VwGH 2000/06/0043

VwGH2000/06/004329.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der G in F, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. Februar 2000, Zl. Ve1-550-2778/1-3, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Fulpmes, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1998 §2 Abs1;
BauO Tir 1998 §2 Abs2;
BauO Tir 1998 §20 Abs1 lita;
BauO Tir 1998 §20 Abs2 litd;
BauRallg;
ROG Tir 1997 §41 Abs2;
BauO Tir 1998 §2 Abs1;
BauO Tir 1998 §2 Abs2;
BauO Tir 1998 §20 Abs1 lita;
BauO Tir 1998 §20 Abs2 litd;
BauRallg;
ROG Tir 1997 §41 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie der gleichfalls vorgelegten Berufung und Vorstellung und des Berufungsbescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Juli 1999 wurde das Bauansuchen der Beschwerdeführerin vom 28. April 1999 betreffend die Erteilung der Bewilligung für die Errichtung eines Heustadels auf dem näher angeführten Grundstück gemäß § 26 Abs. 3 lit. a Tir. Bauordnung 1998 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. September 1999 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung ist im Wesentlichen damit begründet, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur bezüglich des Erfordernisses einer Verbindung mit dem Boden zum Ausdruck gebracht habe, dass es nicht auf die faktische Ausführung oder auch nicht auf die rasche Demontagemöglichkeit der Anlage, sondern darauf ankomme, ob die Anlage bei werkgerechter Herstellung im Boden sturm- und kippsicher verankert sein müsse. Nicht erforderlich sei, dass die Verbindung eine feste sei, d.h., dass Fundamente vorhanden seien. Es genüge vielmehr, dass eine solide Verbindung mit dem Boden vorhanden sei. Entsprechend dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die von der Beschwerdeführerin errichtete Anlage als bauliche Anlage zu qualifizieren, da sie bei werkgerechter Herstellung sturm- und kippsicher sein müsse und es nicht darauf ankomme, ob sie möglicherweise mit einem Kran weggehoben werden könne und dass Fundamente vorhanden seien. Weiters stehe zweifelsfrei fest, dass insbesondere im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin selbst geschilderten schwierigen Geländeverhältnisse eine kipp- und sturmsichere Aufstellung der Anlage bautechnische Kenntnisse erfordere. Auf Grund der eingereichten Planunterlagen sei weiters davon auszugehen, dass es sich um ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 3 Tir. Bauordnung 1998 handle. Es liege auch das Kriterium der Berührung öffentlicher Interessen vor, da dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann zu bejahen sei, wenn bei mangelnder fachgerechter Ausführung einer baulichen Anlage die mögliche Beeinträchtigung vorübergehender Passanten durch die Einsturzgefahr zu befürchten sei. Zu dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass eine "Sonderfläche Schiübungswiese" im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. b Tir. Grundverkehrsgesetz wie eine Sonderfläche "Schipiste" als Baugrundstück zu qualifizieren sei, werde ausgeführt, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück unbestrittenermaßen als Sonderfläche Schiübungswiese gewidmet sei. Gemäß § 43 Abs. 2 Tir. Raumordnungsgesetz 1997 sei bei der Widmung von Sonderflächen der jeweilige besondere Verwendungszweck genau festzulegen. Auf Sonderflächen dürften nur Gebäude und sonstige Anlagen, die dem festgelegten Verwendungszweck entsprächen, samt den dazugehörigen Nebenanlagen, errichtet werden. Dass ein Heustadel nicht dem festgelegten Verwendungszweck "Schiübungswiese" entspreche, sei offenkundig. Es sei nicht zu prüfen gewesen, ob ein Heustadel den Schibetrieb behindern würde, sondern ob dieser eine bauliche Anlage darstelle, die dem Schibetrieb dienen könnte (wie beispielsweise Übungslifte).

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 3 lit. k Tir. Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15 (im Folgenden: TBO), gilt dieses Gesetz nicht für folgende bauliche

Anlagen:

"k) Heupillen, Hainzenhütten, Harpfen, Stanggerhütten und dergleichen sowie sonstige bauliche Anlagen im Rahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, wie Düngerstätten, Fahrsilos, nicht begehbare Folientunnels, ortsübliche Umzäunungen landwirtschaftlicher Flächen, Weidezäune und dergleichen; diese Ausnahmen gelten jedoch nur für im Freiland und auf Sonderflächen nach den §§ 44, 45 und 47 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 errichtete bauliche Anlagen".

Gemäß § 2 Abs. 1 TBO sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind. Gebäude sind gemäß § 2 Abs. 2 TBO überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Gemäß § 20 Abs. 1 lit. a TBO ist, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts Anderes ergibt, der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden bewilligungspflichtig.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin erfordere die Errichtung des verfahrensgegenständlichen Heustadels, der lediglich aus einer simplen Bretterkonstruktion bestehe, keine bautechnischen Kenntnisse. Wenn die belangte Behörde sich darauf berufe, dass das Gebäude kipp- und sturmsicher aufgestellt worden sei, handle es sich dabei lediglich um Hilfsmaßnahmen. Aus diesen Hilfsmaßnahmen sei zu ersehen, dass das Gebäude an sich keinesfalls sturm- und kippfest aufgestellt worden sei. Eine Verbindung mit dem Boden, wie sie vom Gesetz gefordert werde, sei nicht gegeben. Der Unterboden dieses Heustadels sei vielmehr mit Stehern befestigt und sei darauf der Heustadel errichtet worden. Von einer stabilen, kippsicheren Verbindung mit dem Boden könne daher keine Rede sein. Es liege daher keine bauliche Anlage im Sinne der TBO vor. Gegen die Annahme der belangten Behörde, es würden öffentliche Interessen berührt, da dritte Personen gefährdet würden, sei ins Treffen zu führen, dass der vorliegende Heustadel ausschließlich von den Eigentümern benützt werde.

Sofern die Beschwerdeführerin das Erfordernis von bautechnischen Kenntnissen zur Errichtung des vorliegenden Heustadels bezweifelt, ist darauf zu verweisen, dass nach der hg. Judikatur (vgl. die hg. Erkenntisse vom 21. Oktober 1993, Zl. 91/06/0066, und vom 2. Juli 1998, Zl. 98/06/0050, beide Erkenntnisse noch zu § 3 Abs. 1 Tir. BauO 1989 mit dem gleich lautenden Kriterium) das Kriterium der Notwendigkeit bautechnischer Kenntnisse auch dann angenommen werden muss, wenn eine Anlage zwar laienhaft gestaltet ist bzw. gestaltet werden soll, nach den Regeln der technischen Wissenschaften aber einer Ausführung unter Verwertung bautechnischer Kenntnisse bedürfte, wozu auch Kenntnisse auf dem Gebiete der Statik gehören, weil ansonsten der Wertungswiderspruch einträte, dass eine nicht ordnungsgemäß ausgeführte Anlage bewilligungsfrei bliebe, während eine ordnungsgemäß ausgeführte Anlage einer Bewilligung unterworfen wäre. Es kommt nach dieser Judikatur darauf an, ob die Errichtung der baulichen Anlage objektiv bautechnische Kenntnisse verlangt. Bei der Errichtung eines Heustadels (noch dazu an einem Hang) bedarf es schon im Hinblick auf die ohne Zweifel gebotene Standsicherheit einer solchen Anlage zu deren fachgerechten Herstellung bautechnischer Kenntnisse.

Weiters ist nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 11. Oktober 1990, Zl. 90/06/0147, zu dem diesbezüglich ebenfalls gleich lautenden § 3 Abs. 1 Tir. BauO 1989) eine Anlage auch dann "mit dem Erdboden verbunden", wenn sie nicht unmittelbar auf gewachsenem Grund steht, sondern auf andere Weise auch mittelbar mit diesem verbunden ist. Im vorliegenden Fall ist der Boden des Heustadels - wie in der Beschwerde beschrieben - mit in der Erde verankerten Stehern befestigt. Dies stellt eine Verbindung der Anlage mit dem Erdboden dar. Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass eine Verbindung mit dem Boden auch dann anzunehmen ist, wenn eine Anlage zwar so, wie sie ausgeführt wurde bzw. ausgeführt werden soll, keine Verbindung mit dem Boden hat, eine solche aber bei ordnungsgemäßer Ausführung, die insbesondere Standsicherheit gewährleisten muss, nach den Regeln der technischen Wissenschaften haben müsste.

Es waren daher keine Ermittlungen dazu erforderlich, wie die vorliegende Anlage tatsächlich errichtet wurde. Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht ersichtlich, warum das verfahrensgegenständliche Ermittlungsverfahren nicht ausreichend und damit nicht rechtmäßig gewesen sein sollte.

Weiters ist festzustellen, dass gemäß § 2 Abs. 1 TBO die Kriterien für das Vorliegen einer baulichen Anlage sind, dass die Anlage mit dem Erdboden verbunden ist und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind. Im Rahmen des Begriffes der baulichen Anlage im Sinne der TBO spielt die allfällige Berührung öffentlicher Interessen keine Rolle.

Wie sich dies aus der vorgelegten Berufung und der Vorstellung ergibt, bestreitet die Beschwerdeführerin erstmalig in der Beschwerde, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück als "Sonderfläche Schiübungswiese" gewidmet ist. Das Grundstück sei vielmehr seit 1998 als Freiland gewidmet. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass dieses erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgetragene Vorbringen unter das vom Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG im Falle eines mängelfreien Verfahrens abgeleitete Neuerungsverbot fällt. Vom Verwaltungsgerichtshof kann somit dieses erstmalige Vorbringen betreffend die Widmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes nicht mehr berücksichtigt werden. Abgesehen davon wird darauf hingewiesen, dass dem von der Beschwerdeführerin angeführten Beschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Oktober 1998 nach dem eigenen Vorbringen in der Beschwerde die aufsichtsbehördliche Genehmigung, derer eine Flächenwidmungsplanänderung bedarf, nicht erteilt wurde.

Sofern sich die Beschwerdeführerin auf § 1 Abs. 3 lit. k TBO beruft, genügt es, sie darauf hinzuweisen, dass diese Ausnahme für die in dieser Bestimmung angeführten baulichen Anlagen im Rahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nur dann zur Anwendung kommt, wenn das Grundstück als Freiland oder auf einer Sonderfläche nach den §§ 44, 45 und 47 gewidmet ist. Gemäß der im Verfahren von der Beschwerdeführerin nicht bekämpften Annahme der belangten Behörde ist das verfahrensgegenständliche Grundstück in dem verfahrensgegenständlichen Bereich als Sonderfläche "Schiübungswiese" gewidmet.

Sofern sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, dass die Widmung "Sonderfläche Schiübungswiese" nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid erst seit "18.1.1997" bestehe, der vorliegende Heustadel aber bereits im Jahre 1990 errichtet worden sei, wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei offensichtlich um einen Schreibfehler handelt (nämlich "1997" statt "1979"). Aus dem Berufungsbescheid vom 9. September 1999 ergibt sich, dass die verfahrensgegenständliche Widmung seit 18. Jänner 1979 besteht. Abgesehen davon ist das Bauansuchen im April 1999 bei der Baubehörde eingebracht worden und ist für die Baubehörden im Baubewilligungsverfahren jeweils die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblich, sofern nicht Übergangsbestimmungen Anderes bestimmen. Dass aber die Errichtung des verfahrensgegenständlichen Heustadels im Jahr 1990 bewilligungsfrei gewesen wäre, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Gemäß § 25 lit. a Tir. BauO 1989 war der Neubau von Gebäuden bewilligungspflichtig. Ein solcher Neubau lag im vorliegenden Fall vor.

Angemerkt wird abschließend, dass die Beschwerdeführerin selbst im Verfahren und in der Beschwerde nicht geltend gemacht hat, dass der vorliegende Heustadel unter die Kategorie eines ortsüblichen Stadels im Sinne des § 20 Abs. 2 lit. d TBO (bzw. § 41 Abs. 1 Tir. ROG) fällt, in welchem Falle u.a. die Errichtung gemäß § 20 Abs. 2 lit. d TBO bloß anzeigepflichtig wäre.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 29. Juni 2000

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