VwGH 2002/05/0103

VwGH2002/05/010316.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1. der Martha Schuster und 2. der Anneliese Wittberger, beide in Perg, vertreten durch Rechtsanwälte Haslinger/Nagele & Partner in 1010 Wien, Am Hof 13, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Jänner 2002, Zl. BauR-250971/9-2001-See/Pa, betreffend Enteignung nach dem O.ö. Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
LStG OÖ 1991 §32;
LStG OÖ 1991 §35 Abs1;
LStG OÖ 1991 §36 Abs2;
AVG §59 Abs1;
LStG OÖ 1991 §32;
LStG OÖ 1991 §35 Abs1;
LStG OÖ 1991 §36 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführerinnen insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen "Enteignungsbescheid" hat die belangte Behörde näher bezeichnete Grundstücksflächen der Beschwerdeführerinnen "für Verkehrsflächen des Landes" und "für Verkehrsflächen der Gemeinde" zum Zwecke des Neubaues des "Zubringers Mürzbach", 1. Teil, an der L 1423, Münzbacher Straße gestützt auf die §§ 35 und 36 Oö. Straßengesetz 1991 (in der Folge: OöStrG) enteignet und die Entschädigungsbeträge hiefür festgesetzt.

Die belangte Behörde ging in ihrer Entscheidung davon aus, dass mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Februar 2001, BauR-250935/7-2001-See/Pa, für die von der Enteignung betroffenen "Verkehrsflächen des Landes" die erforderliche straßenrechtliche Bewilligung gemäß § 31 OöStrG erteilt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerinnen machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus § 35 Abs. 1 letzter Satz OöStrG ergibt sich, dass die erforderliche straßen(bau)rechtliche Bewilligung gemäß § 32 leg. cit. vor dem Enteignungsverfahren gemäß § 36 Abs. 2 dieses Gesetzes vorliegen muss, da die Enteignung gemäß dieser Bestimmung nur nach Maßgabe der straßen(bau)rechtlichen Bewilligung nach § 32 OöStrG erfolgen darf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1997, Zl. 97/05/0083, und vom 19. Jänner 1999, Zl. 98/05/0155).

Mit hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2003, Zlen. 2001/05/1171, und 2003/05/1172, wurde der Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Februar 2001, mit welchem der mitbeteiligten Partei die für die beschwerdegegenständliche Enteignung erforderliche straßen(bau)rechtliche Bewilligung erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Diese Aufhebung des straßen(bau)rechtlichen Bewilligungsbescheides der Oberösterreichischen Landesregierung wirkt auf den Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides zurück (ex tunc-Wirkung). Damit tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG).

Diese ex tunc-Wirkung bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses bedeutet auch, das allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-) Akten, die während der Geltung des dann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. März 1995, Zl. 93/04/0177, und vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0348, mwN).

Mit der Aufhebung des straßen(bau)rechtlichen Bewilligungsbescheides hat demnach der angefochtene Bescheid infolge der ex tunc-Wirkung des Verwaltungsgerichtshofserkenntnisses die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Basis - soweit hievon die Verkehrsflächen des Landes betroffen sind - verloren.

Davon abgesehen muss aus dem Spruch eines Enteignungsbescheides eindeutig hervorgehen, welche Grundflächen konkret in Anspruch genommen werden. Diesem Bestimmtheitsgebot eines Ausspruches über eine Enteignung kann, wenn nicht ganze Grundparzellen enteignet werden, nur durch den Hinweis auf entsprechende, dem Verfahren zu Grunde gelegene planliche Unterlagen, die dann einen integrierenden Bestandteil des Bescheides darstellen, oder zumindest durch Zustellung einer mit einem Genehmigungsvermerk versehenen Ausfertigung des Projektsplanes entsprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 95/06/0172, m. w. N. sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 98/05/0155).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird nur auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlungen des "straßenrechtlichen Grundeinlösungsverfahrens bzw. Enteignungsverfahrens" verwiesen und es wurden die diesbezüglichen Niederschriften "diesem Bescheid angeschlossen", die genaue Lage und der Umfang der enteigneten Grundflächen, ist jedoch weder dem Spruch des angefochtenen Bescheides noch diesen Niederschriften zu entnehmen. Die belangte Behörde geht vielmehr bei Formulierung des Spruches ("voraussichtlich" beanspruchte Fläche) betreffend den Umfang der zu enteignenden Grundflächen davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides abschließend noch nicht feststeht, wie groß die tatsächlich enteignete Fläche ist. Der angefochtene Bescheid wird somit - wie die Beschwerdeführer zutreffend ausführen - dem geforderten Bestimmtheitsgebot nicht gerecht (vgl. hiezu insbesondere auch das hg. Erkenntnis vom 18. November 2003, Zl. 2001/05/0327).

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Dezember 2003

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