VwGH 2002/08/0262

VwGH2002/08/026221.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des T in S, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 25, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 16. Juli 2002, LGSOÖ/Abs. 4/1282/0479/2002-1, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe gemäß § 10 iVm § 38 AlVG vom 4. Juni bis 29. Juli 2002, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF idF 1993/502 ;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9;
AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF idF 1993/502 ;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9;
AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 4. Juni bis 29. Juli 2002 ausgesprochen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe sich der Beschwerdeführer ohne triftigen Grund geweigert, an der Schulungsmaßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bei der "Firma Proba ...(Transitarbeitsplatz)" teilzunehmen. Die belangte Behörde ist dabei in Erwiderung des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers u.a. davon ausgegangen, dass die von dem die Wiedereingliederungsmaßnahmen durchführenden Verein angebotene Entlohnung von EUR 1031,95 monatlich "die laut Vereinsstatut ... festgesetzt ist", angemessen sei. Proba unterliege als gemeinnütziger Verein keinem Kollektivvertrag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde behauptet der Sache nach die Unzulässigkeit der Zuweisung zur in Rede stehenden Wiedereingliederungsmaßnahme wegen unterkollektivvertraglicher, jedenfalls aber unangemessen niedriger Entlohnung. Im Rahmen des solcherart umschriebenen Beschwerdepunktes hatte der Verwaltungsgerichtshof - ohne Bindung an die konkret geltend gemachten Beschwerdegründe - die Frage der Zulässigkeit der Zuweisung zu der strittigen Wiedereingliederungsmaßnahme vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung zu untersuchen.

Nach § 9 Abs. 1 AlVG gilt ein Arbeitsloser nur dann als arbeitswillig, wenn er bereit ist,

doch allein darin ihre sachliche Rechtfertigung und mit Erreichen des Schulungsziels (d.h. des Endes des Programmes, mit welchem dieses Ziel erreicht werden soll) auch ihr von Anfang an absehbares zeitliches Ende. Soweit sich danach weitere Schulungen als erforderlich erweisen, ist nach einer entsprechenden Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen hiefür allenfalls eine neuerliche Zuweisung zu einer solchen Maßnahme angezeigt und zulässig. Da also einer solchen Maßnahme, soll sie geeignet sein, notwendigerweise ein entsprechendes Schulungs- (Umschulungs-, Wiedereingliederungs-)programm mit einem zielorientierten zeitlichen Ablauf der jeweiligen Maßnahme zugrunde liegen muss, erweist sich die Zuweisung zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme auf unbestimmte Zeit, d.h. ohne im Vorhinein bestimmten Zeitpunkt der Überprüfung der Erreichung (der Erreichbarkeit) von Maßnahmezielen als unzulässig.

Als unzulässig erweist es sich ferner, eine solche Schulung in das rechtliche Kleid eines Arbeitsverhältnisses zu jener Einrichtung zu kleiden, welche die Schulung durchzuführen hat, und sodann die - nach erfolgreicher Durchführung der Maßnahme - erforderliche weitere Arbeitsvermittlung dieser Einrichtung zu überlassen, wobei sich der Arbeitslose in einem Arbeitsvertrag offenbar dieser Vorgangsweise zu unterwerfen hat:

Das gesetzliche Konzept der Arbeitsmarktpolitik, wie sie vom Arbeitsmarktservice zu vollziehen ist, sieht nämlich vor, dass die arbeitslose Person während der Maßnahmen zur Schulung, Umschulung oder Wiedereingliederung im Bezug des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe verbleibt. Dies zeigen nicht nur die Bestimmungen über die zu diesen Leistungen hinzutretenden Beihilfen im Sinne der §§ 34ff AMSG, zu welchen der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt hat, dass auf Grund des § 39 AMSG von einer solchen Beihilfe die Ansprüche auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe unberührt bleiben (vgl. dazu das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 98/08/0151), sondern auch § 12 Abs. 5 AlVG, wonach die Teilnahme an Maßnahmen der Nach- und Umschulung sowie zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, die im Auftrag des Arbeitsmarktservice erfolgt, nicht als Beschäftigung nach § 12 Abs. 1 AlVG gilt, d.h. die Arbeitslosigkeit durch eine solche Maßnahme nicht beendet wird. Diese Bestimmung soll nach den Materialien zum Strukturanpassungsgesetz 1996 (RV: 72 und zu 72 Blg. NR XX. GP, Erl. zu Art. 23 Z. 7 und Z. 42) ermöglichen, dass während einer Maßnahme der Nach- und Umschulung bzw. zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt (ersichtlich gemeint:

neben allfälligen Zuschüssen mit Entgeltcharakter, die seitens der Schulungseinrichtung für Arbeitsleistungen in diesem Zusammenhang gewährt werden) auch Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen werden kann, wenn die Teilnahme im Auftrag des Arbeitsmarktservice erfolgt.

Dies ergibt sich aber auch aus § 18 Abs. 5 und 6 AlVG, wonach eine der Voraussetzungen für die Anerkennung von Sonderschulungsmaßnahmen - die zu einer Verlängerung des Arbeitslosengeldbezuges gemäß § 18 Abs. 5 AlVG führt - ist, dass "dem Arbeitslosen eine Zuschussleistung vom Träger der Einrichtung während seiner Zugehörigkeit zu ihr gewährt wird" (§ 18 Abs. 6 lit. e und Abs. 7 lit. c AlVG), d.h. eine Leistung, die zu Geldleistungsbezügen nach dem AlVG hinzutritt und - unabhängig von ihrer Höhe - bei Veranlassung der Schulung durch das AMS das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht beeinträchtigt (§ 12 Abs. 5 AlVG). Schließlich stellt auch § 40a AlVG klar, dass während einer Bezugsdauer nach § 18 Abs. 5 und während der Teilnahme an Maßnahmen nach § 12 Abs. 5 AlVG gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. c ASVG eine Teilversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht und "das bezogene Arbeitslosengeld (Notstandshilfe)" als Beitragsgrundlage gilt (sodass der Bezug solcher Leistungen gedanklich vorausgesetzt wird). Im Gegensatz dazu sollte nach der Vorstellung der regionalen Geschäftsstelle während der ins Auge gefassten Wiedereingliederungsmaßnahme durch die rechtliche Form des Arbeitsvertrages der Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung durch das Arbeitsentgelt ersetzt werden.

Hinzu kommt, dass die arbeitslose Person durch die (Schulungs- , Umschulungs-, Wiedereingliederungs-) Maßnahme in die Lage versetzt werden soll, jederzeit einen sich bietenden Arbeitsplatz annehmen zu können, ohne darin durch eine erst zu lösende arbeitsrechtliche Verpflichtung mit der Schulungseinrichtung behindert zu sein.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt dabei keineswegs, dass derartige Projekte - wie das hier in Rede stehende - für die Wiedereingliederung bestimmter sozial benachteiligter Problemgruppen in den Arbeitsmarkt durchaus sehr nützlich und zielführend sein mögen; ihrer Umsetzung im Wege vertraglicher Vereinbarungen, wie sie das AMSG ermöglicht, steht auch nichts im Wege. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, in welchen rechtlichen Formen sich Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 AlVG zu bewegen haben, zu denen Arbeitslose verpflichtend (d.h. mit der Sanktion der einer Sperrfrist nach § 10 Abs. 1 AlVG) zugewiesen werden können.

Es war daher rechtswidrig, wenn das AMS den Beschwerdeführer (abgesehen vom Fehlen einer vorherigen Aufklärung, Belehrung und Gelegenheit zum Parteiengehör) zum Zwecke einer Wiedereingliederungsmaßnahme zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der die Maßnahme durchführenden Einrichtung verpflichten und ihm während dieser Maßnahme keine Leistungen nach dem AlVG (allenfalls auch Beihilfen nach dem AMSG) gewähren, sondern ihn zur Gänze auf Arbeitsentgelt dieser Einrichtung verweisen wollte. Die Weigerung des Beschwerdeführers, an der Maßnahme teilzunehmen, berechtigte die Behörden des Arbeitsmarktservice daher nicht zur Verfügung einer Sperrfrist gemäß § 10 Abs. 1 AlVG.

Der angefochtene Bescheid ist aus all diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. April 2004

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