Spruch:
Das Verfahren wird eingestellt.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit ihrer am 20. Dezember 2000 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde machte die Beschwerdeführerin die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde in Ansehung der Erledigung einer am 31. Mai 2000 bei dieser eingelangten Vorstellung geltend.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2001 wurde der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgetragen, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
Mit Note vom 12. Februar 2001 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof den mit 24. Jänner 2001 datierten nachgeholten Vorstellungsbescheid vor. Gleichzeitig brachte sie Folgendes vor:
"1) Die von den Rechtsanwälten Saxinger, Baumann & Partner in Linz, Europaplatz 7, vertretene A GmbH hat mit Eingabe vom 15. Mai 2000 Vorstellung i. A. Standortabgabe gegen den Berufungsbescheid der Stadtgemeinde Attnang-Puchheim vom 11. Mai 2000 erhoben. Diese beim Stadtamt Attnang-Puchheim am 26. Mai 2000 eingelangte Vorstellung wurde mit Schreiben vom 30. Mai 2000 an das Amt der Oö. Landesregierung vorgelegt und ist bei uns am 31. Mai 2000 eingelangt.
2) Wir haben mit Schreiben vom 30. Oktober 2000, Gem- 524151/2-2000-Si, der Rechtsanwaltskanzlei Saxinger, Baumann & Partner mitgeteilt, dass das h. Amt derzeit die Aufhebung des Oö. Standortabgabegesetzes, LGBl. Nr. 8/1993, i.d.g.F. vorbereite und wir daher vorläufig nicht beabsichtigen, über die eingebrachte Vorstellung eine Entscheidung herbeizuführen, sondern die erwähnte Beschlussfassung im Oö. Landtag abwarten wollen. In diesem Zusammenhang haben wir die Rechtsvertreter unter Hinweis auf die den Gegenstand betreffenden Telefonate ersucht, hiezu eine Stellungnahme abzugeben.
3) In einem weiteren Schreiben vom 28. November 2000, Gem-524151/4-2000-Si, haben wir der Rechtsanwaltskanzlei Saxinger, Baumann & Partner, ergänzend mitgeteilt, dass die Gemeinden durch den beabsichtigten Gesetzentwurf ermächtigt werden sollen, von der Einhebung der noch nicht entrichteten Standortabgabe abzusehen. Gleichzeitig haben wir im Hinblick darauf, dass die A GesmbH die von der Gemeinde Attnang-Puchheim bescheidmäßig vorgeschriebene Standortabgabe noch nicht entrichtet hat, die genannten Rechtsanwälte ersucht, die Gesetzwerdung dieses Landesgesetzes abzuwarten und vorläufig keine Säumnisbeschwerde zu erheben.
4) In der Folge hat Mag. B (Kanzlei Saxinger) die Gemeinde Attnang-Puchheim mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2000 ersucht, bis spätestens 14. Dezember 2000 eine vom Bürgermeister unterzeichnete schriftliche Erklärung darüber abzugeben, dass die Gemeinde Redlham (richtig wohl: Attnang-Puchheim) gegenüber der
A GmbH unwiderruflich auf die Einhebung einer Standortabgabe verzichtet, da sonst Säumnisbeschwerde eingebracht würde. Diese Frist wurde lt. Mitteilung des Stadtamtes Attnang-Puchheim von der RA-Kanzlei telefonisch bis 15. Jänner 2001 verlängert.
5) Der Stadtrat der Stadtgemeinde Attnang-Puchheim beschäftigte sich in seiner Sitzung am 11. Jänner 2001 mit dieser Angelegenheit und war hiebei der Auffassung, dass eine Erklärung, dass die Gemeinde unwiderruflich auf die Einhebung der Standortabgabe verzichte, nicht abgegeben werde.
Die belangte Behörde darf daher zusammenfassend anmerken, dass die rechtsfreundlich vertretene A GmbH bereits am 20. Dezember 2000 die gegenständliche Säumnisbeschwerde erhoben hat, obwohl gegenüber der Stadtgemeinde Attnang-Puchheim lt. Sitzungsprotokoll des Stadtrates vom 11. Jänner 2001 eine Fristerstreckung bis 15. Jänner 2001 in Aussicht gestellt worden war."
Einleitend ist festzuhalten, dass die von der Beschwerdeführerin eingebrachte Säumnisbeschwerde auch dann zulässig wäre, wenn das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Note vom 12. Februar 2001 zutreffen sollte.
Ob die unter Punkt 4) des Vorbringens der belangten Behörde wiedergegebenen Erklärungen seitens des Beschwerdevertreters überhaupt dahingehend zu deuten sind, dass damit bis 15. Jänner 2001 auf das prozessuale Recht auf Einbringung einer Säumnisbeschwerde verzichtet wurde, kann dahingestellt bleiben, weil ein solcher Verzicht unwirksam gewesen wäre:
Ob auf die Beschwerdelegitimation, genauer: auf das prozessuale Recht zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof verzichtet werden kann, wird vom VwGG nicht ausdrücklich geregelt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 18. Oktober 1988, Zlen. 88/11/0213, 0214, ausgesprochen, dass auf das Recht zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof (gegenüber der Behörde, welcher die Maßnahme zuzurechnen ist) nicht rechtswirksam verzichtet werden kann. In Ansehung des Verzichtes auf das Recht zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde vertritt Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 91, die Auffassung, ein solcher könne wirksam gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof abgegeben werden. Ein gleichsam rechtsgeschäftlicher Verzicht gegenüber der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder gegenüber einer mitbeteiligten Partei ist demgegenüber ungültig. Diese Erwägungen sind auch auf die prozessuale Zulässigkeit des Verzichtes auf die Erhebung einer Säumnisbeschwerde (für einen gewissen Zeitraum) zu übertragen.
Demnach konnte die beschwerdeführende Partei gegenüber der Gemeinde Attnang-Puchheim, also der Gegenpartei im Vorstellungsverfahren, nicht wirksam auf die Einbringung einer Säumnisbeschwerde (vor Ablauf einer gewissen Zeitspanne) verzichten.
Demgegenüber wird ein Verzicht der Partei auf die Entscheidung der Behörde (für einen gewissen Zeitraum) mit der Konsequenz, dass für die Dauer dieses Verzichtes (neben anderen Konsequenzen eines solchen Verzichtes) auch die Erhebung einer Säumnisbeschwerde mangels Ablaufes der Frist des § 27 VwGG unzulässig ist, für wirksam erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Zlen. 90/05/0180 - 0185, sowie die hg. Beschlüsse vom 14. Mai 1991, Zl. 88/05/0106, vom 15. Dezember 1993, Slg. Nr. 13.961/A, und vom 22. Juli 1998, Zl. 98/12/0403). Ein solcher Verzicht wurde angenommen, wenn eine Partei, in welcher Form immer ausdrücklich erklärt hat, auf die Fortführung eines anhängigen Berufungsverfahrens vorläufig zu verzichten und die Weiterführung des Verfahrens gesondert zu beantragen (vgl. den vorzitierten Beschluss vom 14. Mai 1991), oder wenn die Partei begehrt, dass das Verwaltungsverfahren bis zu einem bestimmten Zeitpunkt "ruhen" möge (vgl. die vorzitierten Beschlüsse vom 15. Dezember 1993 und vom 22. Juli 1998).
In der hier nach den Behauptungen der belangten Behörde abgegebenen Erklärung der Vorstellungswerberin, sie werde nach einem bestimmten Zeitpunkt Säumnisbeschwerde erheben, wenn der Bürgermeister der Gegenpartei im Vorstellungsverfahren bis dahin nicht eine näher umschriebene Erklärung abgebe, kann jedoch kein ausdrücklicher Verzicht auf eine Entscheidung der Vorstellungsbehörde (mit der Konsequenz der Aussetzung aller Säumnisfolgen) bis zu diesem Zeitpunkt erblickt werden. Ebenso wenig ist daraus ein solcher Verzicht schlüssig (also in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise) ableitbar. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob ein solcher Verzicht gegenüber der Gegenpartei statt gegenüber der entscheidungspflichtigen Behörde überhaupt wirksam abgegeben werden könnte.
Im Übrigen stand das von der belangten Behörde geschilderte Gesetzesvorhaben ihrer in Ansehung der Vorstellung der Beschwerdeführerin bestehenden Entscheidungspflicht ebenso wenig entgegen wie das Ersuchen an den Beschwerdevertreter, vorläufig keine Säumnisbeschwerde zu erheben.
Die Frist des § 27 VwGG war daher bereits vor Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde abgelaufen.
Die belangte Behörde hat den Bescheid vom 24. Jänner 2001, Gem-524151/6-2001-Si/Gan, erlassen und eine Abschrift dieses Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Das Verfahren über die nach dem Vorgesagten zulässige Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Fall des § 55 Abs. 2 VwGG liegt nicht vor, weil die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Gründe auch keine solchen waren, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht hätten. Eine Rechtsgrundlage für die Zuerkennung begehrter weiterer S 300,-- an nicht näher aufgeschlüsselten Barauslagen besteht nicht.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 19. März 2001
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