Normen
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG 1997 §8;
FSG-GV 1997 §14 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG 1997 §8;
FSG-GV 1997 §14 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftigem Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Juni 1999 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Zeit von vier Monaten entzogen. Dieser Maßnahme lag eine vom Beschwerdeführer begangene Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 zugrunde. Der festgestellte Alkoholgehalt der Atemluft betrug 0,91 mg/l.
Mit rechtskräftigem Bescheid vom 23. Juni 1999 ordnete die Erstbehörde gemäß § 26 Abs. 8 FSG an, dass sich der Beschwerdeführer binnen acht Wochen einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen habe. Weiters wurde gemäß § 14 Abs. 2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV angeordnet, dass der Beschwerdeführer seine psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme nachzuweisen habe.
Der Beschwerdeführer unterzog sich am 14. Juli 1999 einer verkehrspsychologischen Untersuchung bei einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle, nach deren Stellungnahme vom 15. Juli 1999 er wegen Fehlens der ausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B derzeit nicht geeignet ist.
In seinem Gutachten vom 28. Juli 1999 vertrat der Amtsarzt der Erstbehörde - gestützt auf die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 15. Juli 1999 - die Auffassung, der Beschwerdeführer sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet.
Der Beschwerdeführer beantragte hierauf seine Vorladung zum Chefarzt der Erstbehörde. Dieser erklärte in seiner Stellungnahme vom 30. August 1999, dass eine chefärztliche Begutachtung zu keinem anderen Ergebnis (als das Gutachten vom 28. Juli 1999) kommen könne.
Mit Bescheid vom 3. September 1999 entzog die Erstbehörde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse B für die Dauer seiner gesundheitlichen Nichteignung.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen die Aussagekraft der verkehrspsychologischen Stellungnahme in Zweifel zog und auf seine langjährige Fahrpraxis hinwies.
In seinem Schriftsatz vom 29. September 1999 beantragte der Beschwerdeführer seine neuerliche ärztliche Untersuchung sowie die Einholung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme durch das Kuratorium für Verkehrssicherheit.
Die belangte Behörde beauftragte mit Schreiben vom 4. Oktober 1999 ihren ärztlichen Amtssachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B.
Über Auftrag des ärztlichen Amtssachverständigen der belangten Behörde vom 27. Oktober 1999 unterzog sich der Beschwerdeführer am 3. November 1999 einer verkehrspsychologischen Untersuchung bei der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit. Nach deren Stellungnahme vom 12. November 1999 ist der Beschwerdeführer "in Anbetracht der Gesamtbefundlage ... vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B derzeit nicht geeignet. In dieser Stellungnahme findet sich abschließend die Empfehlung, dass dem Beschwerdeführer ein völliger und langfristiger Verzicht auf Alkoholkonsum unter ärztlicher Kontrolle empfohlen werde. Begleitend sollten regelmäßig "Laborparameter (Leberwerte, MCV, evtl. CDT)" kontrolliert werden. Nach Ablauf von sechs bis acht Monaten wäre eine neuerliche verkehrspsychologische Untersuchung denkbar, um festzustellen, inwieweit sich die Eignungsvoraussetzungen verändert hätten.
Der ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde veranlasste weiters mit Schreiben vom 27. Oktober 1999 die nervenfachärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers durch die Universitätsklinik für Psychiatrie. Der Beschwerdeführer unterzog sich dieser Untersuchung am 13. Dezember 1999. In dem darüber erstellten Befund vom 26. Jänner 2000 wird u.a. ausgeführt, dass bezüglich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit testpsychologischerseits inhomogene Scores erhebbar gewesen seien, die im Zusammenhang mit der umfangreichen Fahrerfahrung hinsichtlich den Lenkens von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe 1 noch ausreichend erschienen. Zusammenfassend bestünden keine die Verkehrseignung absolut ausschließenden Gründe. Der Beschwerdeführer erscheine unter der Voraussetzung fortgeführter und nachgewiesener quartalsmäßiger nervenfachärztlicher Kontrollen sowie Laborverlaufskontrollen (Leberfunktionsparameter, MCV und eventuell CDT) aus nervenfachärztlicher Sicht zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Klasse B noch bedingt geeignet.
Am 18. Jänner 2000 unterzog sich der Beschwerdeführer einer Untersuchung beim ärztlichen Sachverständigen der belangten Behörde.
In seinem Gutachten vom 8. Februar 2000 kommt der ärztliche Amtssachverständige zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer auf ein Jahr "befristet geeignet" sei unter der Bedingung näher beschriebener Kontrolluntersuchungen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei "anamnestisch seit 5/99 alkoholabstinent". In der Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit folgte der Amtsarzt der Beurteilung durch die Universitätsklinik für Psychiatrie. Die Begründung enthält ferner den Hinweis, dass bei der verkehrspsychologischen Untersuchung vom 3. November 1999 in der Deliktanalyse eine Neigung zu anlassbezogenem erhöhtem Alkoholkonsum festgestellt worden sei.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2000 wies die belangte Behörde ihren ärztlichen Amtssachverständigen auf das Ergebnis der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 12. November 1999 hin und ersuchte um Klärung der divergierenden Angaben mit dem Hinweis auf § 14 Abs. 2 FSG-GV, wonach die psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen sei. Weiters wurde bemerkt, dass "der Befund des Psychiatrischen Krankenhauses" eine verkehrspsychologische Stellungnahme nicht ersetzen könne.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2000 retournierte die ärztliche Amtssachverständige den Akt der belangten Behörde mit der Bemerkung, der Beschwerdeführer habe die zur Gutachtenerstattung erforderliche verkehrspsychologische Stellungnahme bisher nicht beigebracht.
In seiner Stellungnahme vom 25. August 2000 führte der Beschwerdeführer aus, die widersprüchlichen verkehrspsychologischen Stellungnahmen seien vom Amtsarzt und durch die fachärztliche Begutachtung durch die Universitätsklinik für Psychiatrie widerlegt worden, weshalb er beantrage, seiner Berufung Folge zu geben.
Mit dem angefochtenen Bescheid forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides ein "amtsärztliches Endgutachten" gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 8 FSG beizubringen und gemäß § 3 FSG-GV die hiezu erforderlich erachtete verkehrspsychologische Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vorzulegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist dann, wenn zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich sind, das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen.
Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen.
Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm zufolge § 26 Abs. 5 FSG die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen.
Gemäß § 26 Abs. 8 FSG hat die Behörde bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z. 3 oder Abs. 2 begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.
Gemäß § 14 Abs. 2 FSG-GV haben Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.
Aus dem oben geschilderten Verfahrensverlauf ergibt sich, dass der Beschwerdeführer der mit dem rechtskräftigen Bescheid der Erstbehörde vom 23. Juni 1999 an ihn ergangenen Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens einschließlich der Vorlage der Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle nachgekommen ist. Die Erstbehörde hat demnach folgerichtig nicht eine Entziehung wegen Nichtbefolgung der bescheidmäßigen Aufforderung nach § 26 Abs. 5 FSG ins Auge gefasst, sondern aufgrund des ihr vorliegenden Gutachtens die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (§ 3 Abs. 1 Z. 3 FSG) geprüft und mit Bescheid vom 3. September 1999 die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Fehlens der gesundheitlichen Eignung ausgesprochen. Der Beschwerdeführer hat sich im Zuge des Berufungsverfahrens einer weiteren verkehrspsychologischen Untersuchung (am 3. November 1999), einer nervenfachärztlichen Untersuchung (am 13. Dezember 1999), bei der auch seine kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit geprüft wurde, und einer weiteren amtsärztlichen Untersuchung (am 18. Jänner 2000) unterzogen. Die diese Untersuchungen betreffenden Befunde bzw. Gutachten wurden der belangten Behörde vorgelegt.
Im Hinblick auf diese Umstände bestand im vorliegenden Fall kein Grund, dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 5 FSG mit Bescheid die Vorlage eines "amtsärztlichen Endgutachtens" aufzutragen. Diese Gesetzesstelle dient dazu, die notwendige Mitwirkung des Besitzers einer Lenkberechtigung im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung wegen gesundheitlicher Nichteignung zu sichern (vgl. dazu die zu § 75 Abs. 2 KFG 1967 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 17. Jänner 1989, Zl. 88/11/0180, und vom 24. September 1991, Zl. 91/11/0020). Der Mitwirkungspflicht in diesem Sinne ist der Beschwerdeführer nachgekommen, indem er sich den erforderlichen Untersuchungen unterzogen und nunmehr bereits zwei amtsärztliche Gutachten vorgelegt hat. Nach Vorliegen des amtsärztlichen Gutachtens hat die Behörde zu beurteilen, ob der Besitzer der Lenkberechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Erachtet sie das ihr vorliegende amtsärztliche Gutachten für unvollständig oder unschlüssig, hat sie den Amtsarzt zur Ergänzung der Begründung oder Aufklärung von Widersprüchen, nicht aber den Besitzer der Lenkberechtigung zur Vorlage eines amtsärztlichen "Endgutachtens" aufzufordern. Dies hat die belangte Behörde verkannt und damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Zur Klarstellung für das fortzusetzende Verfahren seien Folgendes bemerkt:
Der Aufforderung der belangten Behörde (vom 21. Februar 2000) an ihren ärztlichen Amtssachverständigen zur Aufklärung von Widersprüchen liegt - wie auch aus den Ausführungen in der Gegenschrift deutlich wird - die Auffassung zugrunde, § 14 Abs. 2 FSG-GV habe zur Folge, dass nur bei Vorliegen einer positiven verkehrspsychologischen Stellungnahme der ärztliche Amtssachverständige die gesundheitliche Eignung des Betreffenden annehmen dürfe. Diese Auffassung ist verfehlt, weil die genannte Verordnungsstelle unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 FSG eine solche Beweisregel nicht enthält. § 14 Abs. 2 FSG-GV bedeutet, dass unter den dort genannten Voraussetzungen eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen ist, deren Inhalt der Amtssachverständige - ebenso wie die sonstigen zur Erstattung des Gutachtens erforderlichen besonderen Befunde - bei der Erstellung seines Gutachtens gemäß § 8 Abs. 2 FSG im Rahmen der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen hat. Mit dem Inhalt der verkehrspsychologischen Stellungnahme hat sich der Amtssachverständige ebenso wie mit den sonstigen Befunden in der Begründung seines Gutachtens entsprechend auseinander zu setzen. Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde auch den - die Eignung des Beschwerdeführers nicht ausschließenden - nervenfachärztlichen Befund der Universitätsklinik für Psychiatrie, in dem auch die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt wurden, zu berücksichtigen hatte.
Da nach den oben dargestellten Erwägungen die Voraussetzungen für die Erlassung eines weiteren Aufforderungsbescheides gemäß § 26 Abs. 5 FSG nicht vorlagen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Februar 2001
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