VwGH 2001/21/0196

VwGH2001/21/019619.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 7. November 2001, Zl. Fr-4250a- 69/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie vorerst auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 31. August 2000. Demnach habe der Beschwerdeführer

"I) ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) aus- und eingeführt bzw. dazu beigetragen sowie in Verkehr gesetzt, und zwar

1) im Jänner 2000 in Vorarlberg zum Schmuggel von mindestens 100 Gramm Kokain durch den abgesondert verfolgten Y S von Holland über Deutschland nach Vorarlberg beigetragen, indem er gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten M Z Y S ATS 80.000,-- zum Ankauf des Kokains übergab;

2) im Zeitraum Sommer 1999 bis Frühjahr 2000 in Vorarlberg gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten M Z insgesamt ca. 350 Gramm Kokain an verschiedene Drogenkonsumenten verkauft;

3) im Zeitraum Sommer 1999 bis Ende 1999 in Vorarlberg gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten M Z insgesamt ca. 200 Gramm Speed (Amphetamin) an verschiedene Drogenkonsumenten verkauft;

4) im Zeitraum Sommer 1999 bis Frühjahr 2000 in Vorarlberg gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten M Z insgesamt ca. 680 Stück Ecstasy-Tabletten an verschiedene Drogenkonsumenten verkauft;

II) ein Suchtgift erworben und besessen sowie anderen überlassen, und zwar

1) im Jänner 2000 in Vorarlberg gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten M Z ca. 200 Stück LSD-Trips von Y S erhalten und kurzfristig besessen;

2) im Zeitraum Juni 1999 bis März 2000 im Raume Feldkirch Marihuana konsumiert sowie fallweise M Z Marihuana zum Konsum überlassen;

3) im Zeitraum Sommer 1999 bis Anfang 2000 im Raume Feldkirch ca. 30 Gramm Kokain (aus Inlandsbezug) konsumiert;

4) im Zeitraum Sommer 1999 bis Ende 1999 im Raume Feldkirch ca. 50 Gramm Speed (Amphetamin) konsumiert;

5) im Zeitraum Sommer 1999 bis Frühjahr 2000 im Raume Feldkirch und Lustenau ca. 120 Stück Ecstasy-Tabletten konsumiert;

6) im Jänner 2000 in Feldkirch einen LSD-Trip konsumiert."

Der Beschwerdeführer habe dadurch das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, teilweise in Form der Beitragstäterschaft, sowie das Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG begangen und sei hiefür in Anwendung des § 28 StGB und des § 5 JGG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Das OLG Innsbruck habe seiner Berufung keine Folge gegeben.

Es liege somit - so die belangte Behörde weiter - der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG vor. Erfahrungsgemäß sei bei Suchtgiftdelikten von einer hohen Rückfallsquote auszugehen und es seien diese Delikte wegen ihrer Sozialschädlichkeit als äußerst gefährlich einzustufen. Auf Grund des Gesamtfehlverhaltens lasse sich derzeit, obwohl der Beschwerdeführer nach seiner Behauptung erfolgreich eine Drogentherapie absolviere, keine positive Zukunftsprognose erstellen. Der Zeitraum eines allfälligen Wohlverhaltens von ca. zwei Jahren seit dem besagten Fehlverhalten sei noch keineswegs so lang, um nicht mehr von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet sprechen zu können.

Von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes werde - vorbehaltlich des § 37 FrG - Gebrauch gemacht, weil der Beschwerdeführer schwer gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit und die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit Anderer verstoßen habe.

Der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern zu seinem hier bereits aufhältigen Vater nach Österreich gezogen und halte sich seit 16. August 1991 durchgehend im Bundesgebiet auf. Er sei somit im Alter von ca. zehn Jahren nach Österreich gelangt und es komme auf ihn, weil er das Kleinkindalter nicht in Österreich verbracht habe, die Aufenthaltsverfestigung des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG nicht zur Anwendung.

Der Beschwerdeführer sei ledig und in den Arbeitsprozess integriert. Auf Grund des langjährigen Aufenthaltes und der familiären Bindungen sei mit dem Aufenthaltsverbot ein schwerer Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Dennoch sei das Aufenthaltsverbot wegen des der Suchtgiftkriminalität innewohnenden erheblichen Gefährdungspotentials für die Gesundheit der Bevölkerung dringend geboten. Die integrationsbegründenden Umstände würden dadurch relativiert, dass die soziale Komponente seiner Integration durch sein vielfältiges Fehlverhalten gemindert werde. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes selbst bei völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig. Das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet zu untersagen, dränge sein privates Interesse in den Hintergrund. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen somit schwerer als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen. Der Gerichtshof hegt keine Bedenken gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) verwirklicht sei.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass bei Suchtgiftdelikten bekanntermaßen eine hohe Rückfallsquote besteht und ein großes öffentliches Interesse an der Bekämpfung dieser gefährlichen Kriminalitätsform sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z 1 FrG) als auch unter dem Gesichtspunkt anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen - insbesondere des Schutzes der Gesundheit Anderer (§ 36 Abs. 1 Z 2 FrG) - gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 2000/21/0034).

Der Beschwerdeführer hat aber bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid behauptet, er habe (als Jugendlicher) mit dem Drogenkonsum begonnen und sei in die Drogenszene "abgestürzt". Ihm sei ein Strafaufschub für eine Therapie bewilligt worden; er sei schon längere Zeit hinweg absolut drogenfrei und lege dementsprechende Betreuungsbestätigungen vor. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht entkräftet, dass die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlungen als Ausfluss seiner Drogenabhängigkeit anzusehen sind. Demnach kommt den behaupteten Therapieerfolgen maßgebliche Bedeutung im Blick auf die Prüfung einer Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG zu. Ungeachtet dessen hat sich die belangte Behörde mit den Betreuungsbestätigungen - bereits in jener vom 6. Mai 2001 ist vom Fehlen einer Rückfallsgefährdung die Rede - nicht konkret befasst und demnach den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel belastet (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zl. 2001/21/0035).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Oktober 2004

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