VwGH 2002/05/0121

VwGH2002/05/012125.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Gemeinde Ebenau, vertreten durch Mag. Carl Handlechner, Rechtsanwalt in Salzburg, Griesgasse 17/14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 14. Jänner "2001" (richtig: 2002), Zl. 0/912-MG-46/7-2002, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Adnet in Adnet, 2. mj. Michael Einberger in 5421 Adnet, vertreten durch Franz Einberger oder Ursula Einberger, beide in 5323 Ebenau, Hinterebenau 27), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §144;
JN §71;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
MeldeG 1991 §7 Abs2;
VolkszählungsG 1980 §6a;
ABGB §144;
JN §71;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
MeldeG 1991 §7 Abs2;
VolkszählungsG 1980 §6a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 25. Juli 1995 geborene, mj. Zweitmitbeteiligte war von seiner Geburt an bis zum 9. Mai 2001 mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde des beschwerdeführenden Bürgermeisters, Ebenau (auch kurz: E) gemeldet. Unstrittig ist, dass das Kind seither in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters, Adnet, mit Hauptwohnsitz gemeldet ist (anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass das gleichgelagerte Verfahren betreffend den Zwillingsbruder des mj. Betroffenen zur Zl. 2002/05/0120 protokolliert ist).

In der Wohnsitzerklärung vom 14. Mai 2001 gab die Mutter des mj. Betroffenen für diesen an, das Kind halte sich am Hauptwohnsitz in Adnet an rund 250 Tagen im Jahr auf, wo es mit seinen Großeltern und seinem Bruder wohne, die dort mit Hauptwohnsitz gemeldet seien. Es halte sich rund 100 Tage im Jahr in E auf, wo es mit seinen Eltern (die dort mit Hauptwohnsitz gemeldet seien) und mit seinem Bruder wohne (der dort mit weiterem Wohnsitz gemeldet sei). Der "Schulweg" wird überwiegend von Adnet aus angetreten. Beide Kinder besuchten in Ebenau den Kindergarten. Ergänzend wurde bemerkt, dass der Besuch des Kindergartens nur mehr bis Juli 2001 erfolge, ab Herbst 2001 besuche das Kind die Vorschulklasse in Adnet.

Die Eltern des Kindes äußerten sich in einem Schriftsatz vom 15. Juli 2001 zum Reklamationsantrag des Beschwerdeführers dahin (der Schriftsatz ist von der Mutter unterfertigt und offenbar von ihr im Namen beider verfasst, wobei sie darin auch von sich und ihrem Ehemann spricht), sie hätten beide Kinder mit 9. Mai 2001 in Adnet angemeldet. Seit 1996 seien sie (beide Eltern) dabei, dort ein Einfamilienhaus zu errichten, welches sich jetzt in der "Fertigstellungsphase" befinde. Bedingt durch die Bauarbeiten, hielten sie sich sehr viel in Adnet auf, wobei die Kinder während dessen oft von den Großeltern beaufsichtigt würden. Entgegen der Begründung im Reklamationsantrag sei festzuhalten, dass der Vorschulbesuch der Kinder ab Herbst 2001 (in Adnet) nicht in Erwägung gezogen worden, sondern zum Zeitpunkt der Ummeldung bereits sicher festgestanden sei. Zudem müssten die Kinder nicht von den Großeltern nach Ebenau in den Kindergarten gebracht werden, weil sie ja in Adnet in die Vorschule gingen. Da sich beide Kinder seit Mai 2001 verstärkt bei den Großeltern befänden, hätten sie (die Eltern) sich entschlossen, sie umzumelden. Sie (die Eltern) wollten sobald als möglich in das neue Haus einziehen, weshalb sich die Kinder im kommenden Jahr zum größeren Teil in Adnet aufhalten würden, wo sie dann neun Schuljahre verbringen würden.

Der mitbeteiligte Bürgermeisters brachte in einer Stellungnahme vom 16. Juli 2001 vor, beide Eltern seien in Adnet aufgewachsen und bauten derzeit ihr neues Wohnhaus in Adnet "fertig". Sie hätten (gegenwärtig) seit 1992 bzw. 1995 ihren Hauptwohnsitz in Ebenau in einer "Dienstnaturalwohnung" gemeldet. Da beide Kinder im September 2001 schulpflichtig seien, hätten sich die Eltern entschieden, dass die Kinder die Volksschule in Adnet besuchen sollten. Die Familie beziehe im Jahr 2002 ihr neues Wohnhaus in Adnet, wodurch ein Schulwechsel bereits im ersten Schuljahr nötig sein würde. Da beide Eltern zur Zeit berufstätig seien, hätten sie sich entschlossen, die beiden Kinder bei den Großeltern, die nicht mehr berufstätig seien, vorübergehend unterzubringen (wird näher ausgeführt).

Der beschwerdeführende Bürgermeister äußerte sich in einem Schriftsatz vom 14. August 2001 dahin, dass er grundsätzlich die Stellungnahmen der Eltern des Kindes und des mitbeteiligten Bürgermeisters nicht in Frage stelle, dabei aber der "Stichtag 15.05.2001" außer Acht gelassen worden sei, wodurch die Reklamation "vollinhaltlich gerechtfertigt" sei. Die Eltern selbst führten hier an, dass die Kinder im Juni und Juli 2001 den Kindergarten in Ebenau besuchten. Da die "Rechtfertigungen der Familie und der Gemeinde Adnet" immer nur auf die Zeit nach dem 15. Mai 2001 abzielten, werde die Reklamation vollinhaltlich aufrechterhalten und es werde ersucht, das Kind der Gemeinde Ebenau "zuzuzählen".

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Betroffene seinen Hauptwohnsitz weiterhin in der Gemeinde Adnet habe. Zusammengefasst wurde dies auf Grundlage des Vorbringens in der Wohnsitzerklärung und in der ergänzenden Stellungnahme der Eltern im Verwaltungsverfahren damit begründet, dass das Kind in jeder der beiden Gemeinden einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen habe, womit das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, und das hier vom gesetzlichen Vertreter des Kindes erklärt worden sei, vorliegendenfalls den Ausschlag gebe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch der mitbeteiligte Bürgermeister hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher er vorbringt, dass das Kind in Adnet die Vorschule besuche. Das neu erbaute Wohnhaus der Familie Einberger sei nach seinem Wissensstand derzeit bezugsfertig. Da das Wohnhaus der Großeltern direkt neben dem Gemeindeamt stehe, könne er nur bestätigen, dass sich das Kind auch bei den Großeltern aufhalte. Im Übrigen wurde auf die frühere Stellungnahme im Verwaltungsverfahren verwiesen. Die Eltern des Kindes verwiesen in einem Schriftsatz auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Der Aktenlage zufolge ist der Betroffene ein eheliches Kind österreichischer Staatsbürgerschaft mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die Ehe seiner Eltern ist aufrecht. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die Obsorge hinsichtlich dieses Kindes (§ 144 ABGB aF bzw. nF gemäß BGBl. I Nr. 135/2000) den Eltern zukam bzw. weiterhin zukommt.

Für den hier interessierenden Bereich (Reklamationsverfahren nach dem Meldegesetz) ist weiters festzuhalten, dass das betroffene Kind nicht etwa einen "abgeleiteten" Hauptwohnsitz hat, der ähnlich wie der abgeleitete Gerichtsstand nach § 71 der Juristiktionsnorm (nur) vom Hauptwohnsitz einer anderen Person abhinge, sondern vielmehr einen "eigenen" Hauptwohnsitz, der allerdings von dem (den) Obsorgeberechtigten bestimmt wird. (Da beiden Eltern die Obsorge ungeteilt zukommt und weiters davon auszugehen ist, dass sie einvernehmlich vorgegangen sind, ist im Beschwerdefall die Frage, welchem Teilbereich der Obsorge insbesondere im Sinne des § 144 aF ABGB die Bestimmung des Hauptwohnsitzes zuzuordnen ist, nämlich Pflege und Erziehung (vgl. § 146 ABGB) oder gesetzliche Vertretung (dieser Teilbereich wird von der belangten Behörde angesprochen), im Beschwerdefall ebensowenig zu lösen, wie die weitere Frage, was rechtens wäre, wenn sie nicht einvernehmlich vorgegangen wären. Zur Meldepflicht bei Minderjährigen siehe im Übrigen § 7 Abs. 2 MeldeG). Der Verwaltungsgerichtshof geht daher weiters davon aus, dass die Ummeldung des Kindes zum 9. Mai 2001 formell rechtswirksam erfolgte.

Entgegen der Tendenz der Ausführungen in der Beschwerde (wie auch des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren) war von der belangten Behörde nicht zu prüfen oder zu hinterfragen, ob das Kind zum Stichtag der Volkszählung seinen Hauptwohnsitz rechtens in Adnet hatte oder nicht. Vielmehr ist das Reklamationsverfahren, wie sich aus § 17 Abs. 1 MeldeG unzweifelhaft ergibt ("... dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat"), gegenwartsbezogen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 27. Feber 2002, Zl. 2001/05/1163). Die Frage der Zuordnung des Kindes zu einer bestimmten Gemeinde zum Stichtag der Volkszählung wird vielmehr von der Statistik Österreich vorzunehmen sein (siehe § 6a des Volkszählungsgesetzes 1980, BGBl. Nr. 199, in der Fassung BGBl. I Nr. 28/2001). Dem vom Beschwerdeführer wiederholt unterstrichenen Umstand, dass das Kind noch bis Juli den Kindergarten in Ebenau besucht habe, kommt daher nicht die Bedeutung zu, die ihr der Beschwerdeführer zumessen will. Entscheidend im Beschwerdefall ist vielmehr, dass das betroffene Kind zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Adnet im Haushalt seiner Großeltern integriert war und in Adnet auch die Vorschule besuchte. Vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles ist der Beurteilung der belangten Behörde beizutreten, dass hier (ausnahmsweise) zwei Mittelpunkte der Lebensbeziehungen des betroffenen Kindes anzunehmen sind, und das diesbezügliche Wahlrecht von dem oder den Obsorgeberechtigten rechtswirksam ausgeübt wurde. Die Frage hingegen, ob die Ummeldung allenfalls verfrüht erfolgte, ob das Reklamationsverfahren bezogen auf den Stichtag 15. Mai 2001 erfolgreich gewesen wäre oder nicht, war von der belangten Behörde im Reklamationsverfahren nicht zu lösen (was gleichermaßen für das Beschwerdeverfahren gilt).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. April 2002

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