VwGH 2002/07/0067

VwGH2002/07/006718.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft Alpe H in T, vertreten durch den Alpmeister L, dieser vertreten durch Dr. Eva Schneider und Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwälte in Bludenz, Bahnhofsstraße 8a, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates Vorarlberg vom 21. März 2002, Zl. LAS-210-518, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §9;
FlVfGG §36;
FlVfLG Krnt 1979 §48 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §51;
VwGG §23 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §9;
FlVfGG §36;
FlVfLG Krnt 1979 §48 Abs2;
FlVfLG Krnt 1979 §51;
VwGG §23 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Bregenz vom 7. August 2001 wurde der Erwerb von Weiderechten an der Agrargemeinschaft Alpe H (der beschwerdeführenden Partei) durch näherbezeichnete Personen gemäß § 33 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes, LGBl. Nr. 2/1979 (FlVG), genehmigt.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei eine Berufung, die vom Alpmeister der beschwerdeführenden Partei unterfertigt war.

Die belangte Behörde ersuchte die beschwerdeführende Partei um Mitteilung, ob der Berufung ein Beschluss ihres Ausschusses zu Grunde liege und wann dieser gefasst worden sei.

Die beschwerdeführende Partei antwortete mit Schreiben vom 11. November 2001 unter Anschluss eines entsprechenden Protokolls, dass am 21. August 2001 der Ausschuss den Beschluss gefasst habe, gegen den Bescheid der Agrarbezirksbehörde vom 7. August 2001 Berufung zu erheben.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 21. März 2002 wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 8 lit. d der mit Regulierungsbescheid der Agrarbezirksbehörde Bregenz vom 17. März 1983 genehmigten Satzung der beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurück.

In der Begründung heißt es, gemäß § 8 lit. d der Satzung der beschwerdeführenden Partei obliege der Vollversammlung die Entscheidung über die Führung oder das Absehen von Rechtsstreitigkeiten. Dem Alpausschuss obliege gemäß § 13 dieser Satzung die unmittelbare Verwaltung der Agrargemeinschaft und die Beschlussfassung in allen Angelegenheiten, soweit sie nicht der Vollversammlung vorbehalten seien.

Die Berufung der beschwerdeführenden Partei beruhe auf einem Beschluss des Alpausschusses und nicht der Vollversammlung. Die Erhebung einer Berufung als Führung eines Rechtsstreites bedürfe jedoch gemäß § 8 der Satzung eines Beschlusses der Vollversammlung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 27. Juni 1994, 94/10/0051) sei der Obmann einer juristischen Peson nicht schlechthin zur Vertretung nach außen berufen, sondern bedürfe zur Erhebung eines Rechtsmittels der Mitwirkung anderer Organe, wenn die Satzungen dies vorsähen. Die Satzungen der beschwerdeführenden Partei sähen die Mitwirkung der Vollversammlung bei Erhebung eines Rechtsmittels vor. Eine solche Mitwirkung habe nicht stattgefunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, dass zur Erhebung ihrer Berufung gegen den Bescheid der Agrarbezirksbehörde Bregenz kein Vollversammlungsbeschluss erforderlich gewesen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Zurückweisung oder Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Mai 1980, 2671/1978, VwSlg 10147/A, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Organe als zur Erhebung eines Rechtsmittels bzw. einer Beschwerde berechtigt anzusehen sind, wenn die ordnungsgemäß kundgemachten Organisationsnormen der juristischen Person von einer Vertretung nach Außen schlechthin sprechen. Auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen ist in einem solchen Fall nicht zurückzugreifen. Binden die Organisationsnormen der juristischen Person das (Vertretungs)Handeln der zur Vertretung berufenen Organen nach Außen jedoch an eine Mitwirkung anderer Organe, kann von einer Befugnis "zur Vertretung nach Außen schlechthin" hingegen nicht gesprochen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2001, 2000/07/0218 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die Satzung der beschwerdeführenden Partei ist daher daraufhin zu untersuchen, ob sie den Alpmeister der beschwerdeführenden Partei zur Vertretung nach Außen schlecht hin ermächtigt oder beim Vertretungshandeln an eine Mitwirkung anderer Organe - im Falle einer Berufung oder Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Vollversammlung - bindet.

Nach § 7 der Satzung verwaltet die Alpgemeinschaft ihre Angelegenheiten durch die Vollversammlung, den Alpausschuss und den Alpmeister.

Nach § 8 lit. d der Satzung obliegt der Vollversammlung unter anderem die Entscheidung über Führung oder Absehen von Rechtsstreitigkeiten.

Nach § 14 besorgt der Alpmeister mit Unterstützung des Stellvertreters und der übrigen Ausschlussmitglieder die Verwaltung. Er hat die Pflicht, für eine ordentliche Geschäftsführung zu sorgen und die ganze Verwaltung zu beaufsichtigen.

Ihm obliegt unter anderem "die Vertretung der Agrargemeinschaft nach Außen". Eine Einschränkung dieser Vertretungsmacht nach außen etwa in der Richtung, dass Vertretungshandlungen des Alpmeisters ohne einen Beschluss des im Innenverhältnis zur Geschäftsführung zuständigen Organes keine Wirksamkeit entfalten würden, sieht die Satzung nicht vor. Es handelt sich somit um eine Befugnis zur "Vertretung nach Außen schlechthin" im Sinn der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Damit aber braucht nicht untersucht zu werden, ob § 8 lit. d der Satzung, der die Entscheidung über Führung oder Absehen von Rechtsstreitigkeiten der Vollversammlung überträgt, auch Rechtsmittel gegen verwaltungsbehördliche Bescheide erfasst, da es sich bei dieser Bestimmung um eine bloß die Willensbildung im Innenverhältnis der Agrargemeinschaft betreffende Norm handelt, die aber für die Vertretungsbefugnis nach Außen ohne Bedeutung ist. Sie schränkt insbesondere die Alleinvertretungsbefugnis des Alpmeisters nach Außen nicht ein.

Der Alpmeister konnte daher wirksam sowohl eine Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid als auch eineVerwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde einbringen.

Mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1994, 94/10/0051, ist für die belangte Behörde nichts zu gewinnen, da diese Entscheidung eine "Waldinteressentschaft" betraf, die über keine Satzung verfügte, sodass es auch keine Bestimmung gab, die ihren Obmann zur Alleinvertretung nach Außen berufen hätte.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 501/2001.

Von der Eingabegebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG ist die beschwerdeführende Partei gemäß § 2 Z. 3 des Gebührengesetzes 1957 als Körperschaft öffentlichen Rechts befreit. Es konnte ihr daher auch der Ersatz dieser Gebühr nicht zuerkannt werden.

Wien, am 18. September 2002

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