VwGH 2001/05/0368

VwGH2001/05/036815.6.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des Dkfm. Dr. Ottokar STROBICH in Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung, vom 11. Juni 2001, Zl. RU1-V-01100/00, betreffend einen Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Klosterneuburg), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1883 §16;
BauO NÖ 1969 §92;
BauO NÖ 1969 §93;
BauO NÖ 1976 §92;
BauO NÖ 1976 §93;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §15 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
BauRallg;
VwRallg;
BauO NÖ 1883 §16;
BauO NÖ 1969 §92;
BauO NÖ 1969 §93;
BauO NÖ 1976 §92;
BauO NÖ 1976 §93;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §15 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Liegenschaft des Beschwerdeführers in Klosterneuburg, Kirchmayergasse 48, EZ. 1381, KG Weidling, besteht aus den hintereinanderliegenden Grundstücken Nr. 1231/2 und 1231/1.

Auf dem an der Kirchmayergasse gelegene Grundstück Nr. 1231/2 befindet sich ein Einfamilienhaus, für welches mit Bescheid vom 19. November 1979 die Baubewilligung erteilt worden war. Auf dem der Baubewilligung zu Grunde liegenden Einreichplan ist im Lageplan, der beide Grundstücke beinhaltet, keine Baulichkeit eingezeichnet.

Vor Erteilung der Benützungsbewilligung für das Einfamilienhaus reichte der Beschwerdeführer einen Bestandsplan "für Einfamilienwohnhaus in Klosterneuburg/Weidling, Kirchmayergasse 48, auf GST 1231/2" ein. Dort ist im Lageplan auf dem Grundstück Nr. 1231/1 eine Gerätehütte eingezeichnet. Die Benützungsbewilligung für das Einfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. 1231/2 wurde mit Bescheid vom 7. August 1985 erteilt.

Am 5. September 2000 fand auf den Grundstücken des Beschwerdeführers eine amtswegige Verhandlung zur Feststellung des Gebäudeumfanges und der Baugebrechen gem § 35 NÖ BauO 1996 statt. Dabei wurde festgestellt, dass sich auf dem als Garten genutzten Grundstück Nr. 1231/1 eine 2,50 x 4,60 m große, 2,20 m hohe Gerätehütte befindet. Für dieses Grundstück bestehe die Flächenwidmung Grünland-Landwirtschaft und es werde tatsächlich als Garten genutzt. Laut Niederschrift benannte der Beschwerdeführer den Errichtungszeitpunkt der Gerätehütte mit dem Jahr 1977. Der Beschwerdeführer erklärte, die Gerätehütte scheine im Bestandsplan vom 7. August 1985 auf und sei Bestandteil der Benützungsbewilligung, sie habe keine Baubewilligung.

Mit Bescheid vom 6. September 2000 erteilte das Stadtamt der mitbeteiligten Partei dem Beschwerdeführer den Auftrag, die bei der Verhandlung vom 5. September 2000 auf dem Grundstück Nr. 1231/1, KG Weidling, festgestellte Gerätehütte innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu entfernen. Nach Prüfung der Unterlagen sei festgestellt worden, dass dafür keine Baubewilligung aufliege. Die Gerätehütte sei an der rechten Grundstücksgrenze im Grünland mit der Widmung Landwirtschaft errichtet worden.

Mit Schriftsatz vom 2. November 2000 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung, da sich an der angeführten Stelle seit Menschengedenken, insbesondere vor Inkrafttreten der Raumordnungsgesetze 1977 und 1974 und auch vor Inkrafttreten der entsprechenden Flächenwidmungspläne, ein Geräteschuppen befinde. Außerdem habe die Baubehörde die gegenständliche Gerätehütte bei der Erteilung der Benützungsbewilligung im Jahr 1985 zur Kenntnis genommen. Das Bauwerk sei nicht unzulässig.

Der Stadtrat der mitbeteiligten Partei wies die Berufung als unbegründet ab, weil die Gerätehütte im Widerspruch zur bestehenden Widmung stehe. Die Benützungsbewilligung habe sich nur auf das Grundstück Nr. 1231/2 und das dort errichtete Einfamilienwohnhaus bezogen. Die Errichtung der Gerätehütte bedürfe einer baubehördlichen Bewilligung und habe einer solchen auch im Zeitpunkt ihrer Errichtung bedurft.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Für die seit der NÖ Bauordnung 1883 bewilligungspflichtige Hütte liege keine Baubewilligung vor. Die Eintragung im Bestandsplan 1985 ersetze die Baubewilligung nicht, weil sich eine allfällige Projektsänderung nur auf das bewilligte Projekt (Einfamilienwohnhaus) beziehen konnte.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Er erachtet sich in seinem Recht verletzt, die verfahrensgegenständliche Gerätehütte nicht abreißen zu müssen und begehrt daher, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu und legte Fotos vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung der Bauordnung für Niederösterreich 1996 idF LGBl 8200-5 (BO) lautet:

"§ 35 Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesonders die Räumung von Gebäuden oder deren Teilen anzuordnen.

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist und gesundheits-, bau- oder feuerpolizeiliche Missstände vorliegen oder

2. die Behebung des Baugebrechens unwirtschaftlich ist und der Eigentümer innerhalb der ihm nach § 33 Abs. 2 gewährten Frist die Missstände nicht behoben hat oder

3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Für andere Vorhaben gilt Z. 3 sinngemäß.

..."

Für die Erteilung eines Beseitigungsauftrages nach § 35 BO ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich, hinsichtlich der Beurteilung der Bewilligungspflicht der vom Bauauftrag betroffenen baulichen Anlage ist jedoch davon auszugehen, dass diese nicht nur im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages, sondern auch im Zeitpunkt der Errichtung gegeben sein muss (hg Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl 2002/05/0108). Ein Beseitigungsauftrag setzt daher voraus, dass die Bewilligungspflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages zu bejahen ist (Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6, 424).

Die Bewilligungspflicht für eine Reihe von Bauvorhaben war in den §§ 16 der Niederösterreichischen Bauordnung 1883 und in den §§ 92 und 93 der Niederösterreichischen Bauordnung 1969 und 1976 geregelt. Zu § 16 Niederösterreichische Bauordnung 1883 wurde vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass unter einem Neubau nur die Errichtung eines neuen Gebäudes verstanden werden kann; ein Gebäude ist eine bauliche Anlage, bei welcher ein abgeschlossener Raum vorhanden ist (siehe den RS im hg. Erkenntnis vom 17. April 1967, Zl. 1529/65). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bzw ist ein Gebäude eine in Verbindung mit dem Boden hergestellte kunstmäßige Konstruktion behufs Herstellung eines abgeschlossenen Raumes (hg Erkenntnis vom 23. September 2002, Zl 2002/05/0337). Selbst unter der Annahme, dass die Gerätehütte vor dem Jahr 1977 errichtet wurde, unterlag sie daher, da sie dieser Gebäudedefinition entspricht, im Errichtungszeitpunkt der Baubewilligungspflicht. Dass die Behörden den Errichtungszeitpunkt nicht ausdrücklich festgestellt haben, schadet nicht, da der Beschwerdeführer selbst diesbezüglich das Jahr 1977 angegeben hat.

Nach § 4 Z 6 NÖ BO handelt es sich bei einem Gebäude um ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens zwei Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Sachen zu schützen. Da die gegenständliche Gerätehütte nur ein Geschoß aufweist, über keinen Aufenthaltsraum verfügt und ihrer Art nach dem Verwendungszweck eines Hauptgebäudes untergeordnet ist (zB Werkzeughütte), ist sie als Nebengebäude zu qualifizieren. Der Neu- und Zubau von Gebäuden ist gemäß § 14 Z 1 NÖ BO bewilligungspflichtig. Die gegenständliche Gerätehütte fällt nicht unter die bloß anzeigepflichtigen Vorhaben nach § 15 Abs 1 Z 1 NÖ BO, da ihre Grundrissfläche 6 m2 übersteigt. Sie war daher im Zeitpunkt der Erteilung des Abbruchauftrages gemäß § 14 Z 1 NÖ BO bewilligungspflichtig.

Die vorliegende Benützungsbewilligung aus 1985 ersetzt die erforderliche Baubewilligung nicht. Die Benützungsbewilligung sagt nur, dass die Voraussetzungen für die Benützung der Lokalitäten gegeben sind (vgl Hauer/Zaussinger, aaO, 387). Im Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl 2001/05/0072, in welchem ein Abbruchauftrag nach § 35 Abs 2 Z 3 NÖ BauO 1996 den Gegenstand bildete, hat der Verwaltungsgerichtshof seine zur NÖ Bauordnung 1976 vertretene Auffassung wiederholt, dass eine Benützungsbewilligung, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet, den Baukonsens nicht abändern oder ersetzen kann.

Im gegenständlichen Fall bezieht sich die am 7. August 1985 erteilte Benützungsbewilligung ausdrücklich auf das auf der Liegenschaft KG Weidling, Grundstück Nr. 1231/2, EZ. 1381, errichtete Einfamilienhaus. Geringfügige bauliche Änderungen und der Einbau einer gasbefeuerten Heizungsanlage mit einer Leistung von 84,0 KW wurden gemäß § 94 der NÖ BauO 1976 zur Kenntnis genommen. Die Gerätehütte bzw das Grundstück Nr. 1231/1 werden weder in der Benützungsbewilligung selbst, noch in der diesbezüglichen Verhandlungsniederschrift vom 18. Juli 1983, noch im Antrag und der späteren Urgenz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Erteilung der Benützungsbewilligung genannt.

Für die gegenständliche Gerätehütte liegt daher auch auf Grund der am 7. August 1985 erteilten Benützungsbewilligung für das Einfamilienhaus keine Baubewilligung vor. Die erforderliche Baubewilligung konnte weder von der Behörde in ihren Unterlagen vorgefunden werden, noch hat der Beschwerdeführer eine derartige Bewilligung vorgelegt.

Die Bewilligungsfähigkeit eines Gebäudes ist ausschließlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages zu prüfen (Hauer/Zaussinger, aaO, 424).

Gemäß § 19 Abs 2 Z 1a NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-0 in der hier maßgebenden Fassung LGBl. 8000-13 gelten als Grünland Flächen, die der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung und der Errichtung von Bauwerken für die Ausübung der Land- und Forstwirtschaft und deren Nebengewerbe im Sinne der Gewerbeordnung dienen. Im Grünland ist gemäß § 19 Abs 4 leg. cit ein bewilligungs- oder anzeigepflichtiges Bauvorhaben nur dann und in jenem Umfang zulässig, als dies für eine Nutzung gemäß Abs 2 erforderlich ist und eine nachhaltige Bewirtschaftung erfolgt.

Der Beschwerdeführer hat nicht in Abrede gestellt, dass das Grundstück Nr. 1231/1 als Garten und nicht landwirtschaftlich genutzt wird. Er hat nicht behauptet, dass er einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb, für dessen Aufrechterhaltung die Gerätehütte erforderlich iSd § 19 Abs 4 NÖ ROG wäre, betreibt. Die gegenständliche Gerätehütte ist daher auf Grund des Widerspruches zum NÖ ROG und zum Flächenwidmungsplan gemäß § 15 Abs 3 und § 23 Abs 1 NÖ BO unzulässig und nicht bewilligungsfähig. Eine nachträgliche Erteilung der Baubewilligung ist aus diesem Grund nicht möglich. Es war daher ein Abbruchauftrag zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs 2.

Wien, am 15. Juni 2004

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