerdeführers gegenüber deren Vater bestand. Für die Berufungsbehörde bestand mangels eines entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers kein Anlass, sich im Ermittlungsverfahren und in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Geschwister des Beschwerdeführers auseinander zu setzen. Es liegt somit weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch ein relevanter Verfahrensfehler vor.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des auf die Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 bezogenen Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG und die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 28. Februar 2005

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