VwGH 2001/08/0070

VwGH2001/08/007023.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Fachhochschul-Studiengänge Technikum Wien, vertreten durch die Dr. Arnold Rechtsanwaltspartnerschaft (OEG) in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 7. März 2001, Zl. 123.580/1- 7/01, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Angelegenheit der Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65; 3. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55- 57; 4. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 5. Dipl. Ing. Peter-Friedrich B in D), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
WTBG 1999 §3 Abs2;
WTBO §31;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
WTBG 1999 §3 Abs2;
WTBO §31;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 3. Dezember 1998 wurde festgestellt, der Fünftmitbeteiligte sei auf Grund seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter bei der beschwerdeführenden Partei (einem Verein) in der Zeit vom 19. September 1994 bis 29. Juni 1995, vom 22. September 1995 bis 28. Juni 1996, vom 16. September 1996 bis 27. Juni 1997 und ab 9. September 1997 der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen. Weiters wurde festgestellt, er sei in diesen Zeiträumen nicht gemäß § 5 Abs. 1 Z. 5 ASVG von der Vollversicherungspflicht ausgenommen gewesen und in der Zeit vom 16. September 1996 bis 30. Juni 1997 und ab 9. September 1997 nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 4 ASVG und in der Zeit vom 16. September 1996 bis 22. April 1997 nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 5 ASVG unterlegen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei als Dienstgeber, vertreten durch die A Treuhandgesellschaft m.b.H.,

Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft (in der Folge: A. Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft) am 12. Jänner 1999 einen (fälschlicherweise als Berufung bezeichneten) Einspruch.

In der von der Einspruchsbehörde durchgeführten Verhandlung vom 11. Juni 1999 wurde der A. Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft aufgetragen, eine Ausfertigung des Einspruches vorzulegen, welche von einem vertretungsbefugten Organ der beschwerdeführenden Partei unterfertigt sei. In der folgenden Verhandlung vom 15. Juni 1999 teilte der Vertreter der beschwerdeführenden Partei mit, der Einspruch sei bis dato noch nicht von den zur Vertretung des Vereins berufenen Personen unterschrieben worden, es werde jedoch eine unterschriebene Kopie des Einspruches binnen einer Woche nachgebracht.

Am 16. September 1999 legte die A. Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft den nunmehr vom Obmann der beschwerdeführenden Partei unterzeichneten Einspruch vor.

Mit Bescheid vom 23. September 1999 hat der Landeshauptmann von Wien dem Einspruch Folge gegeben und gemäß §§ 413 und 414 i. V.m. § 355 ASVG festgestellt, der Fünftmitbeteiligte sei auf Grund seiner Beschäftigung als Lehrbeauftragter bei der beschwerdeführenden Partei in der Zeit vom 16. September 1996 bis 30. Juni 1997 und ab 9. September 1997 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 5 ASVG von der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 4 ASVG ausgenommen gewesen. Weiters wurde festgestellt, er sei in der Zeit vom 19. September 1994 bis 29. Juni 1995, vom 22. September 1995 bis 28. Juni 1996, vom 16. September 1996 bis 27. Juni 1997 und ab 9. September 1997 in keinem die Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 ASVG sowie die Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden und sei in der Zeit vom 16. September 1996 bis 22. April 1997 nicht der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 5 ASVG unterlegen.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Berufung und führte - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - aus, sie habe den Antrag gestellt, den Einspruch der beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurückzuweisen, weil dieser von einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft eingebracht worden sei. Diese sei zum Zeitpunkt der Einspruchserhebung in der gegenständlichen Angelegenheit nicht vertretungsbefugt gewesen. Dem Bescheid des Landeshauptmannes sei nicht zu entnehmen, ob dem ergangenen Verbesserungsauftrag nachgekommen worden sei. Die Heilung des Mangels hätte jedoch ohnehin nur innerhalb der Einspruchsfrist, welche zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits abgelaufen gewesen sei, erfolgen können.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2000 hat die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei um Stellungnahme zur Verspätung der Verbesserung des Einspruches ersucht; eine solche unterblieb jedoch.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben und den Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als verspätet zurückgewiesen.

In der Begründung hat die belangte Behörde ausgeführt, die beschwerdeführende Partei hätte gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse Einspruch erhoben und sich dabei durch eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft vertreten lassen. Nach der bis 30. Juni 1999 geltenden Rechtslage seien Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften gemäß §§ 31 ff WTBO jedoch nicht berechtigt gewesen, Einsprüche in Versicherungspflichtsachen vor den Versicherungsträgern einzubringen. Der Landeshauptmann habe diesem Umstand durch die Aufforderung zur Verbesserung zwar Rechnung getragen, hätte jedoch auf Grund der Verspätung der Verbesserung des Einspruches nicht meritorisch entscheiden dürfen und den Einspruch als verspätet eingebracht zurückweisen müssen. Die Tatsache, dass das Bundesgesetz über die Wirtschaftstreuhandberufe mit BGBl. I Nr. 58/1999 geändert worden sei und den Wirtschaftstreuhändern auf Grund des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG) seit 1. Juli 1999 eine Vertretungsbefugnis auch in Versicherungspflichtsachen zukäme, habe im Beschwerdefall außer Betracht zu bleiben. Da das Bundesgesetz keine Rückwirkung anordne, sei die neue Rechtslage lediglich auf Verfahren anwendbar, die ab 1. Juli 1999 vor den entsprechenden Behörden durchgeführt würden. Die Einspruchsbehörde habe die Zulässigkeit des Einspruches zum Zeitpunkt seines Einlangens zu beurteilen, weshalb die Rechtslage vor der Änderung durch das BGBl. I Nr. 58/1999 heranzuziehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt und - ebenso wie die mitbeteiligte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt - von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen. Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt hat einen als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz ohne Antrag auf Kostenersatz eingebracht und darin festgehalten, sich der Rechtsauffassung der belangten Behörde anzuschließen. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei als Dienstgeber hat einen fälschlicherweise als Berufung bezeichneten Einspruch erhoben, der nur von der A. Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft unterfertigt worden war, die sich als bevollmächtigter Vertreter bezeichnet hat.

Nach der bis 30. Juni 1999 geltenden Rechtslage waren Wirtschaftstreuhänder gemäß §§ 31ff WTBO nicht berechtigt, Einsprüche in Versicherungspflichtsachen vor den Versicherungsträgern einzubringen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1992, 87/08/0271).

Seit Inkrafttreten des WTBG, BGBl. I Nr. 58/1999, mit 1. Juli 1999 (und somit auch im Zeitpunkt der Erlassung des Einspruchbescheides) sind die zur selbständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes Steuerberater Berechtigten gemäß § 3 Abs. 2 Z. 3 WTBG unter anderem auch dazu befugt, die Beratung in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen und die Vertretung in erster und zweiter Instanz der betreffenden Verwaltungsverfahren auszuüben.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit des am 12. Jänner 1999 eingebrachten Einspruches sind jedoch - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - noch die §§ 31ff WTBO maßgebend:

Mangels einer entsprechenden Übergangsbestimmung kann § 3 Abs. 2 WTBG nicht auf von der Einspruchsbehörde noch nicht erledigte Einsprüche angewendet werden, die nach der früheren Rechtslage wegen des Fehlens der Unterschrift einer vertretungsbefugten Person mangelhaft waren. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Berufungsbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Recht anzuwenden hat. Dieser Grundsatz gilt nämlich - unter anderem - nicht, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag rechtens war. Dies trifft auf die Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels zu, weil sich diese Frage - bei Fehlen anders lautender Übergangsbestimmungen - nach der in dem für den Eintritt der Rechtskraft maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufes der Rechtsmittelfrist geltenden Rechtslage zu richten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, 99/03/0422, m.w.N.).

Im Beschwerdefall war die Rechtslage am Tag des Einlangens des Einspruchs, somit die bis 30. Juni 1999 geltende Rechtslage, maßgebend.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG in der am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Fassung der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht. § 13 Abs. 3 AVG in dieser Fassung stellt somit nicht mehr auf Formgebrechen von schriftlichen Anbringen ab, sondern ganz allgemein auf Mängel schriftlicher Anbringen, worunter auch inhaltliche Mängel eines Anbringens zu verstehen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, 2003/11/0003).

Ob die A. Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft, die den Einspruch unterfertigt hat, aber im Zeitpunkt der Einbringung des Einspruches nicht Verfahrensbevollmächtigter sein konnte, dennoch als Zustellungsbevollmächtigter zu beurteilen war, muss hier nicht untersucht werden, weil an sie ein wirksamer Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG - wie aus den vorgelegten Verhandlungsprotokollen ersichtlich, die vollen Beweis über den Verlauf erbringen - nicht ergangen ist:

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 1999 wurde ein Verbesserungsauftrag ohne Setzung einer Frist erteilt, weshalb er nicht dem zitierten § 13 Abs. 3 AVG entsprochen hat. In der Verhandlung vom 15. Juni 1999 hat die einschreitende A. Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft selbst erklärt, eine von der beschwerdeführenden Partei unterschriebene Kopie des Einspruches binnen einer Woche nachzubringen. Ein Auftrag der Einspruchsbehörde im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG ist dem Protokoll daher auch hier nicht zu entnehmen.

Im Ergebnis ist die Ansicht der belangten Behörde, wonach der Landeshauptmann nicht hätte in der Sache entscheiden dürfen und den Einspruch hätte als unzulässig zurückweisen müssen, daher verfehlt:

In Ermangelung einer Fristsetzung galt der Einspruch mit der Nachbringung der fehlenden Unterschrift, welche vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte, als fehlerfrei eingebracht. Der Landeshauptmann von Wien hat daher zu Recht meritorisch über den Einspruch entschieden.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. Februar 2005

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