VfGH G357/2016 ua

VfGHG357/2016 ua8.6.2017

Zurückweisung von Parteianträgen mangels Antragslegitimation

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
StPO §55 Abs1, §252 Abs1
VfGG §62a Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
StPO §55 Abs1, §252 Abs1
VfGG §62a Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G357.2016

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Anträge

1. Mit dem zu G357/2016 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller

"1. die Bestimmung des §55 Abs1 2. Satz StPO mit der Wortfolge 'Soweit dies nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weshalb das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären' sowie

2. die Wortfolge 'Gutachten von Sachverständigen' in §252 Abs1 StPO und die Wortfolge 'und Befunde' in §252 Abs2 StPO"

als verfassungswidrig aufzuheben.

 

2. Mit dem zu G375/2016 protokollierten, ebenfalls auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gegründeten Antrag begehrt der Antragsteller

"1. §55 Abs1 und Abs2 StPO, insbesondere in der Wortfolge 'Soweit dies nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären' in §55 Abs1 Satz 1 StPO und in der Wortfolge 'das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu beweisen, oder' in §55 Abs2 Z2 StPO;

2. §101 Abs2 StPO, insbesondere in der Wortfolge 'Abgesehen von den in den §§149 Abs3 und 165 Abs2 vorgesehen Fällen hat die Staatsanwaltschaft gerichtliche Beweisaufnahmen zu beantragen, wenn an solchen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat und der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht' in §101 Abs2 Satz 2 StPO;

3. §104 Abs1 StPO in Verbindung mit §101 Abs3 StPO, insbesondere in der Wortfolge 'nach den dafür maßgebenden Bestimmungen' in §104 Abs1 StPO, sowie in der Wortfolge ',wobei für den Fall der Beweisaufnahme durch Sachverständige §55 mit der Maßgabe gilt, dass mangelhafte Begründung der Eignung, das Beweisthema zu klären, zur Unterlassung der Beweisaufnahme nur berechtigt, wenn der Antrag zur Verzögerung gestellt wurde' in §104 Abs1 Satz 1 StPO, sowie insbesondere die Wortfolge 'Bewilligt das Gericht eine Maßnahme, so entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Durchführung' in §101 Abs3 Satz 2 StPO;

4. §126 Abs5 StPO, in der Wortfolge 'binnen 14 Tagen', in der Wortfolge 'Zustellung (Abs3),' und in der Wortfolge 'auch die Bestellung im Rahmen gerichtlicher Beweisaufnahme verlangen und eine';

5. §222 Abs3 und 249 Abs3 StPO, insbesondere in der Wortfolge '; stützt sich die Anklageschrift auf Befund und Gutachten eines Sachverständigen, so kann der Gegenäußerung eine Stellungnahme samt Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen zur Begründung eines Beweisantrages nach Abs1 angeschlossen werden' sowie in der Wortfolge 'Diese darf den Verteidiger bei der Fragestellung unterstützen oder selbst Fragen zu Befund und Gutachten an den Sachverständigen richten.';

6. §252 Abs1 und 252 Abs2 StPO, insbesondere in der Wortfolge 'Gutachten von Sachverständigen' in §252 Abs1 StPO sowie in der Wortfolge 'und Befunde' in §252 Abs2 StPO;"

als verfassungswidrig aufzuheben.

 

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. Der im 1. Teil ("Allgemeines und Grundsätze des Verfahrens"), 3. Hauptstück ("Beschuldigter und Verteidiger"), 2. Abschnitt ("Der Beschuldigte") enthaltene §55 Strafprozeßordnung 1975 – StPO, BGBl 631/1975 idF BGBl I 19/2004 lautet:

"Beweisanträge

§55. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen. Im Antrag sind Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen. Soweit dies nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären.

(2) Unzulässige, unverwertbare und unmögliche Beweise sind nicht aufzunehmen. Im Übrigen darf eine Beweisaufnahme auf Antrag des Beschuldigten nur unterbleiben, wenn

1. das Beweisthema offenkundig oder für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist,

2. das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu beweisen, oder

3. das Beweisthema als erwiesen gelten kann.

(3) Im Ermittlungsverfahren kann die Aufnahme eines Beweises der Hauptverhandlung vorbehalten werden. Dies ist unzulässig, wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme geeignet sein kann, den Tatverdacht unmittelbar zu beseitigen, oder die Gefahr des Verlustes des Beweises einer erheblichen Tatsache besteht.

(4) Die Kriminalpolizei hat im Ermittlungsverfahren den beantragten Beweis aufzunehmen oder den Antrag mit Anlassbericht (§100 Abs2 Z2) der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Die Staatsanwaltschaft hat ihrerseits die Beweisaufnahme zu veranlassen oder den Beschuldigten zu verständigen, aus welchen Gründen sie unterbleibt."

2. Im 2. Teil ("Das Ermittlungsverfahren") finden sich im 7. Hauptstück ("Aufgaben und Befugnisse der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts"), 3. Abschnitt (" Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren") §101 StPO idF BGBl I 19/2004, 4. Abschnitt ("Gericht im Ermittlungsverfahren") §104 StPO idF BGBl I 71/2014, sowie im 8. Hauptstück ("Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme"), 3. Abschnitt ("Sachverständige und Dolmetscher, Leichenbeschau und Obduktion") §126 StPO idF BGBl I 112/2015:

"Aufgaben

§101. (1) Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und entscheidet über dessen Fortgang und Beendigung. Gegen ihren erklärten Willen darf ein Ermittlungsverfahren weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

(2) Die Staatsanwaltschaft stellt die erforderlichen Anträge bei Gericht, soweit ihre Anordnungen einer gerichtlichen Bewilligung bedürfen. Abgesehen von den in den §§149 Abs3 und 165 Abs2 vorgesehenen Fällen hat die Staatsanwaltschaft gerichtliche Beweisaufnahmen zu beantragen, wenn an solchen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat und der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.

(3) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anträge nach Abs2 zu begründen und sie dem Gericht samt den Akten zu übermitteln. Bewilligt das Gericht eine Maßnahme, so entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Durchführung. Wenn die Voraussetzungen, unter denen der Antrag bewilligt wurde, weggefallen sind oder sich derart geändert haben, dass die Durchführung rechtswidrig, unverhältnismäßig oder nicht mehr zweckmäßig wäre, hat die Staatsanwaltschaft von ihr abzusehen und das Gericht hievon zu verständigen.

(4) Die Staatsanwaltschaft prüft die Berichte der Kriminalpolizei und trifft die erforderlichen Anordnungen. Soweit dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann sie jederzeit weitere Ermittlungen und die Ausübung von Zwang durch die Kriminalpolizei anordnen."

"Gerichtliche Beweisaufnahme

§104. (1) Das Gericht hat die Tatrekonstruktion nach den Bestimmungen des §150 und die kontradiktorische Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten nach den Bestimmungen des §165 durchzuführen sowie in den Fällen der §§101 Abs2 und 126 Abs5 die beantragten Beweise nach den dafür maßgebenden Bestimmungen aufzunehmen, wobei für den Fall der Beweisaufnahme durch Sachverständige §55 mit der Maßgabe gilt, dass mangelhafte Begründung der Eignung, das Beweisthema zu klären, zur Unterlassung der Beweisaufnahme nur berechtigt, wenn der Antrag zur Verzögerung gestellt wurde. Das Gericht hat den Antrag mit Beschluss abzuweisen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für solche Beweisaufnahmen nicht vorliegen.

(2) Soweit sich im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme Umstände ergeben, die für die Beurteilung des Tatverdachts bedeutsam sind, kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag weitere Beweise selbst aufnehmen. Gleiches gilt, wenn dies erforderlich ist, um die Gefahr abzuwenden, dass ein Beweismittel für eine erhebliche Tatsache verloren geht. In diesen Fällen hat das Gericht die Staatsanwaltschaft von der Beweisaufnahme zu verständigen. Die Protokolle über die Beweisaufnahmen hat das Gericht der Staatsanwaltschaft unverzüglich zu übermitteln. Das Gericht kann die Staatsanwaltschaft auch auf die Notwendigkeit der Durchführung bestimmter weiterer Ermittlungen aufmerksam machen."

"Sachverständige und Dolmetscher

§126. […]

(3) Sachverständige sind von der Staatsanwaltschaft, für gerichtliche Ermittlungen oder Beweisaufnahmen (§§104, 105) und für das Hauptverfahren (§210 Abs2) jedoch vom Gericht zu bestellen. Werden Angehörige des wissenschaftlichen Personals einer Universitätseinheit als Sachverständige bestellt, so ist eine Ausfertigung des Auftrags auch dem Leiter der Einheit zuzustellen. Dem Beschuldigten ist eine Ausfertigung der Bestellung samt einer Information über seine Rechte nach Abs5 zuzustellen.

(4) Für Sachverständige und Dolmetscher gelten die Befangenheitsgründe des §47 Abs1 sinngemäß. Soweit sie befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht, sind sie von der Staatsanwaltschaft, im Fall einer Bestellung durch das Gericht von diesem, von Amts wegen oder auf Grund von Einwänden (Abs5) ihres Amtes zu entheben, bei Vorliegen eines Befangenheitsgrundes gemäß §47 Abs1 Z1 und 2 bei sonstiger Nichtigkeit. Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist.

(5) Im Ermittlungsverfahren hat der Beschuldigte das Recht, binnen 14 Tagen ab Zustellung (Abs3), Kenntnis eines Befangenheitsgrundes oder Vorliegen begründeter Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen einen Antrag auf dessen Enthebung zu stellen, er kann auch die Bestellung im Rahmen gerichtlicher Beweisaufnahme verlangen und eine andere, nach den Kriterien der Sachkunde (Abs2) besser qualifizierte Person zur Bestellung vorschlagen. Will die Staatsanwaltschaft dem Begehren auf Umbestellung keine Folge geben oder wurde gerichtliche Beweisaufnahme verlangt, so hat sie den Antrag unverzüglich samt einer Stellungnahme dem Gericht vorzulegen. Wurde der Sachverständige durch das Gericht bestellt, so entscheidet es über einen Antrag nach dem ersten Satz mit Beschluss."

3. Im 4. Teil ("Haupt- und Rechtsmittelverfahren"), 13. Hauptstück ("Vorbereitungen zur Hauptverhandlung") ist §222 StPO idF BGBl I 71/2014, im 14. Hauptstück ("Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Schöffengericht und Rechtsmittel gegen dessen Urteile"), I. ("Hauptverhandlung und Urteil") sind unter 5. ("Beweisverfahren") §249 StPO idF BGBl I 26/2016, und §252 StPO idF BGBl I 93/2007 enthalten:

"§222. (1) Beweise, die nicht bereits nach der Anklageschrift oder dem über den Einspruch ergangenen Beschluss aufzunehmen sind, sollen Beteiligte des Verfahrens so rechtzeitig beantragen (§55 Abs1), dass die Beweisaufnahme noch zum Termin der Hauptverhandlung vorgenommen werden kann. Der Antrag ist in so vielen Ausfertigungen einzubringen, dass jedem der Beteiligten eine Ausfertigung zugestellt werden kann.

(2) Ist dem Antrag stattzugeben, so hat der Vorsitzende die Liste der neuen Beweismittel samt jeweiligem Beweisthema den übrigen Beteiligten längstens drei Tage vor der Hauptverhandlung mitzuteilen. Im gegenteiligen Fall hat der Vorsitzende die Entscheidung über den Beweisantrag einer erneuten Antragstellung in der Hauptverhandlung vorzubehalten (§238) und davon den Antragsteller und die übrigen Beteiligten durch Zustellung einer Ausfertigung des Antrags (Abs1 letzter Satz) zu verständigen.

(3) Dem Verteidiger steht es auch frei, eine schriftliche Gegenäußerung (§244 Abs3) zur Anklageschrift einzubringen, in die er die Anträge gemäß Abs1 aufzunehmen hat. Für eine solche Gegenäußerung gilt Abs1; stützt sich die Anklageschrift auf Befund und Gutachten eines Sachverständigen, so kann der Gegenäußerung eine Stellungnahme samt Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen zur Begründung eines Beweisantrags nach Abs1 angeschlossen werden."

"§249. (1) Außer dem Vorsitzenden sind auch die übrigen Mitglieder des Schöffengerichts, die Beteiligten des Verfahrens und Opfer sowie deren Vertreter befugt, an jede zu vernehmende Person, nachdem sie das Wort hiezu vom Vorsitzenden erhalten haben, Fragen zu stellen. Bei großem Verfahrensumfang ist dies nach Tunlichkeit zu thematisch zusammenhängenden Abschnitten zu gewähren.

(2) Der Vorsitzende hat unzulässige Fragen zurückzuweisen; Fragen, die sonst unangemessen erscheinen, kann er untersagen.

(3) Der Angeklagte kann zur Befragung eines Sachverständigen eine Person mit besonderem Fachwissen beiziehen, der ein Sitz neben dem Verteidiger zu gestatten ist. Diese darf den Verteidiger bei der Fragestellung unterstützen oder selbst Fragen zu Befund und Gutachten an den Sachverständigen richten."

"

§252. (1) Protokolle über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen, Protokolle über die Aufnahme von Beweisen, Amtsvermerke und andere amtliche Schriftstücke, in denen Aussagen von Zeugen oder Mitbeschuldigten festgehalten worden sind, Gutachten von Sachverständigen sowie Ton- und Bildaufnahmen über die Vernehmung von Mitbeschuldigten oder Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nur in den folgenden Fällen verlesen oder vorgeführt werden.

1. wenn die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind; wenn ihr Aufenthalt unbekannt oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden konnte;

2. wenn die in der Hauptverhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früher abgelegten Aussagen abweichen;

2a. wenn Zeugen die Aussage berechtigt verweigern (§§156, 157 und 158) und die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Gelegenheit hatten, sich an einer gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen (§§165, 247);

3. wenn Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder wenn Mitangeklagte die Aussage verweigern; endlich

4. wenn über die Vorlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden sind.

(2) Amtsvermerke über einen Augenschein (§149 Abs2) und Befunde, gegen den Angeklagten früher ergangene Straferkenntnisse sowie Urkunden und Schriftstücke anderer Art, die für die Sache von Bedeutung sind, müssen vorgelesen werden.

(2a) Anstelle der Vorlesung oder Vorführung (Abs1 und 2) kann der Vorsitzende den erheblichen Inhalt der Aktenstücke vortragen, soweit die Beteiligten des Verfahrens zustimmen und die Aktenstücke sowohl allen Mitgliedern des Schöffengericht als auch den Beteiligten zugänglich sind.

(3) Nach jeder Vorlesung und jedem Vortrag (Abs2a) ist der Angeklagte zu befragen, ob er darüber etwas zu bemerken habe. Er kann dabei auch auf andere Teile der vorgetragenen Aktenstücke eingehen und die Vorlesung dieser oder anderer Aktenstücke verlangen, die für die Sache von Bedeutung sind.

(4) Die Bestimmungen des Abs1 dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Gegen den Antragsteller (und andere Beschuldigte) wurde von der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption zu Z 1 St 51/12s ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens der Untreue unter Ausnützung einer Amtsstellung als Beteiligter nach §§12 dritter Fall, 153 Abs1 und 3 zweiter Fall, 313 StGBgeführt, das nach der Aktenlage im Februar 2017 zufolge Einbringung der Anklageschrift in das Stadium der Hauptverhandlung getreten ist.

Während des umfangreichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens erhob der Antragsteller unter anderem mit Schriftsatz vom 8. April 2014 im Hinblick auf die seitens der Staatsanwaltschaft erfolgte Zurückstellung bzw. Nichtverwertung von Privatgutachten sowie wegen Verweigerung konkreter Fragestellungen an Sachverständige Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß §106 StPO. Der Einspruch wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 29. September 2016, Z317 HR 358/13v, teils (hinsichtlich des Unterbleibens der Behandlung vorgelegter Privatgutachten) mangels Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers zurückgewiesen, teils (hinsichtlich der Verweigerung der Befragung von Sachverständigen) abgewiesen. Dagegen brachte der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 13. Oktober 2016 Beschwerde sowie den vorliegenden, zu G357/2016 protokollierten Parteiantrag ein.

Davor, nämlich am 18. November 2015, stellte der Antragsteller ebenfalls im Ermittlungsverfahren unter Vorlage des bereits angeführten Antrages vom 8. April 2014 sowie mehrerer Privatgutachten den Antrag auf gerichtliche Beweisaufnahme zur Erwirkung der Befragung eines Sachverständigen gemäß §§104 Abs1, 126 Abs5 StPO. Diesen Antrag wies das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 13. Oktober 2016, Z 317 HR 358/13v, zurück, weil kein Fall des §126 Abs5 StPO vorliege. Auch dagegen erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016 Beschwerde und stellte am selben Tag den zu G375/2016 protokollierten Parteiantrag.

2. Zur Zulässigkeit brachte der Antragsteller hinsichtlich beider Anträge im Wesentlichen gleichlautend vor (Zitierung aus dem Antrag G357/2016 ohne die Hervorhebungen im Original):

"Gegenständlich ist nach Ansicht des Antragstellers unstrittig, dass präjudizielle Normen einer Gerichtsentscheidung erster Instanz in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Individual-Normenkontrollverfahren releviert werden dürfen und ein Parteienantrag auf Normenkontrolle grundsätzlich zulässig ist (in diesem Sinne auch VfGH G46/2015 vom 03.07.2015). Wird in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren von einem Gericht über eine Frage entschieden, die in einem allfälligen Hauptverfahren nicht mehr aufgerollt werden kann, ist bei verfassungskonformen Verständnis der Regelung des §62a VfGG schon aus Rechtschutzerwägungen von einer eigenständigen 'entschiedenen Rechtssache' und damit von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Parteienantrages auf Normenkontrolle auszugehen.

Diese Prozessvoraussetzung der 'entschiedenen Rechtssache' bedarf einer näheren Erörterung:

Gegenständlich geht es nach Ansicht der Rechtsvertretung des Antragstellers um 2 getrennte Fragenkomplexe, die auch der Spruch der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung widerspiegelt, nämlich um die Frage der Zulassung und Berücksichtigung von Privatgutachten im strafrechtlichen Ermittlungs- und Hauptverfahren einerseits sowie um die Beschneidung des Fragerechts der Verteidigung im Ermittlungsverfahren andererseits verbunden mit der Frage,

 ob diese Beschneidung in einem (allfälligen) späteren Hauptverfahren im Sinne des verfassungsrechtlichen Postulats der Waffengleichheit im Strafverfahren (Art6 Abs1 EMRK) und des wirksamen Fragerechts unter Bedingungen, die gleichermaßen für Belastungszeugen und Entlastungszeugen Gültigkeit haben (Art6 Abs3 litd EMRK), wieder 'aufgeholt' werden kann;

 insbesondere, ob diese Beschneidung in einem späteren Hauptverfahren wirksam (im Sinne einer Waffengleichheit) beseitigt und der damit verbundene massive Nachteil wieder 'wettgemacht' werden kann;

 allenfalls auch, ob unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten das Recht auf eine effektive Strafverteidigung verfassungsrechtlich bereits dahingehend geschützt ist, dass der Beschuldigte schon vor der Entscheidung über eine sogenannte 'Endantragstellung' (Anklageerhebung oder Einstellung) das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf eine wirksame Verteidigung durch Zulassung und Beantwortung der von der Verteidigung gestellten Fragen hat

 und dieses verfassungsgesetzlich garantierte Recht durch die (unter einem relevierten) Normen der österreichischen Strafprozessordnung verletzt wird.

a) Zur Nichtzulassung der Privatgutachten

Die StPO ist die einzige Verfahrensordnung des österreichischen Rechts, wo es zufolge der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Strafsachen (insbesondere zu den Bestimmungen der §§126, 252 Abs1 und 2, 254 Abs2, 281 Abs1 Z4 und §281 Abs1 Z5a StPO) verunmöglicht wird, ein Privatgutachten im Verfahren zu verwerten. Es herrscht zwar der Grundsatz der Unbeschränktheit und Unbeschränkbarkeit der Beweismittel. Privatgutachten sind aber – so die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes – weder Gutachten noch Urkunden noch Beweismittel anderer Art. 'Die Forderung nach einem Privatsachverständigen ist verfehlt' (RS 0115646, zuletzt 11 Os 52/15d; 11 Os 26/16g). Die Bedeutung sogenannter Privatsachverständiger liegt nach der Rechtsprechung allein in der persönlichen Information der Parteien und ihrer Vertreter. Demgemäß entbehre es einer gesetzlichen Grundlage, Privatgutachten zum Akt zu nehmen (OGH RS 0115646 unter Bezug auf die Bestimmung des §258 Abs1 StPO). Generell sei 'die Beiziehung eines Privatgutachters dem Gesetz fremd' (RS 0118421 mwN). Die Auswahl der Sachverständigen komme ausschließlich dem Staatsanwalt und dem Gericht zu. Generell sei die Verlesung eines Privatgutachtens gemäß §252 Abs1 StPO gegen den Widerspruch des Anklägers unzulässig (RS 0098277). Aufgabe eines Privatgutachtens sei nur, dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine über ihr eigenes Wissen und Können hinausgehende Information zu verschaffen und es ihnen dadurch leichter zu ermöglichen, sachdienliche Anträge oder Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu stellen. Eine Verlesung eines Privatgutachtens im Hauptverfahren sei eine 'Verkennung diese Zwecks' (OGH RS 0098139).

Aus alledem ergibt sich in Zusammenschau mit der Norm des §258 Abs1 StPO, wonach das Strafgericht im Hauptverfahren bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen hat, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist und Aktenstücke nur insoweit als Beweismittel dienen dürfen, als sie bei der Hauptverhandlung vorgelesen oder vom Vorsitzenden vorgetragen worden sind, dass eine Verlesung und Berücksichtigung eines Privatgutachtens bei der späteren Urteilsfindung nach dem Rechtsverständnis des Obersten Gerichtshofes ausgeschlossen ist und vom Verteidiger oder dem Angeklagten nicht durchgesetzt werden kann.

Aus der Sicht des Praktikers darf hinzugefügt werden: Vernünftige Staatsanwälte und aufgeschlossene Richter ignorieren in der Praxis gelegentlich den Auftrag des Obersten Gerichtshofes, Privatgutachten ignorieren zu sollen; ob diese Staatsanwälte oder Richter damit amtsmissbräuchlich vorgehen (weil sie nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes den Zweck von Privatgutachten verkennen) oder aber der zentralen Kernaufgabe jedes Staatsanwalts oder Richters entsprechen, sich mit allen Argumenten [auch jenen der Verteidigung] unvoreingenommen und unparteilich und dem Gebot der Erforschung der materiellen Wahrheit dienend auseinanderzusetzen, soll an dieser Stelle nicht näher erörtert werden; der Verteidiger des Antragstellers hatte vor kurzem den fast absurd anmutenden Fall der Beibringung von zwei Privatgutachten in einem Strafverfahren; eines wurde von der Staatsanwaltschaft 'angenommen' und die bereits fertige Mordanklage gegen eine Anklage wegen bloß schwerer Nötigung ausgetauscht, das andere Gutachten wurde von der Staatsanwaltschaft ebenso wie vom Gericht im Hauptverfahren zur Gänze – aber in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes – ignoriert).

Im Zusammenhang mit den Zulassungsvoraussetzungen eines Normprüfungs- Individualantrages kann demnach festgehalten werden, dass die angefochtene erstgerichtliche Entscheidung, mit der ein Einspruch wegen Rechtsverletzung (die darin begründet ist, dass alle 3 Privatgutachten der Verteidigung zurückgestellt wurden) zurückgewiesen und damit die Ignoranz ihres Inhaltes durch die WKStA gerichtlich gebilligt wurde, eine endgültige Entscheidung ist, die in einem allfälligen späteren Hauptverfahren nicht mehr aufgerollt werden kann, sodass insoweit der Rechtsweg ausgeschöpft und der gegenständliche Antrag zulässig ist. Die Praxis, dass Privatgutachten im weiteren Ermittlungsverfahren oder in einem späteren Hauptverfahren allenfalls doch noch zugelassen und 'faktisch berücksichtigt', allenfalls sogar nach §258 StPO verlesen und damit zum Urteilsbezugspunkt gemacht werden, kann daran nichts ändern, weil das verfassungsrechtlich garantierte, insbesondere durch Art6 Abs1 EMRK gewährleistete Recht auf eine wirksame Verteidigung nicht davon abhängen darf, wie 'liberal' oder 'aufgeschlossen' ein Staatsanwalt oder Richter im konkreten Einzelfalls ist.

[…]

b) Zur umfassenden Beschneidung des Fragerechts im Ermittlungsverfahren

Bestandteil der verfassungsrechtlich garantierten Beschuldigtenrechte ist insbesondere der Anspruch darauf, dass der Beschuldigte innerhalb angemessener Frist gehört wird und das Recht hat, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen erwirken darf, wie die der Belastungszeugen (Art6 Abs1 und Abs3 litb EMRK). Nach Art6 Abs3 litd EMRK darf das Fragerecht der Verteidigung nicht ohne sachlichen Grund entzogen werden, grundsätzlich dürfen alle der Aufklärung des Sachverhalts dienenden Fragen, die im Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Vorwurf stehen, gestellt werden.

Mit der vorliegenden generellen Nicht-Zulassung von Fragestellungen der Verteidigung (generell, konkret aber insbesondere bezogen auf Fragestellungen, die sich unmittelbar aus Privatgutachten ergeben), liegt bloß bei vordergründiger Betrachtung eine 'in erster Instanz entschiedene Rechtssache' im Sinne des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG bzw. §62a Abs1 VfGG (noch) nicht vor, weil der Antragsteller bzw. der Verteidiger in einem (allfälligen) Hauptverfahren das Fragerecht gegenüber dem Sachverständigen der WKStA grundsätzlich ausüben dürfen; dies allerdings mit folgenden (nach Ansicht des Antragstellers durchaus weitreichenden) Einschränkungen, die jedenfalls insoweit zu einer endgültigen Beschneidung des Fragerechts führen:

 Wenn der von der WKStA bestellte Sachverständige (dessen Gutachten im Gegensatz zu den Privatgutachten als Sachverständigengutachten im Sinne der StPO gilt) an der Hauptverhandlung nicht (mehr) teilnimmt, muss ein Sachverständigengutachten, welches bereits vor der Hauptverhandlung schriftlich erstattet wurde, in der Hauptverhandlung vorgetragen oder verlesen (OGH RS 0098177 – 7 Os 245/58, 11 Os 132/82) und damit auch urteilsmäßig verwertet werden (§258 Abs1 StPO).

 Der Befund des Sachverständigen der WKStA darf nach der Bestimmung des jedenfalls §252 Abs2 StPO verlesen werden (13 Os 44/96), ein Widerspruch der Verteidigung ist unbeachtlich.

 Befund und Gutachten des Sachverständigen der WKStA dürfen auch gegen den Widerspruch der Verteidigung nach §252 Abs1 Z1 StPO verlesen werden, wenn die Einvernahme des Sachverständigen innerhalb angemessener Zeit aus 'erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden' kann.

 Das Gutachten des Sachverständigen der WKStA darf auch gegen den Widerspruch der Verteidigung nach der Bestimmung des §252 Abs1 Z2 StPO dann verlesen und zum Urteilsinhalt gemacht werden, wenn der in der Hauptverhandlung befragte Sachverständige 'in wesentlichen Punkten von seiner früher abgelegten Aussage abweicht'.

 Bei Ausübung des Fragerechts gegenüber dem Sachverständigen der WK-StA in der Hauptverhandlung ist eine unmittelbarer Bezugnahme auf Befund und/oder Schlussfolgerungen der Privatgutachter nicht zulässig, weil die Privatgutachten nicht verlesen werden dürfen und sämtliche Schlussfolgerungen von Privatgutachten in jedem Fall prozessual unbeachtlich sind; dem Verteidiger sind bloß 'gezielte Fragestellungen an den Sachverständigen erlaubt, um auf dieser Basis allfällige Gutachtensmängel im Sinne der §§125, 126 StPO aufzuzeigen (OGH 13 Os 37/07a zu §281 Abs1 Z4 StPO).

 Gemäß §249 Abs3 StPO darf sich der Angeklagte zur Befragung eines Sachverständigen (erst) in der Hauptverhandlung einer 'Person mit besonderem Fachwissen' (so wird der Privatgutachter in der StPO genannt) beiziehen, dem ein Sitz neben dem Verteidiger zu gestatten ist. Dieser darf den Verteidiger bei der Fragestellung unterstützen (also dem Verteidiger Fragen ins Ohr flüstern) und mittlerweile auch selbst Fragen zu Befund und Gutachten an den Sachverständigen richten. Durch diese mündliche Konfrontationsmöglichkeit in der Hauptverhandlung kann ins-besondere im Wirtschaftsstrafverfahren der Übermacht der Position des vom Staatsanwalt bestellten Sachverständigen kaum jemals wirksam begegnet werden. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Im Wirtschaftsstrafprozess haben die Gutachten regelmäßig einen erheblichen, manchmal tausende Seiten umfassenden Umfang. Durch Fragestellungen können 'punktuelle Aufklärungen' erfolgen, durch mündliche Befragung kann es aber regelmäßig nicht gelingen, ein schriftliches Gutachten zu widerlegen oder Fehler von Befund und Gutachten soweit aufzuzeigen, dass ein weiterer Gutachter bestellt wird (selbst in diesem Fall ist das fehlerhafte Gutachten zu verlesen - §252 Abs1 StPO - und wird damit zum möglichen Urteilsinhalt zulasten des Beschuldigten). Dort wo es um die Beurteilung von umfangreicheren Schriftwerken in ihrem Gesamtzusammenhang geht (etwa Bilanzen) oder um kompliziertere versicherungs-mathematische Berechnungen, ist eine Sachaufklärung zu Gunsten des Beschuldigten/Angeklagten durch punktuelle Fragestellungen unmöglich.

Dem Rechtsvertreter des Antragstellers sei der Vergleich gestattet, dass es geradezu absurd wäre, annehmen zu wollen, dass die nach Art6 Abs1 EMRK gebotene Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung dadurch hergestellt würde, dass der Staatsanwalt Eröffnungsvortrag und Schlussplädoyer halten darf, dem Verteidiger aber dasselbe Recht verwehrt wird, sondern dieser bloß darauf verwiesen ist, punktuelle Rückfragen zu den Vorträgen der Anklagebehörde zu stellen. Genau diese Situation besteht allerdings im Bereich des Sachverständigenbeweises, dem im Wirtschaftsstrafprozess wichtigsten Beweismittel der Anklage.

 Die Regelung des §61 Abs2 StPO, wonach jener Beschuldigte, der andernfalls außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie (für deren Unterhalt er zu sorgen hat) zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts zu sorgen, einen Anspruch auf kostenfreie Verfahrenshilfeverteidigung hat, gilt weder für die in §249 Abs3 StPO genannte Person mit besonderem Fachwissen, noch für die 'Stellungnahme samt Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen' (so heißt das Privatgutachten in der Diktion der StPO), die einer Gegenäußerung zur Anklage beigeschlossen werden kann (§222 Abs3 StPO), sodass der Verteidiger von vornherein außerstande ist, dem Gutachter Fragen 'auf gleicher fachlicher Ebene' zu stellen. Eine Beschneidung des Fragerechts im Vorverfahren ist damit im Hinblick auf Sachverständigenfragen praktisch endgültig.

 Diese 'Stellungnahme samt Schlussfolgerungen einer Person mit besonderem Fachwissen' iSd §222 Abs3 StPO muss nicht verlesen werden (weil das Gesetz nur eine Befugnis zum Anschluss als Beilage postuliert) und darf nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Strafsachen auch nicht verlesen werden. Zynisch, aber zutreffend ausgedrückt hat die Novelle der zitierten Bestimmung durch BGBl I 2014/71 den einzigen Effekt gebracht, dass sich die Strafjustiz die Postgebühren für die Rücksendung des Gutachtens spart; eine Verlesung dieser Stellungnahme gemäß §258 Abs1 StPO und damit eine verpflichtende Verwertung im Urteil ist nach wie vor ausgeschlossen.

Jeder Beschuldigte hat schon im Ermittlungsverfahren – verfassungsmäßig durch Art6 Abs1 EMRK abgesichert – das einfachgesetzlich in §3 StPO geregelte Recht auf Objektivität, aus dem sich das subjektive Recht des Beschuldigten auf Einhaltung aller Bestimmungen der StPO, die für eine objektive und vollständige Aufklärung des Falles sorgen sollen, ableiten lässt. Hieraus ergibt sich nach Ansicht des Antragstellers auch das verfassungsmäßig garantierte Recht auf eine wirksame Verteidigung schon vor dem Zeitpunkt der sogenannten 'Endantragstellung' (also der Anklageerhebung oder der Einstellung des Verfahrens). Dazu gehört auch, dass der von er WKStA bestellte Sachverständige schon zu diesem Zeitpunkt wirksam mit Sachverständigenfragen konfrontiert werden darf, die dieser beantworten muss; dies jedenfalls insoweit, als diese Fragen nicht von vorneherein zur Aufklärung des strafrechtlichen Vorwurfes gänzlich ungeeignet sind oder ausschließlich zu Zwecken der Verfahrensverzögerung gestellt werden. Von alledem kann im Ausgangsverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien keine Rede sein.

Insgesamt – für die Frage der Zulässigkeit des Individualantrages auf Normprüfung – ist daher nach Ansicht des Antragstellers festzuhalten, dass die gänzliche Nichtzulassung der Verteidigerfragen im bisherigen Ermittlungsverfahren in den oben angeführten Fällen 'absolut wirkt' und dieser Nachteil im Hauptverfahren entweder gar nicht oder nur punktuell verbessert werden kann, sodass die von Art6 EMRK geforderte Waffengleichheit im strafrechtlichen Hauptverfahren niemals hergestellt ist.

Insoweit liegt demnach auch bei der Bestätigung der gänzlichen Beschneidung des Fragerechts der Verteidigung im Ermittlungsverfahren eine in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht endgültig entschiedene Sache vor, sodass der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG zulässig ist."

3. In der Sache behauptet der Antragsteller einen Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen Art6 Abs1 und Abs3 litd EMRK, Art7 B‑VG sowie Art18 B‑VG.

4. Die Bundesregierung hat zu beiden Anträgen eine Äußerung erstattet, in der sie jeweils die Zurückweisung, in eventu die Abweisung beantragt.

4.1. Zur Zulässigkeit des Antrags G357/2016 führt die Bundesregierung zusammengefasst aus, dass keine "in erster Instanz entschiedene Rechtssache" vorliege, weil die im Ermittlungsverfahren erfolglos gebliebenen Anträge vom Antragsteller als Angeklagter in der Hauptverhandlung erneut gestellt werden und im Fall der Verweigerung im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein kondemnierendes Urteil geltend gemacht werden könnten.

Hinsichtlich des angefochtenen §252 Abs1 und 2 StPO mangle es an der Präjudizialität, weil sich die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen nur in der Hauptverhandlung, nicht aber im Ermittlungsverfahren als denkmöglich erweise.

4.2. Diese Argumente wiederholt die Bundesregierung in ihrer Äußerung zum Antrag G375/2016; darüber hinaus wird vorgebracht, dass die insoweit angefochtenen Bestimmungen der §§222 Abs3 und 249 Abs3 StPO ebenfalls nur die Hauptverhandlung beträfen und im Ermittlungsverfahren nicht präjudiziell seien. Dies treffe auch auf den ausschließlich Anträge der Staatsanwaltschaft – und nicht des Beschuldigten – regelnden §101 Abs2 und 3 StPO zu.

Zudem habe der Antragsteller den Anfechtungsumfang zu eng gewählt, weil im Fall der Aufhebung des §55 Abs1 StPO unklar bleibe, welchen Anforderungen Anträge nach §§195 Abs2, 222 Abs1 und 238 Abs1 StPO entsprechen müssten. §100 Abs2 Z1 StPO stehe mit dem angefochtenen §101 Abs2 2. Satz StPO in untrennbarem Zusammenhang und sei daher mitanzufechten. Ebenso stehe §242 Abs2 StPO in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem bekämpften §252 Abs1 und 2 StPO.

Aus dem Antragsvorbringen ergebe sich überdies nicht, in welchem Verhältnis die jeweiligen Aufhebungsbegehren stünden. Es bleibe unklar, worauf der Hauptantrag gerichtet sei bzw. ob es sich bei den unter Verwendung des Wortes "insbesondere" gestellten Anträgen um Haupt- oder bloß um Eventualanträge handle. Dem Antrag mangle es daher auch an einem bestimmten Begehren iSd §15 Abs2 VfGG.

5. Der Antragsteller hat jeweils repliziert.

6. Das Landesgericht für Strafsachen Wien stellte eine Abschrift des Aktes in elektronischer Form zur Verfügung.

IV. Erwägungen

1. Die – in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – Anträge sind unzulässig:

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz (vgl. VfSlg 20.001/2015).

2.1. Die vorliegenden Anträge wurden aus Anlass von Beschwerden gegen Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gestellt, mit welchen jeweils im Stadium des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrenseinerseits ein Einspruch wegen Rechtsverletzung iZm dem Umgang mit Privatgutachten bzw. Sachverständigenfragen gemäß §106 StPO zurück- bzw. abgewiesen, andererseits ein Antrag auf gerichtliche Beweisaufnahme durch Zulassung bestimmter Fragen an gerichtliche Sachverständige gemäß §§104 Abs1, 126 Abs5 StPO zurückgewiesen wurde.

2.2. Im Hinblick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist (nur) dann vom Vorliegen einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache" und damit von der Zulässigkeit eines Parteiantrages auszugehen, wenn der betreffende Akt nicht (mehr) durch Rechtsmittel gegen das auf Grund einer Anklage im Hauptverfahren ergehende (kondemnierende) Urteil angefochten werden kann (VfSlg 20.001/2015; VfGH 7.10.2015, G372/2015; 22.9.2016, G176/2016; 5.12.2016, G236/2016). Ein solcher Fall ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der Beschuldigte bzw. Angeklagte die Möglichkeit hat, jenen Antrag, dem im Ermittlungsverfahren nicht stattgegeben wurde, während einer allfälligen Hauptverhandlung neuerlich zu stellen und die Verweigerung dieses Begehrens im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das kondemnierende Urteil geltend zu machen (vgl. VfGH 5.12.2016, G236/2016).

2.3. Im vorliegenden Anlassverfahren steht dem Antragsteller die Möglichkeit offen, in der Hauptverhandlung mittels Beweisantrages gemäß §238 StPO die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises zu begehren und damit die Beantwortung der von ihm für relevant erachteten (ergänzenden) Fragen durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen (auch unter Beiziehung eines Privatsachverständigen – §249 Abs3 StPO) zu erreichen. Wird über einen solchen Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers erkannt, kann dies – ebenso wie allfällige Verstöße gegen das Verlesungsverbot des §252 StPO – mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden (§281 Abs1 Z3 bzw. 4 StPO).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers bewirkt die Erfolglosigkeit im Ermittlungsverfahren seitens des Beschuldigten gestellter Beweisanträge keine "entschiedene Rechtssache" iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG; eine abschließende Klärung aller Beweisfragen vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens ist im Übrigen verfassungsrechtlich nicht geboten.

2.4. Dem Antragsteller fehlt es daher schon mangels Vorliegens einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache" iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG an der Antragslegitimation.

V. Ergebnis

1. Die vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Anträge sind mithin zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen. Dabei ist nicht zu untersuchen, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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