Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Gemeinde B Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Juli 1987 erklärte der Bürgermeister der Gemeinde B das Grundstück Nr. 419/1, KG B, zum Bauplatz. Gleichzeitig wurden Bebauungsgrundlagen festgesetzt, so die offene Bebauung, eine bauliche Ausnützung von 30 v.H. und eine maximale Höhe der obersten Deckenkante mit 10 m über dem verglichenen Gelände.
Mit einem weiteren Bescheid vom 23. Juli 1987 erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Ortszentrums auf dem genannten Grundstück unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen.
Auf Grund der dagegen von einem Nachbarn eingebrachten Berufung behob der Gemeinderat mit Bescheid vom 19. August 1987 den erstinstanzlichen Bescheid und versagte die Baubewilligung.
Gegen diesen Berufungsbescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde, welche am 2. September 1987 im Gemeindeamt einlangte.
Mit Bescheid vom 7. September 1987 behob die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Diese Erledigung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Berufungsbehörde nicht berechtigt gewesen sei, mit einer Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vorzugehen, weil der Nachbar bei der in erster Instanz durchgeführten Verhandlung lediglich eingewendet habe, daß er dem Projekt nicht zustimme, weil er sich durch Terrassen und Fenster in den vorgesehenen Dachgeschoßwohnungen in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und sich Tag und Nacht beobachtet fühle. Dieses Vorbringen erweise sich ausschließlich als privatrechtliche Einwendung, sodaß hinsichtlich aller übrigen in der Berufung vorgebrachten Einwendungen die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG eingetreten seien. Der Gemeinderat wäre daher verpflichtet gewesen, der Berufung keine Folge zu geben. Der erstinstanzliche Bescheid wäre jedoch dahin abzuändern gewesen, daß die privatrechtlichen Einwendungen auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden. Die Gemeindeaufsichtsbehörde vertrat weiters die Auffassung, daß die Vorschreibung Punkt 34) des erstinstanzlichen Bescheides aufzuheben sei. Abschließend wurde auf § 77 Abs. 6 der Burgenländischen Gemeindeordnung verwiesen, wonach die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden sei.
In der Zwischenzeit war bei der Gemeinde ein Ansuchen um Kenntnisnahme von Änderungen laut beiliegenden Auswechslungsplänen am 7. September 1987 eingelangt.
Nach Zustellung des Vorstellungsbescheides am 8. September 1987 fand am 11. September 1987 eine Sitzung des Gemeinderates statt. In dieser Sitzung wurde ein Antrag der ÖVP-Fraktion, den Fall von der Tagesordnung abzusetzen, mehrheitlich abgelehnt, worauf die ÖVP-Gemeinderäte laut Sitzungsprotokoll die Gemeinderatssitzung verließen. Es wurde daraufhin festgestellt, daß die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates gemäß § 40 Abs. 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung nicht mehr gegeben sei.
Im Akt erliegt ferner der Lageplan eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen vom 23. September 1987, wonach das Grundstück Nr. 419/1 nicht ein Ausmaß von 1712 m2, sondern 1620 m2 umfaßt.
Mit Eingabe vom 30. November 1987 legte die Beschwerdeführerin der Gemeinde ein "revidiertes Einreichoperat" unter Nachweis der bebauten Fläche vor. Sie vertrat die Auffassung, daß nunmehr der Erteilung der Baubewilligung nichts mehr im Wege stehe, da alle Voraussetzungen gegeben seien, welche in den bisherigen Bauverhandlungen und/oder Gemeinderatssitzungen gefordert worden seien. Um positive Erledigung wurde ersucht.
Im Akt erliegt sodann ein als Bestätigung bezeichnetes Schreiben der Beschwerdeführerin, worin sich diese bereit erklärt, auf die Fortführung des anhängigen Berufungsverfahrens vorläufig zu verzichten. Die Weiterführung des Verfahrens werde von der Beschwerdeführerin gesondert beantragt. Auf diesem Schreiben findet sich der Vermerk, "Unterschrift mit Vorbehalt, daß 'vorläufig' bis Ende III/88" bedeutet. Dieses Schreiben ist mit 23. Februar 1988 datiert.
In der Folge fanden zwischen der Beschwerdeführerin und der Gemeinde Verhandlungen statt, wie insbesondere die in den Verwaltungsakten erliegenden Niederschriften über Gemeinderatssitzungen erkennen lassen.
Am 19. April 1988 erhob die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. In dieser Beschwerde wird darauf verwiesen, daß seit der Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf mehr als sechs Monate verstrichen seien, ohne daß die belangte Behörde über das Rechtsmittel des Nachbarn neuerlich entschieden habe. (Auf die Bestätigung vom 23. Februar 1988 und die Vorlage neuer Entscheidungsunterlagen wurde nicht eingegangen.)
Mit Verfügung vom 27. April 1988 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein. Gleichzeitig wurde der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eine Frist von drei Monaten zur Erlassung des versäumten Bescheides eingeräumt.
In ihrer Stellungnahme vom 1. August 1988 verwies die belangte Behörde auf die neu vorgelegten Unterlagen und auf die Bestätigung vom 23. Februar 1988, wonach die Beschwerdeführerin vorläufig auf die Fortführung des anhängigen Berufungsverfahrens (bis 31. März 1988) verzichtete und für die Weiterführung des Verfahrens einen gesonderten Antrag in Aussicht stellte. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, da seit der Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft die Beschwerdeführerin ihr Projekt wesentlich geändert habe, mit der Beschwerdeführerin auch über die räumliche Verlagerung des Baues auf ein anderes Grundstück Verhandlungen gepflogen worden seien und die Beschwerdeführerin erklärt habe, auf die Fortführung des anhängigen Berufungsverfahrens bis Ende März 1988 zu verzichten, wobei eine Fortführung dieses Berufungsverfahrens nur auf gesonderten Antrag der Beschwerdeführerin erfolgen sollte. Ein derartiger Antrag sei bis dato nicht gestellt worden.
Nach § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sie es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde darauf verwiesen, daß eine Verpflichtung zur Entscheidung binnen sechs Monaten nach Zustellung des Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde nicht gegeben gewesen sei, weil die Beschwerdeführerin mit der erwähnten Bestätigung vom 23. Februar 1988 vorläufig auf die Fortführung des anhängigen Berufungsverfahrens verzichtet und ausdrücklich erklärt habe, die Weiterführung des Verfahrens gesondert zu beantragen. Der Sinn einer Säumnisbeschwerde ist nun darin gelegen, im Bereich der Hoheitsverwaltung den Parteien Abhilfe gegen Rechtsverweigerung zu gewährleisten. Wenn eine Partei, wie im vorliegenden Fall, in welcher Form immer ausdrücklich erklärt hat, auf die Fortführung eines anhängigen Berufungsverfahrens vorläufig zu erzichten und die Weiterführung des Verfahrens gesondert zu beantragen, hat sie selbst auf eine Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde verzichtet, solange sie nicht den zunächst bloß angekündigten Antrag auf Weiterführung des Verfahrens gestellt hat. Auch dann, wenn die Verwaltungsverfahrensvorschriften eine derartige Vorgangsweise nicht vorsehen, kann bei dieser Situation nicht davon ausgegangen werden, daß die belangte Behörde ihre Entscheidungspflicht verletzte, solange ein solcher Antrag auf Weiterführung des Verfahrens nicht gestellt worden ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1991, Zlen. 90/05/0180, 0181, 0184, 0185). Die demnach unzulässige Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage konnte unerörtert bleiben, ob die Beschwerde nicht auch deshalb zurückzuweisen gewesen wäre, weil die sechsmonatige Frist nach § 27 VwGG mit der Vorlage geänderter Einreichunterlagen neu zu laufen begonnen hat und sohin im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde noch nicht abgelaufen war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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