VwGH 2000/21/0023

VwGH2000/21/002324.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der D, (geboren am 2. Jänner 1965), in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Bauer, Rechtsanwalt in 1013 Wien, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Juli 1999, Zl. Fr 382/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Juli 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhalts des erstinstanzlichen Bescheides und der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung sowie der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin am 4. Februar 1999 illegal und in Begleitung ihres Lebensgefährten in das Bundesgebiet eingereist und im Stadtgebiet von Poysdorf von Beamten des Grenzüberwachungspostens Katzelsdorf aufgegriffen worden sei. In weiterer Folge habe die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (erstinstanzliche Behörde) deren Festnahme und Anhaltung (Schubhaft) angeordnet. Ein von der Beschwerdeführerin gestellter Asylantrag sei am 25. Februar 1999 vom Bundesasylamt rechtskräftig abgewiesen worden. Am 9. Juni 1999 sei sie schließlich aus der Schubhaft entlassen worden. Seitdem halte sie sich nach wie vor unberechtigt im Bundesgebiet auf.

Am 4. Februar 1999 habe sie bei der erstinstanzlichen Behörde niederschriftlich angegeben, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten P. mit Hilfe eines Schleppers aus ihrem Heimatland über Rußland nach Deutschland (Essen) in eine Wohnung gebracht worden zu sein, in der eine vietnamesische Familie gelebt hätte. Sie hätte diese Wohnung nicht verlassen dürfen und die vier Kinder der Familie beaufsichtigen müssen. Als vor ungefähr einer Woche die vietnamesische Familie verschwunden gewesen wäre, hätte sie ebenfalls die Wohnung verlassen und mit dem Zug nach München fahren wollen. Mit diesem Zug wäre sie bis zur Endstation gefahren und hätte dann nach einem Fußmarsch von ca. einer Stunde ein Taxi mit dem Reiseziel München bestiegen. Nach ca. zehn Stunden hätte der Taxilenker gesagt, dass sie nun in München wären. Nach Verlassen des Taxis hätte sie telefonisch in Deutschland Hilfe holen wollen, damit sie wieder nach Essen kommen könnte. Nach einem weiteren Fußmarsch von ca. vier Stunden wäre sie in einer Stadt, die ihr unbekannt gewesen wäre, bei einer Telefonzelle von Gendarmeriebeamten aufgegriffen worden.

Anhand des Sachverhaltes und gemäß dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sei die belangte Behörde zur Überzeugung gelangt, dass die von der Beschwerdeführerin geschilderte Version der Umstände ihres Aufenthalts in Österreich vollkommen unglaubwürdig sei. Vielmehr sei als erwiesen anzunehmen, dass sie als illegale Grenzgängerin über die "grüne Grenze" von Tschechien nach Österreich gelangt sei, was auch die erstinstanzliche Behörde als erwiesen angenommen habe. Die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrem Reiseweg seien nach den logischen Denkgesetzen nicht nachvollziehbar und als Scheinbehauptung zu werten.

Der Behörde sei nicht bekannt, dass die Beschwerdeführerin irgendwelche Einkommensmöglichkeiten hätte, die die Annahme der Mittellosigkeit widerlegen würden. Es sei Aufgabe des Fremden, durch taugliche Bescheinigungsmittel die Annahme der Mittellosigkeit zu widerlegen. Von mittellosen Personen gehe insofern eine eminente Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, als die gerechtfertigte Annahme bestehe, dass sich diese Personen ihren Unterhalt durch "Schwarzarbeit" oder sonstige unlautere bzw. kriminelle Machenschaften verdienten. Die Beschwerdeführerin gelte nicht nur als mittellose Person, sondern sei auch illegal nach Österreich eingereist und halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Intention des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG sei daher die Annahme zulässig, dass ihr Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Landes, insbesondere im Hinblick auf einen geordneten Arbeitsmarkt und ein geordnetes Fremdenwesen sowie im Hinblick auf jene Gefahren, die von mittellosen Personen ausgehen könnten, gefährden würde.

Diesen der öffentlichen Ordnung abträglichen Komponenten könnten keine für die Beschwerdeführerin positiven Sachverhaltselemente gegenübergestellt werden, nach denen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht erforderlich wäre. Da für sie keine günstigere Gefährdungsprognose möglich sei, sehe sich die Behörde außer Stande, die "Kannbestimmung" des § 36 Abs. 1 FrG zu deren Gunsten anzuwenden.

Was das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin anlange, so könne im Hinblick darauf, dass sie sich seit Anfang Februar 1999 in Österreich befinde und den Großteil ihres Aufenthaltes bisher in Schubhaft verbracht habe, aus der sie erst am 9. Juni 1999 entlassen worden sei, von einer Integration in Österreich nicht ausgegangen werden. Im Bundesgebiet sei auch ihr Lebensgefährte aufhältig. Aufgrund der aus dem vorliegenden Sachverhalt abgeleiteten Gefährdungsprognose sei der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff (im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG) zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Dieser Maßnahme stehe § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegen, weil die kurze Dauer des Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich wesentlich geringer zu gewichten seien als die oben angeführten öffentlichen Interessen.

Da gemäß § 39 Abs. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen sei, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, sei es nach Ansicht der Behörde geboten gewesen, das Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren ab Durchsetzbarkeit zu verhängen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, dass die Beschwerdeführerin keine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle, zumal sie bisher nicht einmal die Möglichkeit gehabt habe, sich in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Darüber hinaus drohe ihr bei einer Abschiebung nach Vietnam körperliche Misshandlung bis hin zur Todesstrafe und sei die Abschiebung dorthin gemäß § 57 FrG unzulässig, was von der belangten Behörde bei einer Interessenabwägung zu beachten gewesen wäre.

2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

2.1. Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 (des § 36 leg. cit.) insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht nur über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern auch entsprechend zu belegen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 99/18/0300, mwN).

Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ergibt sich, dass von der Beschwerdeführerin ein derartiger Nachweis erbracht worden sei. Gegen die nicht bekämpfte Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei, bestehen daher keine Bedenken. Im Hinblick auf die nach der hg. Rechtsprechung aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierende Gefahr strafbarer Handlungen und einer finanziellen Belastung der Republik Österreich (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis), ist es auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat. Diese Annahme wird noch dadurch verstärkt, dass sich die Beschwerdeführerin den insoweit unbekämpften Ausführungen im angefochtenen Bescheid zufolge jedenfalls seit ihrer Entlassung aus der Schubhaft am 9. Juni 1999 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, wobei der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0272, mwN). Wenn die Beschwerde vorbringt, es handle sich bei der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin über die "grüne Grenze" von Tschechien nach Österreich gelangt sei, um eine bloße Mutmaßung, die "glaubwürdig" zu begründen gewesen wäre, legt sie nicht dar, inwieweit diese im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung unrichtig sei, und behauptet sie auch nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, sodass die Relevanz des genannten Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen ist.

2.2. Die belangte Behörde hat die Bindung der Beschwerdeführerin zu deren ebenfalls in Österreich aufhältigen Lebensgefährten berücksichtigt und daher zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Wenn sie trotzdem zur Ansicht gelangte, dass das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, so begegnet diese Beurteilung angesichts der mit der Mittellosigkeit eines Fremden verbundenen Gefahren (vgl. II.2.1.), insbesondere der Gefahr eine finanziellen Belastung der Republik Österreich, wozu im vorliegenden Fall noch die Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens durch den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin kommt, keinem Einwand.

Im Lichte dessen kann es auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG angesichts der verhältnismäßig kurzen Dauer des - jedenfalls seit der Entlassung aus der Schubhaft am 9. Juni 1999 unrechtmäßigen - Aufenthalts der Beschwerdeführerin den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beigemessen hat als deren persönlichen Interessen. An dieser Beurteilung vermag auch der in der Beschwerde ins Treffen geführte Hinweis auf die der Beschwerdeführerin bei einer Abschiebung nach Vietnam dort drohenden Gefahren nichts zu ändern, weil von § 37 FrG das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich, nicht jedoch auch jenes in ihrem Heimatstaat geschützt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 98/18/0374, mwN) und im Übrigen mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder dass er (allenfalls) abgeschoben wird. Die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat stellt sich etwa im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG - dem Beschwerdevorbringen zufolge hat die Beschwerdeführerin bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides einen Feststellungsantrag im Sinn dieser Gesetzesbestimmung gestellt - oder in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes (§ 56 FrG).

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. März 2000

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