Normen
AVG §37;
AVG §52;
BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §14 Abs4;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1997/I/138;
PG 1965 §9 Abs1;
AVG §37;
AVG §52;
BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §14 Abs4;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1997/I/138;
PG 1965 §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1948 geborene Beschwerdeführer steht als Oberoffizial (Verwendungsgruppe PT 8) i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund; er war zuletzt im Bereich des Personalamtes Wien der Telekom Austria AG eingesetzt und wurde - mit seiner Zustimmung - mit Bescheid des beim Vorstand der Telekom Austria AG eingerichteten Personalamtes vom 29. November 1999 unter Zurechnung nach § 9 PG gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Wirksamkeit vom 31. Dezember 1999 in den Ruhestand versetzt.
Über die Ruhegenussbemessung wurde mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 9. März 2000 wie folgt abgesprochen:
"Gemäß §§ 4, 6 und 7 in Verbindung mit § 62b Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340/1965 in der geltenden Fassung, wird Ihnen ab 1. Jänner 2000 ein Ruhegenuss im Ausmaß von monatlich brutto 12 738,20 Schilling (925,72 Euro) zuerkannt."
Zur Begründung wird auf das der Ruhestandsversetzung zu Grunde gelegene amtsärztliche Gutachten verwiesen, das dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden und dem zu entnehmen sei, dass bei ihm keine Erwerbsunfähigkeit vorliege. Der Beschwerdeführer habe dazu eine Stellungnahme eingebracht. Es folgt dann in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides folgende Formulierung:
"Nunmehr übermitteln wir Ihnen die ergänzende Stellungnahme der Amtssachverständigen Dr. B vom 1. März 2000, mit der Feststellung, dass weiterhin keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt."
Es folgt in der weiteren Begründung des erstinstanzlichen Bescheides lediglich ein Hinweis auf einige Bestimmungen des § 4 PG 1965 und die Aussage, dass die Berechnung des Ruhegenusses auf Grund des Lebensalters des Beschwerdeführers, seiner Gesamtdienstzeit und der von ihm erreichten besoldungsrechtlichen Stellung erfolgt sei und aus der beiliegenden "Ruhegenussnachweisung", die einen Bestandteil des Bescheides bilde, ersichtlich sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er auf die Folgen seiner Krankheit und seine geistige Schwäche sowie die Notwendigkeit der Einnahme einer Reihe von Medikamenten hinwies; seine nächste Untersuchung, von der er einen Befund vorlegen werde, werde am 24. März 2000 erfolgen. Er sei außer Stande, einem Erwerb nachzugehen und somit erwerbsunfähig.
Nach Befassung der Amtssachverständigen bei der belangten Behörde erging der angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung abgewiesen wurde. Die angewendete Rechtsgrundlage wird unter Zitierung der jeweiligen Stammfassung der Gesetze mit der Beifügung "idgF" angegeben.
Zur Begründung wird nach Darstellung des Verfahrensablaufes lediglich ausgeführt:
"Wir haben diese Unterlagen der Amtssachverständigen des Personalamtes der Telekom Austria AG, Frau Dr. B zur neuerlichen Beurteilung übermittelt. Deren Ausführungen vom 11. Mai 2000 ist zu entnehmen, dass sich auch aus den von Ihnen beigebrachten Befundberichten keine Änderung in der Beurteilung Ihrer Erwerbsfähigkeit ergibt, zumal Ihnen darin sogar eine überdurchschnittliche Belastbarkeit sowie eine durchschnittliche Konzentrationsleistung attestiert wird. Eine Wiedereingliederung ins Berufsleben erscheint für eine soziale Reintegration förderlich und kann eine drohende Isolation und Aggravation der Depression hintanhalten.
Sie sind daher nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Absatz des Pensionsgesetzes 1965 und es war somit spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht sich nach seinem gesamten Vorbringen in seinem Recht wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG bzw. Abs. 7 dieser Bestimmung ohne Anwendung der Kürzungsregel nach § 4 Abs. 3 PG den Ruhegenuss bemessen zu erhalten sowie in seinem Recht auf Parteiengehör, Bescheidbegründung und Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes verletzt.
Nach § 4 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG), BGBl. Nr. 340, wird der Ruhegenuss auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bilden 80 v. H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges die Ruhegenussbemessungsgrundlage. Abs. 3 dieser Bestimmung in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, der am 1. Mai 1996 in Kraft getreten ist, lautet:
"(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 Prozent um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden."
Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 PG in der am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Fassung des Art. 4 Z. 1 des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, ausgegeben am 29. Dezember 1997, findet eine Kürzung nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.
Nach § 4 Abs. 7 leg. cit. in der obgenannten Fassung gilt ein Beamter nur dann als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z. 3, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245, mwH) ist die im Ruhestandsversetzungsverfahren in der Regel auf Grundlage ärztlicher Gutachten (siehe § 14 Abs. 4 BDG 1979; vgl. aber auch § 36 Abs. 1 PG) von der Aktivdienstbehörde zu beurteilende Rechtsfrage der Dienstfähigkeit mit der bei der Ruhegenussbemessung von der Pensionsbehörde zu beurteilenden Rechtsfrage der regelmäßigen Erwerbsfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG nicht ident. Der schon bisher im § 9 Abs. 1 PG verwendete Begriff der Erwerbsfähigkeit ist dabei der weitere und bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (d.h., es ist nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht, es muss sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist); es kommt aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (siehe die diesbezüglich vergleichbare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 PG 1965 bei Zach, Das Pensionsrecht, Band 3, Grenz-Verlag, insbesondere die Erkenntnisse vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150, vom 24. September 1997, Zl. 96/12/0214, oder vom 25. Februar 1998, Zl. 96/12/0340).
Die Erwerbsfähigkeit setzt jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 96/12/0353).
In dieser Hinsicht besteht zum Erwerbsunfähigkeitsbegriff iS des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG (anders als - wie vorher dargelegt - in Bezug auf die Zumutbarkeit eines Verweisungsberufes, der nur nach § 9 Abs. 1 PG zu prüfen ist) kein Unterschied.
Die Unterschiedlichkeit des Begriffsinhaltes "Dienstfähigkeit" im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 und "Erwerbsfähigkeit" nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG schließt nicht aus, dass medizinische Gutachten, die im Ruhestandsversetzungsverfahren herangezogen wurden, auch im Ruhegenussbemessungsverfahren zu berücksichtigen und die dort festgestellten Leidenszustände (sofern sie medizinisch hinreichend fundiert sind) bei der Beurteilung der für die Ruhegenussbemessung maßgebenden Frage der Erwerbsunfähigkeit miteinzubeziehen sind (vgl. das zu § 9 Abs. 1 PG ergangene hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 91/12/0025, das Aussagen zum Verhältnis zwischen Ruhestandsversetzungsverfahren und Zurechnungsverfahren enthält und in verfahrensrechtlicher Hinsicht wegen der Gemeinsamkeit der Erwerbsunfähigkeitsbegriffe im § 4 Abs. 4 Z. 3 PG und im § 9 Abs. 1 leg. cit. mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar ist). Für die Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen ist sowohl hinsichtlich der Dienstfähigkeit als auch der Erwerbsfähigkeit der Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beamten maßgebend.
Bei der Beurteilung der Fähigkeit, einen regelmäßigen Erwerb nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG ausüben zu können, können aber auch medizinische Aspekte maßgebend sein, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr (weil deren Erhebung beispielsweise für die Frage der Dienstunfähigkeit gar nicht notwendig war) entscheidend waren und für deren Geltendmachung der Beamte daher im Ruhestandsversetzungsverfahren (- im Gegensatz zum Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG - vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0180) gar keine Veranlassung hatte (vgl. zu einer ähnlichen Problematik bezüglich der Frage der Kausalität eines Dienstunfalles im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 98/12/0391). Hiezu erscheint - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu einer wortidenten Landesrechtslage in seinem Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 99/12/0152, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OGH und die diesbezüglichen Ausführungen von Teschner in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, Punkt 2.4.2 mit weiteren Hinweisen, zum Ausdruck gebracht hat - auch die Auseinandersetzung mit der Frage der Eingliederungsmöglichkeit eines frühpensionierten Beamten am Arbeitsmarkt im Hinblick auf bei ihm aus medizinischen Gründen notwendigerweise zu erwartende leidensbedingte "Krankenstände" bzw. medizinisch-objektivierte Schmerzzustände sowie sonstige (gesundheitliche) Behinderungen angezeigt.
Bei Auslegung des Begriffes der Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um eine Rechtsfrage. Nicht der ärztliche Sachverständige hat diese Frage zu beurteilen und Feststellungen zu treffen, sondern die zur Entscheidung berufene Behörde. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, der zur Entscheidung berufenen Behörde bei der Feststellung des Sachverhaltes die fachkundigen Grundlagen zu liefern, die eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Leidenszustand im Hinblick auf die abstrakte Eingliederungsmöglichkeit in den Arbeitsprozess ermöglichen.
Das im Beschwerdefall durchgeführte Verfahren wird den vorher dargestellten Anforderungen nicht gerecht.
Im gesamten Verfahren sind weder Feststellungen zum Gesundheits-/Leidenszustand des Beschwerdeführers noch zur Frage seiner abstrakten Eingliederungsmöglichkeit auf Grund seiner Behinderung in den Arbeitsprozess erfolgt. Ursache dafür ist offensichtlich, dass die belangte Behörde übereinstimmend mit der Behörde erster Instanz von der unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist, die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit sei eine dem ärztlichen Gutachter zukommende Aufgabe. Sie hat daher jegliche Auseinandersetzung mit der entscheidenden, von ihr auf Grund eines ordnungsgemäßen Dienstrechtsverfahrens, in dem sie auf Grund des § 8 Abs. 1 DVG auch verpflichtet gewesen wäre, die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen, zu lösenden Rechtsfrage unterlassen. Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Hinweis auf die ärztliche Beurteilung vom 11. Mai 2000, die nicht einmal dem Parteiengehör unterzogen worden ist, genügt keinesfalls.
Da die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung die notwendigen Feststellung zur entscheidenden Frage der Erwerbsunfähigkeit nicht getroffen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Zitierung der Rechtslage durch die Angabe: "idgF" nicht der nach § 59 Abs. 1 des nach § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG bestehenden Verpflichtung entspricht, sondern die Rechtsverfolgung durch eine solche Vorgangsweise erschwert wird.
Wien, am 17. Oktober 2001
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