VwGH 2001/18/0231

VwGH2001/18/023117.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des GH in Linz, geboren am 14. Juni 1966, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. September 2001, Zl. St 106/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 11. September 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger von Liberia, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen (Spruchpunkt I.).

Weiters wurde mit diesem Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gegen den im Mandatsverfahren ergangenen Kostenbescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 4. Juli 2001 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).

Spruchpunkt I. hat die belangte Behörde wie folgt begründet:

Der Beschwerdeführer gebe sich als Staatsangehöriger von Liberia aus, was jedoch von der Botschaft dieses Staates bestritten werde. Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest, zumal er bereits zweimal verfälschte Dokumente vorgelegt habe.

Der Beschwerdeführer sei am 4. August 1993 über den Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet gelangt. Er habe einen Asylantrag gestellt, in welchem er im Wesentlichen vorgebracht habe, Liberia auf Grund des dort herrschenden Bürgerkrieges verlassen zu haben. Um einer Zwangsrekrutierung zu entgehen, hätte er ein Jahr lang im Busch gelebt. Dieser Antrag sei vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 9. August 1993 abgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1995 abgewiesen worden. Diesen Bescheid habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. September 1996 aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren habe der Bundesminister für Inneres den Antrag mit Bescheid vom 13. November 1997 gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 abgewiesen. Einer dagegen gerichteten Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Mit Beschluss vom 20. Mai 1999 habe der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde zurückgewiesen, womit das Asylverfahren gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 in das Stadium vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zurück getreten sei. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. Dezember 2000 sei der Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 neuerlich abgewiesen worden. Während des Asylverfahrens sei der Beschwerdeführer zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt gewesen.

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Dezember 2000 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung sei am 2. Mai 2001 in zweiter Instanz abgewiesen worden.

Bei einer fremdenpolizeilichen Einvernahme am 7. Jänner 1998 habe sich der Beschwerdeführer mit einer verfälschten liberianischen Identitätskarte und mit einer total gefälschten Geburtsurkunde ausgewiesen. Diese Urkunden seien im vorangegangenen Asylverfahren als echt angesehen worden. Am 16. Juli 1998 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Gegenüber der Bundespolizeidirektion Wels habe sich der Beschwerdeführer am 14. März 2001 mit einem falschen liberianischen Reisepass ausgewiesen. Deshalb sei er wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs. 2, § 224 StGB am 9. Mai 2001 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Dies relativiere die Feststellung im Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. Dezember 2000, wonach die Identität des Beschwerdeführers durch die vorgelegten Dokumente einschließlich der Kopie des liberianischen Reisepasses hinreichend dargetan wäre. Auf der dem unabhängigen Bundesasylsenat vorgelegten Kopie des Reisepasses habe die Fälschung - der Pass sei aus zwei verschiedenen Pässen zusammengestellt worden - nicht erkannt werden können.

Am 14. März 2001 sei der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen worden. Bei der Ausfolgung des diesbezüglichen Bescheides habe er angegeben, bei einem Pflanzenhandelsunternehmen beschäftigt zu sein. Am 4. Juli 2001 sei der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen worden.

Am 26. Juli 2001 habe die AHDA (Association for Human Rights and Democracy in Africa) für den Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag gestellt.

Der Beschwerdeführer habe sich im Asylverfahren beharrlich geweigert, seine wahre Identität bekannt zu geben. Er habe ausgeführt, sich nicht an das Haus erinnern zu können, in dem er in Monrovia angeblich 20 Jahre gelebt hätte. Bei der vom unabhängigen Bundesasylsenat durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung am 4. Dezember 2000 habe der Beschwerdeführer jede Erklärung verweigert und keine einzige der an ihn gerichteten Fragen beantwortet. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine wahre Identität beharrlich verheimlicht und seine vorgebrachte Identität durch gefälschte Urkunden zu bescheinigen versucht habe, stelle eine Tatsache dar, die die Annahme rechtfertige, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährde. "Immerhin" sei der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden, was "an sich" den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG verwirkliche.

Es könne im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden, dass sich Fremde, deren tatsächliche Identität unbekannt sei, und die sich bereits mehrmals mit gefälschten Dokumenten ausgewiesen hätten, im Bundesgebiet aufhielten.

Der Beschwerdeführer habe eine bis 19. September 2002 gültige Arbeitserlaubnis. Nach dem Akteninhalt habe er vom 30. August 1999 bis 1. Jänner 2001 bei einem namentlich genannten Unternehmen in Wels gearbeitet. Nunmehr arbeite er bei einem anderen Welser Unternehmen. Da sich der Beschwerdeführer schon etwas über acht Jahre in Österreich aufhalte, werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in sein Privatleben eingegriffen. Einen Eingriff in das Familienleben habe er nicht behauptet. Ein solcher sei auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens sowie zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG. Es dürfe nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer seinen bisherigen Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag gestützt habe. Seit Abschluss des Asylverfahrens halte er sich nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Wenn man dazu noch die illegale Einreise, die nicht geklärte Identität und den zweimaligen Gebrauch falscher Urkunden berücksichtige, überwögen die mit der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots verbundenen nachteiligen Folgen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet.

Gegen die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots habe sich der Beschwerdeführer in der Berufung nicht gewendet. Auch die belangte Behörde sei der Auffassung, dass im Hinblick auf die Tilgungsfrist von gerichtlichen Verurteilungen davon ausgegangen werden könne, dass erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände nicht mehr vorlägen.

2. Gegen den Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer hat sich unstrittig sowohl zunächst im Asylverfahren als auch im Anschluss daran am 7. Jänner 1998 vor der Fremdenpolizeibehörde mit einer verfälschten liberianischen Identitätskarte und mit einer total gefälschten Geburtsurkunde ausgewiesen. Trotz der deswegen erfolgten rechtskräftigen Verurteilung hat er sich in der Folge neuerlich sowohl im Asylverfahren als auch danach am 14. März 2001 gegenüber der Bundespolizeidirektion Wels mit einem falschen liberianischen Reisepass ausgewiesen, weshalb er neuerlich rechtskräftig verurteilt worden ist. Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides richtig ausgeführt hat, erfüllen diese beiden Verurteilungen den Tatbestand des - im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht herangezogenen - § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG.

Das den Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dar. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, aus der bedingten Nachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafen sei ersichtlich, dass das Gericht von einer "positiven Zukunftsprognose" ausgegangen sei, ist ihm zu entgegnen, dass sich schon aus § 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG ergibt, dass auch eine bedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann, und die belangte Behörde nach ständiger hg. Judikatur das Gerechtfertigtsein eines Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die bedingte Strafnachsicht begründenden Erwägungen des Gerichtes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/18/0253).

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und dessen Berufstätigkeit berücksichtigt. Das aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Gewicht der persönlichen Interessen wird dadurch erheblich relativiert, dass der Aufenthalt nur auf Grund eines unberechtigten und sogar auf gefälschte Dokumente gestützten Asylantrages des Beschwerdeführers berechtigt war und seit rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages im Dezember 2000 unberechtigt ist.

Im Hinblick auf die dargestellte große Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Verfolgung in seinem Heimatstaat ist zu entgegnen, dass mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 98/18/0256).

3. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbots für die Dauer von fünf Jahren.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 2000/18/0047) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von fünf Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf die dargestellte große Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.

5. Der Beschwerdeführer macht auch Verfahrensmängel geltend und bringt dazu Folgendes vor:

"Die belangte Behörde hat die Ermessensübung nicht nachvollziehbar begründet. Sie hat sich mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 1 u. 2 FrG nicht hinreichend auseinander gesetzt und wird so auch keinerlei ausreichende Sachverhaltsfeststellung getroffen. Ebenso wenig haben sie sich mit den strafgerichtlichen Verurteilung und mit dem Inhalt der asylrechtlichen Entscheidung sachlich auseinander gesetzt. Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt bedarf daher in wesentlichen Punkten einer Ergänzung, ebenso liegen entscheidungswesentliche Begründungsmängel vor. Bei Vermeidung dieser Feststellungs- und Begründungsmängel wäre die belangte Behörde zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid gelangt.

Auch die Aufenthaltsverbotsdauer ist nicht nachvollziehbar begründet ..."

Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer hinsichtlich der geltend gemachten Feststellungsmängel nicht dartut, welche weiteren Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen müssen, und hinsichtlich der geltend gemachten Begründungsmängel jede Konkretisierung fehlt.

6. Der Beschwerdeführer gibt in der Beschwerde eine inländische Adresse an. Im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bringt er vor, dass ihm bei sofortigem Vollzug des Aufenthaltsverbots die Abschiebung drohen würde. Da er somit nach seinem eigenen Vorbringen während des anhängigen Berufungsverfahrens nicht abgeschoben worden ist, verletzt ihn der von der belangten Behörde bestätigte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung nicht in Rechten.

7. Da aus den dargestellten Gründen bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2001

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