VwGH 2000/20/0208

VwGH2000/20/020817.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der A (alias V) in W, geboren 1967, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Jänner 2000, Zl. 205.305/0-XII/36/98, betreffend §§ 7, 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75;
EMRK Art13;
EMRK Art3;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75;
EMRK Art13;
EMRK Art3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem zweiten, die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria feststellenden Spruchteil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, ist ihren Angaben zufolge am 25. Juli 1998 nach Österreich eingereist. Nachdem sie am 29. Juli 1998 von der Fremdenpolizei aufgegriffen und in der Folge in Schubhaft genommen worden war, stellte sie am 12. August 1998 einen (schriftlichen) Asylantrag. Dieser wurde (zusammengefasst) darauf gestützt, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin am 3. Mai 1998 wegen seiner Tätigkeit für eine nigerianische Menschenrechtsorganisation von (mit der damaligen Militärregierung im Zusammenhang stehenden) so genannten "Mafia-Soldiers" ermordet worden und dass die Beschwerdeführerin danach von diesen Personen bedroht worden sei.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) vom 14. Jänner 2000 wurde dieser Asylantrag nach mündlicher Berufungsverhandlung gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig sei.

Dieser Entscheidung legte die belangte Behörde in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin behaupteten Fluchtgründe folgenden Sachverhalt zugrunde:

"Die Berufungswerberin ist Staatsangehörige von Nigeria und war zuletzt in Ibadan wohnhaft. Am 3.5.1998 wurde der Ehemann der Berufungswerberin in seinem Wohnhaus in Ibadan von unbekannten schwarz gekleideten Personen ermordet. Die Berufungswerberin meldete diesen Vorfall nicht der Polizei, doch wurde von Bekannten eine Anzeige bei der Polizei erstattet und eine Niederschrift aufgenommen. Circa zwei Wochen nach diesem Vorfall erschienen wiederum Männer im Haus der Berufungswerberin und verlangten - ohne ihre Identität preiszugeben - Dokumente und Unterlagen, die ihr Mann angeblich besessen haben sollte. Da die unbekannten Personen die Dokumente nicht auffinden konnten, verlangten sie von der Berufungswerberin, diese zu suchen und für ihr nächstes Kommen bereitzuhalten und bedrohten die Berufungswerberin. Infolge der Ereignisse leidet die Berufungswerberin unter einer sogenannten 'posttraumatischen Belastungsstörung'. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei den schwarz gekleideten Personen, die den Mord am Ehemann der Berufungswerberin verübten, um so genannte 'Mafia-Soldiers' oder sonst mit der Regierung in Zusammenhang stehende Personen handelt. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Ehemann der Berufungswerberin Mitglied einer Menschenrechtsorganisation war oder sonst irgendeine politische Tätigkeit ausgeübt hat. Der von der Berufungswerberin angegebene Fluchtweg (Fahrt mit dem Auto nach Südafrika und Flug nach Budapest) kann nicht festgestellt werden."

In den weiteren Ausführungen begründete die belangte Behörde im Einzelnen die diesen Feststellungen zugrunde liegende, in Bezug auf die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin differenzierende Beweiswürdigung. Rechtlich folgerte die belangte Behörde, es liege kein Anhaltspunkt für eine Verfolgung wegen einer bestimmten politischen Gesinnung vor, weil die Beschwerdeführerin eine Tätigkeit ihres Ehegatten in einer "Menschenrechtsorganisation" nicht habe glaubhaft machen können. Aufgrund der im angefochtenen Bescheid auch getroffenen Feststellungen "zur allgemeinen Situation in Nigeria" ging die belangte Behörde weiters davon aus, dass die staatlichen Behörden Schutz vor einem von einer Privatperson begangenen, nicht der nigerianischen Regierung zurechenbaren Verbrechen gewähren würden.

Schließlich begründete die belangte Behörde die Abweisung im Asylteil hilfsweise auch noch - unter hypothetischer Zugrundelegung einer ursprünglich gegebenen asylrelevanten Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführerin - mit der näher beschriebenen Änderung der politischen Verhältnisse in Nigeria nach dem unerwarteten Tod von General Sani Abacha am 8. Juni 1998. Daraus folgerte sie, dass wegen der Tätigkeit in einer "Menschenrechtsorganisation" jedenfalls keine staatliche Verfolgung (mehr) drohe und demnach die Voraussetzungen gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention vorlägen.

Bei der Begründung des Zulässigkeitsausspruches nach § 8 AsylG verwies die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage auf die Erwägungen zur Abweisung des Asylantrages, wonach im gegenständlichen Fall keine vom nigerianischen Staat ausgehende oder von staatlichen Stellen "zumindest gebilligte" Bedrohung, sondern ein von Privatpersonen verübtes Verbrechen vorliege. Es gebe daher keinen Anhaltspunkt für eine vom nigerianischen Staat ausgehende unmenschliche Behandlung oder Strafe oder dafür, dass der nigerianische Staat außer Stande wäre, der Beschwerdeführerin Schutz zu gewähren. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin "allenfalls bei einer Rückkehr in ihr Heimatland eine so genannte 'Retraumatisierung' erleiden könnte", sei nach Ansicht der belangten Behörde "nicht geeignet, eine Bedrohung im Sinne von § 57 Abs. 1 FrG zu begründen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich in Bezug auf die Bestätigung der Abweisung des Asylantrages im Ergebnis nur gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung, vermag aber diesbezüglich weder eine Unschlüssigkeit oder Denkunmöglichkeit noch einen relevanten Verfahrensfehler aufzuzeigen. Auch wenn - was der Beschwerde einzuräumen ist - nicht alle von der belangten Behörde ins Treffen geführten Argumente zu überzeugen vermögen, so ist die angenommene (teilweise) Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin doch in mehreren Punkten tragfähig begründet worden. So durfte die belangte Behörde vor allem darauf verweisen, dass die Beschwerdeführerin während des Verwaltungsverfahrens ihre Identität, die mit den geltend gemachten Fluchtgründen in unmittelbarem Zusammenhang steht, gewechselt hat, ohne hiefür eine nachvollziehbare Begründung zu geben. Auch die Widersprüche hinsichtlich des (zunächst angeblich nicht bekannten) Namens der Menschenrechtsorganisation, für die der Ehemann der Beschwerdeführerin tätig gewesen sein soll, durfte die belangte Behörde als Indiz für die Wahrheitswidrigkeit dieser Angaben werten. Vor diesem Hintergrund konnte die belangte Behörde aber auch den Beweiswert der diesbezüglichen, zum Teil unbestimmt gebliebenen Zeugenaussagen, die - entgegen der Beschwerdemeinung - auch keinen ausreichenden Anlass für weitere Ermittlungen darstellen mussten, als relativiert ansehen. Von daher kann es schließlich im Ergebnis nicht beanstandet werden, wenn die belangte Behörde die Annahme der Beschwerdeführerin, es handle sich bei den unbekannten Männern um so genannte "Mafia-Soldiers", deren Handeln der (damaligen) Regierung zuzurechnen sei, mit Rücksicht auf ihre Aussage, sie wisse nicht, wer die Leute seien und wo die "Quelle dieses Übels" liege, als bloße Vermutung qualifizierte. Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommenden, auf Verstöße gegen das Schlüssigkeitsgebot eingeschränkten Prüfungsbefugnis ist daher die von der belangten Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, somit auch unter Verwertung des dabei gewonnenen persönlichen Eindruckes, beweiswürdigend vorgenommene Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht zu bemängeln.

Es ist somit die von der belangten Behörde vorgenommene Abweisung der Berufung im Asylteil nicht als rechtswidrig zu erkennen, weshalb die Beschwerde, soweit sie sich auf diesen Spruchpunkt bezieht, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Zum Ausspruch nach § 8 AsylG kann für die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des § 57 Abs. 2 FrG sinngemäß (d.h. bezogen auf das Fehlen einer gegebenenfalls auch asylrelevanten Verfolgungsgefahr) auf die vorstehenden Überlegungen verwiesen werden, zumal die Beschwerde dazu keine über das Vorbringen zur Abweisung des Asylantrages hinausgehenden Ausführungen enthält. Zu prüfen bleibt somit, ob die belangte Behörde der Beschwerdeführerin auch unter dem Gesichtspunkt des § 57 Abs. 1 FrG zu Recht Refoulement-Schutz verweigert hat.

Die belangte Behörde ist dem Vorbringen der Beschwerdeführerin insofern gefolgt, als sie die (fluchtauslösende) Ermordung ihres Ehemannes am 3. Mai 1998 und die anschließend gegen sie gerichteten Drohungen ihren Feststellungen zugrunde gelegt hat. Dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten psychologischen Gutachten vom 31. Jänner 1999 und dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 1. Juli 1999 folgend hat die belangte Behörde auch festgestellt, dass die Beschwerdeführerin "infolge der Ereignisse ... unter einer so genannten 'posttraumatischen Belastungsstörung' leidet". Die Vertreterin der Beschwerdeführerin hat am Ende der mündlichen Berufungsverhandlung am 29. Oktober 1999 zur Frage des Abschiebungsschutzes an dieses übereinstimmende Ergebnis in den genannten Gutachten angeknüpft und darauf verwiesen, dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten psychologischen Gutachten sei zu entnehmen, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria die Gefahr einer akuten Retraumatisierung mit sich bringen würde; ihr Leben wäre gefährdet, weil sie einer Retraumatisierung vor dem Hintergrund ihres kritischen Zustandes "nicht Stand halten würde". Eine Abschiebung nach Nigeria im derzeitigen Zeitpunkt stelle eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar und sei daher unzulässig.

Dazu vertrat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die (nicht weiter begründete) Rechtsauffassung, der Umstand, dass die Beschwerdeführerin "allenfalls bei einer Rückkehr in ihr Heimatland eine so genannte 'Retraumatisierung' erleiden könnte", sei "nicht geeignet, eine Bedrohung im Sinne von § 57 Abs. 1 FrG zu begründen."

Dem hält die Beschwerde die "bestehende EGMR-Judikatur" entgegen und zitiert wörtlich aus der Unzulässigkeitsentscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 23. Februar 1999 betreffend die Beschwerde Nr. 45917/99, "Andric vs. Schweden". Dieser sei sehr klar zu entnehmen, dass eine Abschiebung unter den hier gegebenen Umständen - die Abschiebung könne nach dem erwähnten psychologischen Gutachten bei der Beschwerdeführerin zu einer wegen ihres bedenklichen psychischen Zustandes lebensbedrohenden Retraumatisierung führen - "sehr wohl" eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstelle. Ein posttraumatisches Syndrom, wie das bei der Beschwerdeführerin vorliegende, stelle einen Sachverhalt dar, der unter § 57 Abs. 1 FrG zu subsumieren sei.

Bei Beantwortung der damit angesprochenen Frage, welche Umstände eine "unmenschliche Behandlung" im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126) - im konkreten Fall im Zusammenhang mit § 8 AsylG - bewirken können, ist davon auszugehen, dass die genannte Bestimmung insoweit der Konkretisierung des durch Art. 3 EMRK ("Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.") verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes dient. § 57 Abs. 1 FrG ist so zu verstehen, dass damit der Verpflichtung Österreichs zu konventionsgerechtem Vorgehen im Hinblick auf eine Außerlandesschaffung in einen bestimmten Staat Rechnung getragen werden soll. Mit anderen Worten: Für die Frage der Gewährung eines Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- oder Abschiebungsschutzes nach § 57 Abs. 1 FrG ist maßgeblich, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, Österreich würde im Falle der Außerlandesschaffung eines Fremden in einen bestimmten Staat gegen Art. 3 EMRK verstoßen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0443, mit weiteren Hinweisen, insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0203; zu § 57 Abs. 1 FrG idF der FrG-Novelle 2002 siehe das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059).

In den weiteren Ausführungen des zitierten Erkenntnisses Zl. 2000/01/0443 knüpft der Verwaltungsgerichtshof zur Auslegung der genannten Bestimmung an die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ergangene Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK an. Auch der Verfassungsgerichtshof hat etwa in dem die Zulässigkeit einer Abschiebung nach Somalia betreffenden Erkenntnis vom 27. November 1997, VfSlg. 14.998, bemerkt, er sehe keinen Grund, der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht zu folgen.

Die Entscheidung über die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 57 Abs. 1 FrG ist somit unter Bedachtnahme auf die Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2002/01/0379). In der von der Beschwerde zitierten Entscheidung vom 23. Februar 1999 über die Zulässigkeit der Beschwerde Nr. 45917/99 (Andric v. Sweden) hat der EGMR Folgendes ausgeführt (zitiert nach ÖJZ 1999/33 (MRK)):

"Der Beschwerdeführer hat jedoch, ohne darauf besonders Bezug zu nehmen, in seinem Beschwerdevorbringen medizinische Unterlagen vorgelegt, die zeigen, dass er an einem posttraumatischen Streßsyndrom leidet und dass die Vollstreckung der Abschiebungsverfügung seiner geistigen Gesundheit ernsthaft schaden könnte. In diesem Zusammenhang hält der Gerichtshof fest, dass bei der Beurteilung, ob eine Abschiebung ein solches Trauma bedingt - welches für sich allein eine Verletzung des Art. 3 MRK begründet -, die physischen und psychischen Auswirkungen der Abschiebung auf den Gesundheitszustand der betroffenen Person in Betracht gezogen werden müssen (vgl. EGMR, Cruz Varas u.a. gg. Schweden - Urteil vom 20. März 1991, A/201 ... Z 83 - 84 (FN 3) und die Auffassung der Kommission ... Z 87 - 90).

Nichtsdestoweniger erachtet es der Gerichtshof jedoch nicht für notwendig zu entscheiden, ob unter den gegebenen Umständen die Abschiebung des Beschwerdeführers eine solche Härte für ihn mit sich bringen würde, dass sie in den Anwendungsbereich des Art. 3 fiele, da die Berufungskommission am 9. Dezember 1998 die Abschiebung ausgesetzt hat, offensichtlich im Hinblick auf die Informationen, die in den der Kommission vorgelegten medizinischen Unterlagen enthalten waren. Es hat daher den Anschein, dass der Beschwerdeführer in seinem derzeitigen Zustand nicht abgeschoben werden wird."

Die wiedergegebenen Ausführungen, wonach bei der Beurteilung, ob eine Abschiebung ein solches (so schwer wiegendes) Trauma nach sich zieht, dass es für sich genommen eine Verletzung des Art. 3 EMRK bewirkt, auf die physischen und psychischen Auswirkungen der Abschiebung und auf den Gesundheitszustand der betroffenen Person Bedacht zu nehmen ist (im englischen Text: "... in assessing whether a deportation involves such a trauma that it in itself constitutes a breach of Article 3 of the Convention, its physical and mental effects and the state of health of the person concerned are to be taken into account."), finden sich in mehreren Entscheidungen des EGMR vom selben Tag, die insoweit gleich gelagerte Fälle betrafen, in denen es jeweils um die Abschiebung von aus dem Kriegsgebiet von Bosnien-Herzegowina geflüchteten Personen ging, bei denen Anzeichen für das Vorliegen eines posttraumatischen Syndroms gegeben waren (vgl. die Zulässigkeitsentscheidungen vom 23. Februar 1999 betreffend die Beschwerden Nr. 45920/99, Pavlovic v. Sweden; Nr. 45922/99, Maric

  1. v. Sweden; Nr. 45923/99, Andrijic v. Sweden; Nr. 45924/99, Juric
  2. v. Sweden, und Nr. 45925/99, Pranjko v. Sweden). Eine weitere Auseinandersetzung mit den Umständen des jeweiligen Einzelfalles hatte der EGMR (aus unterschiedlichen Gründen) allerdings bei diesen Entscheidungen nicht vorzunehmen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Zulässigkeitsentscheidungen des EGMR vom 23. Februar 1999 über die Beschwerde Nr. 45918/99, Maric v. Sweden, und vom 19. März 2002 betreffend die Beschwerde Nr. 60959/00, Ammari v. Sweden).

Vor dem Hintergrund dieser Auffassung des EGMR kann - entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde - nicht von vornherein gesagt werden, eine im Falle der Abschiebung in den Herkunftsstaat eintretende Retraumatisierung bei bestehendem posttraumatischen Belastungssyndrom wäre niemals geeignet, den Tatbestand des § 57 Abs. 1 FrG zu erfüllen (vgl. in diesem Sinn schon das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 99/01/0446). Das ließe sich angesichts der Einschätzung in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten psychologischen Gutachten für den vorliegenden Fall auch nicht ohne Weiteres annehmen. Danach wäre eine Abschiebung der Beschwerdeführerin, die in einem überaus hohen Maße alle Symptome einer schwer wiegenden posttraumatischen Belastungsstörung aufweise, vom "klinisch-psychologischen Standpunkt aus in keinster Weise verantwortbar" und sie würde eine massive Bedrohung für das Leben der Beschwerdeführerin darstellen, weil die Beschwerdeführerin einer Retraumatisierung vor dem Hintergrund ihres kritischen psychischen Zustandes nicht Stand halten können würde. Die im Hinblick auf diese gutachterliche Stellungnahme indizierte Prüfung der Frage, ob die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria unter den gegebenen Umständen eine solche Härte für sie mit sich bringen würde, dass sie in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fiele, hat die belangte Behörde - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht - nicht vorgenommen. Insbesondere hat schon der Gutachtensauftrag an den von der belangten Behörde bestellten medizinischen Sachverständigen das Thema einer Retraumatisierung im Abschiebungsfall nicht berührt. Für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, wäre aber zunächst zu klären gewesen, mit welcher Wahrscheinlichkeit in diesem Fall angesichts einer bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung mit dem Auftreten einer Retraumatisierung aus medizinischer Sicht zu rechnen wäre und welche Auswirkungen (physischer und psychischer Art) auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären. Danach wäre einzuschätzen gewesen, ob es für diese Beurteilung auch noch einer detaillierten Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin (insbesondere zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld, aber auch zur medizinischen Versorgungssituation), und zwar sowohl im Zielstaat der Abschiebung als auch in Österreich, bedurft hätte (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0443).

Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen. Der angefochtene Bescheid war daher in seinem zweiten, die Zulässigkeit (insbesondere) der Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria betreffenden Spruchteil gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Dezember 2003

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