VwGH 2001/08/0216

VwGH2001/08/021626.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Johannesgasse 25, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. Oktober 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2001-6881, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1;
GmbHG §15;
GmbHG §16a;
GmbHG §18;
GmbHG §89;
GmbHG §90;
KO §1;
AlVG 1977 §12 Abs1;
GmbHG §15;
GmbHG §16a;
GmbHG §18;
GmbHG §89;
GmbHG §90;
KO §1;

 

Spruch:

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 2. Jänner 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Arbeitslosengeld; er war nach der Aktenlage vom 1. März 1993 bis 3. Dezember 1997 bei der D. GesmbH als Geschäftsführer beschäftigt, wobei "Kündigung durch den Dienstgeber gemäß § 25 KO" als Endigungsgrund angegeben wurde. Die Frage im Antragsformular, ob der Beschwerdeführer derzeit in Beschäftigung stehe (wobei als Beispiele für eine solche Tätigkeit unter anderem die Tätigkeit eines Geschäftsführers angegeben wurde), hat der Beschwerdeführer verneint.

Am 28. September 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Notstandshilfe, worin er ebenfalls die Frage nach einer Beschäftigung in gleicher Weise verneint hat.

Am 6. Oktober 2000 beantragte der Beschwerdeführer nach Unterbrechung seines Leistungsbezuges vom 4. Jänner 1999 bis 6. Oktober 2000 auf Grund einer Beschäftigung als Bauleiter bei einem näher bezeichneten Unternehmen neuerlich die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Auf Grund einer mit 20. März 2001 datierten Abfrage beim Firmenbuch stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice fest, dass der Beschwerdeführer bei der D. GesmbH seit 26. Februar 1997 als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer (ohne Löschung dieser Funktion) aufscheint, wobei sich aus diesem Firmenbuchauszug ergibt, dass die GesmbH am 13. Jänner 2001 von Amts wegen gelöscht wurde. Mit Bescheid vom 6. Juli 2001 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes des Beschwerdeführers für die Zeiträume vom 4. Februar 1998 bis 3. Jänner 1999 und vom 11. November 2000 bis 12. Jänner 2001 widerrufen und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes "in der Höhe von S 186.20.- (richtig: S 186.220,--) (noch offen S 185.403) verpflichtet" werde. Der Bescheid wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer laut Auszug aus dem Firmenbuch vom 26. Februar 1997 bis 12. Jänner 2001 als handelsrechtlicher Geschäftsführer bei der D. GesmbH bestellt gewesen sei und dies dem Arbeitsmarktservice verschwiegen habe.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Am 3. Oktober 2001 wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen, worin er erklärte, dass er laut Firmenbuchauszug weiterhin handelsrechtlicher Geschäftsführer sei und dies aus Anlass der Anträge vom 2. Jänner 1998, 28. September 1998 und 6. Oktober 2000 nicht im Antragsformular angegeben habe, weil er ab Konkurseröffnung "kein Kapital mehr" bezogen habe, da er "bei der Masseverwalterin gewesen" und davon ausgegangen sei, dass seine Geschäftsführertätigkeit mit der Konkurseröffnung über die Firma D. GesmbH beendet sei. Er wolle festhalten, dass er "gegenüber dem Arbeitsmarktservice nichts verschwiegen habe".

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid unter Hinweis darauf bestätigt, dass der Beschwerdeführer durchgehend vom 26. Februar 1997 bis 12. Jänner 2001 bei der D. GesmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt gewesen sei und dies dem Arbeitsmarktservice verschwiegen habe. Da dieses Beschäftigungsverhältnis "nie beendet worden" sei, gelte der Beschwerdeführer daher im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "nie als arbeitslos". Da der Beschwerdeführer die Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer dem Arbeitsmarktservice verschwiegen habe, sei das Arbeitslosengeld gemäß § 25 AlVG zurückzufordern gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsauffassung ausführlich begründet, dass bei einem Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Voraussetzungen für Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG nicht schon dann vorliegen, wenn beim anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis der Anstellungsvertrag aufgelöst wurde, sondern erst dann, wenn auch die Hauptleistungspflicht, soweit sie mit der Innehabung der Funktion eines Geschäftsführers nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist, nicht mehr besteht, das heißt, dass auch das Organschaftsverhältnis zur Gesellschaft erloschen sein muss. Ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet, ist ohne Bedeutung; ebensowenig ob er ein Entgelt erhält (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2002/08/0009). Dies gilt auch im Konkurs der GesmbH (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 30. April 2002, Zl. 2002/08/0046) und ebenso für Liquidatoren (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 2000/08/0119).

Eine Beendigung der Geschäftsführertätigkeit wird nicht erst mit der Löschung im Handelsregister wirksam, sondern entweder mit dem Rücktritt des Geschäftsführers (vgl. das Erkenntnis vom 16. Oktober 2002, Zl. 99/03/0451) oder mit Zugang eines Abberufungsbeschlusses der Gesellschafter (vgl. das Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2001/08/0194). Im Falle des Konkurses ist der Rücktritt gegenüber dem Masseverwalter zu erklären (vgl. das Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 2000/08/0141; zu den Anforderungen an Rücktritt und Abberufung eines Geschäftsführers einer GesmbH vgl. im Übrigen das Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2001/08/0052).

Der Beschwerdeführer zieht nicht in Zweifel, dass er im Zeitpunkt des Eintritts der "Arbeitslosigkeit" zwar den Anstellungsvertrag zur GesmbH gelöst, nicht aber auch seine Funktion als Geschäftsführer beendet hatte. Insoweit ist der Beschwerdeführer mit seiner Rechtsrüge auf die zuvor wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass ihn die belangte Behörde "zur Frage der Beendigung des organschaftlichen Verhältnisses zur Gesellschaft" nicht einvernommen habe, ist ihm zu entgegnen, dass er eine Beendigung seiner Organstellung vor Ablauf der hier strittigen Zeiträume des Bezuges von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung vom 4. Februar 1998 bis 3. Jänner 1999 und vom 11. November 2000 bis 12. Jänner 2001 im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat. Dazu hätte der Beschwerdeführer spätestens in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ausreichend Gelegenheit gehabt. Im Übrigen wurde der Beschwerdeführer zu dieser Frage einvernommen und hat sich bei dieser Gelegenheit lediglich dahin geäußert, er sei davon ausgegangen, dass die Geschäftsführertätigkeit mit Konkurseröffnung beendet sei. Wenn er in seiner Beschwerde erstmals behauptet, es wäre im Falle einer solchen Befragung hervorgekommen, dass er seine Geschäftsführungstätigkeit "mit

Eröffnung des Konkursverfahrens ... in Übereinstimmung mit den

anderen Gesellschaftern" zurückgelegt habe, so handelt es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung.

Der Widerruf des Arbeitslosengeldes erweist sich aber aus einem in der Beschwerde nicht geltend gemachten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Grund insoweit als rechtswidrig, als er auch den Zeitraum vom 11. November 2000 bis 12. Jänner 2001 umfasst:

Der Beschwerdeführer ist nämlich in der Zeit vom 4. Jänner 1999 bis 6. Oktober 2000 einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgegangen und hat damit die Anwartschaft für einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei einem anderen Arbeitgeber als der GesmbH, deren Geschäftsführer er gewesen ist, erfüllt (vgl. dazu das Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 96/08/0391). Wenn das für diesen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld anwartschaftsbegründende Beschäftigungsverhältnis nach der Aktenlage zur Gänze aufgelöst worden ist (worauf die Aktenlage hindeutet), wäre der Beschwerdeführer danach insoweit arbeitslos im Sinne des § 12 AlVG gewesen. Einem Leistungsbezug auf Grund der in einem anderen Beschäftigungsverhältnis neu erworbenen Anwartschaft hätte die Fortdauer seiner Organstellung bei der GesmbH nur insoweit entgegenstehen können, als der Beschwerdeführer dort ein die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigendes Entgelt bezogen hätte; dies hat die belangte Behörde aber nicht festgestellt. Der Widerruf des Arbeitslosengeldes erweist sich daher für den Zeitraum vom 11. November 2000 bis 12. Jänner 2001 als rechtswidrig.

Soweit das Arbeitslosengeld nicht widerrufen werden durfte, erweist sich auch die Rückforderung des Arbeitslosengeldes für diesen Zeitraum als rechtswidrig. Im Übrigen war die Rückforderung aber rechtmäßig, zumal der Beschwerdeführer die im Antragsformular enthaltene Frage nach einer Beschäftigung, wobei als eines der Beispiele auch eine Tätigkeit als Geschäftsführer angegeben war, ausdrücklich verneint hat. Es ist nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer die Frage vorsätzlich (und nicht etwa versehentlich und damit bloß fahrlässig) verneint hat; wenn der Beschwerdeführer die Frage deshalb verneint hat, weil er sich in einem Rechtsirrtum über die rechtliche Bedeutsamkeit des damit verschwiegenen Sachverhaltes befunden hat (wie er der Sache nach in der Beschwerde behauptet), vermag dieser Umstand daran nichts zu ändern, weil der Beschwerdeführer nur gehalten war, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zum Sachverhalt zu machen, sodass unrichtige rechtliche Einschätzungen zu seinen Lasten gehen und ein Verschweigen nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 97/08/0415)

Da der angefochtene Bescheid die dem erstinstanzlichen Bescheid im Ausspruch über den Widerruf und die Rückforderung anhaftende Rechtswidrigkeit nicht aufgegriffen hat, der Spruch des Berufungsbescheides insoweit aber nicht teilbar ist, war dieser Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, wobei die vom Beschwerdeführer entrichtete Beschwerdegebühr von S 2.500,-- nach § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000 mit umgerechnet EUR 181,68 zu berücksichtigen war.

Wien, am 26. Mai 2004

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