European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G258.2017
Spruch:
I. 1. Die Wortfolge "verschiedenen Geschlechtes" in §44 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr 946/1811, und im Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl I Nr 135/2009 idF BGBl I Nr 25/2015, die Wortfolgen "gleichgeschlechtlicher Paare" in §1, "gleichen Geschlechts" in §2 sowie die Ziffer 1 des §5 Abs1 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Im Übrigen wird das Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl I Nr 135/2009 idF BGBl I Nr 25/2015, nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin des zu E230-231/2016 beim Verfassungsgerichtshof protokollierten, auf Art144 B‑VG gestützten Beschwerdeverfahrens leben seit dem Jahr 2012 miteinander in eingetragener Partnerschaft und sind die Eltern des – in dieser Beziehung aufwachsenden – minderjährigen Drittbeschwerdeführers in diesem Verfahren. Ihren Anträgen unter anderem auf Zulassung zur Begründung einer Ehe gab der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 25. August 2015, den unter anderem dagegen erhobenen Beschwerden das Verwaltungsgericht Wien gemäß §44 des allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS 946/1811, keine Folge.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "verschiedenen Geschlechtes" in §44 ABGB, JGS 946/1811, und des EPG, BGBl I 135/2009 idF BGBl I 25/2015, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 12. Oktober 2017 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
3. Zur Zulässigkeit und zum Umfang des Gesetzesprüfungsverfahrens führte der Verfassungsgerichtshof Folgendes aus:
"2. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, dass das Verwaltungsgericht Wien bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung die in Prüfung gezogene Wortfolge des §44 ABGB angewendet hat (und es auch nicht denkunmöglich ist, dass diese Bestimmung bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts anzuwenden ist, vgl. VfSlg 5373/1966, 8318/1978, 8999/1980, 12.677/1991, 16.073/2001, 16.241/2001) und dass daher auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden hätte (vgl. VfSlg 19.682/2012).
3. Der Verfassungsgerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, dass die in der in §44 ABGB in Prüfung gezogenen Wortfolge zum Ausdruck kommende Voraussetzung der Verschiedengeschlechtlichkeit für den Zugang zur Ehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem EPG steht, das die Gleichgeschlechtlichkeit in den §§1, 2 und 5 Abs1 Z1 EPG für den Zugang zur eingetragenen Partnerschaft zur Voraussetzung hat. Denn würde der Gesetzgeber nur gleichgeschlechtlichen Personen die eingetragene Partnerschaft zugänglich machen, ließe sich daraus schließen, dass die Ehe verschiedengeschlechtlichen Personen vorbehalten sei. Würde der Verfassungsgerichtshof also, sollten die Bedenken zutreffen, nur die Beschränkung des Zugangs zur Ehe für verschiedengeschlechtliche Paare in §44 ABGB aufheben, wäre weiterhin eine solche aus der spiegel-gleichen Zugangsbeschränkung für gleichgeschlechtliche Paare hinsichtlich der eingetragenen Partnerschaft nach den §§1, 2 und 5 Abs1 Z1 EPG erschließbar. Für den Fall des Zutreffens der Bedenken dürfte eine Aufhebung des EPG zur Gänze deshalb geboten sein, weil durch eine punktuelle Aufhebung nur der zu der in §44 ABGB in Prüfung gezogenen spiegelgleichen Zugangsbeschränkung des EPG (also der Wortfolgen 'gleichgeschlechtlicher Paare' in §1 EPG, 'gleichen Geschlechts' in §2 EPG sowie der Ziffer 1 des §5 Abs1 EPG) der verbleibende Gesetzesteil insofern einen völlig veränderten Inhalt bekommen würde (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), als verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare jeweils eine Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft eingehen könnten. Eine allfällige Aufhebung des gesamten EPG dürfte daher – so die vorläufige Ansicht des Verfassungsgerichtshofes – gegenüber einer Aufhebung nur der Wortfolgen 'gleichgeschlechtlicher Paare' in §1 EPG, 'gleichen Geschlechts' in §2 EPG sowie der Ziffer 1 des §5 Abs1 EPG den geringeren Eingriff in die bestehende Rechtslage zur Beseitigung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit darstellen. Insoweit dürfte das gesamte EPG mit der in Prüfung gezogenen Wortfolge in §44 ABGB in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Im Gesetzesprüfungsverfahren wird zu klären sein, ob bei einer allfälligen Aufhebung des gesamten EPG in der Fassung BGBl I 25/2015 (womit der durch VfSlg 19.942/2014 aufgehobene, zufolge dieser Kundmachung außer Kraft getretene §8 Abs4 EPG nicht mit in Prüfung gezogen wird, was dem Verfassungsgerichtshof verwehrt ist, vgl. nur VfSlg 16.819/2003) die in BGBl I 59/2017 in Bezug auf das EPG getroffenen Anordnungen entweder als 'sinnentleerter Torso' in der Rechtsordnung verbleiben oder diese Novellierungsanordnungen wegen Wegfalls des gesamten EPG obsolet würden."
4. Seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, legte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"4.1. Nach §44 ABGB steht die Ehe nur zwei Personen verschiedenen Geschlechtes offen; für gleichgeschlechtliche Paare ist nach dem EPG die eingetragene Partnerschaft vorgesehen. Dieses Rechtsverständnis setzt das PStG voraus, soweit es an die Ehe oder an die eingetragene Partnerschaft anknüpft (vgl. VwGH 19.9.2013, 2011/01/0150; 29.10.2014, 2013/01/0022; 6.7.2016, Ro 2014/01/0018). Sowohl Ehe als auch eingetragene Partnerschaft sind dabei – entsprechend dem Partnerschaftsprinzip – als umfassende, dauerhafte Lebensgemeinschaft zweier gleichberechtigter Menschen konzipiert, die auf gegenseitigen Beistand sowie Rücksichtnahme angelegt ist (vgl. §§44, 89 ff. ABGB einerseits und §§2, 8 ff. EPG andererseits). Ehe und eingetragener Partnerschaft ist also gemein, dass sie einen rechtlichen Rahmen für das gleichberechtigte Zusammenleben von Paaren schaffen, indem sie auf Dauer angelegte stabile Verbindungen institutionalisieren (vgl. VfSlg 19.942/2014).
4.2. Inzwischen hat der Gesetzgeber – teils angestoßen durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes – die Rechtsstellung von Ehepartnern einerseits und eingetragenen Partnern andererseits in vielen Rechtsbereichen weitgehend angeglichen (zum Wohnrecht siehe §§12, 14 und 46 MRG, BGBl 520/1981 idF BGBl I 100/2014, iVm §43 Abs1 Z10 EPG; zum Arbeits- und Sozialversicherungsrecht siehe Mazal, Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte der eingetragene Partnerschaft, iFamZ2010, 99 ff., und zB das 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2013 [2. SVÄG 2013], BGBl I 139/2013; zum Steuerrecht siehe Hilber, Die eingetragene Partnerschaft im Steuerrecht, ecolex 2010, 288 ff.; zum Gewerberecht siehe §14 Abs3, §41 Abs1 Z2, §43, §65 GewO 1994, BGBl 194/1994 idF BGBl I 107/2017; zum Berufsrecht siehe §5 Abs2, §14 Abs2 Z1 ZTG, BGBl 156/1994 idF BGBl I 50/2016; zum Erbrecht siehe §§730, 744 ff. und 757 ff. ABGB; zu Änderungen im Ehe- bzw. eingetragene Partnerschaftsrecht im engeren Sinn siehe insbesondere die durch das Deregulierungs- und Anpassungsgesetz 2016 – Inneres, BGBl I 120/2016, vorgesehenen Änderungen im Namens- und Personenstandsrecht).
4.3. Die jüngere Rechtsentwicklung ermöglicht auch eine gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder (gemeinsam) adoptieren (vgl. insbesondere die §§191 und 197 ABGB) und – im Rahmen der zulässigen Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung – zur Welt bringen (vgl. §2 Abs1 iVm Abs2 Z3 Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl 275/1992 idF BGBl I 35/2015). Der Möglichkeit gemeinsamer Elternschaft entsprechend sind nach §43 Abs1 Z27 EPG die gemeinsame Kinder betreffenden ehe- und kindschaftsrechtlichen Bestimmungen, die die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sowie die Voraussetzungen und Folgen der Auflösung oder Scheidung der Ehe regeln, nunmehr auch auf eingetragene Partner bzw. deren Kinder anwendbar (vgl. ErläutRV 2403 BlgNR 24. GP , 6).
4.4. Unterschiede zwischen den beiden Rechtsinstituten Ehe und eingetragene Partnerschaft bestehen noch vereinzelt. Beispiele dafür bilden das unterschiedliche Mindestalter für das Eingehen einer Ehe und einer eingetragenen Partnerschaft (Möglichkeit ab 16 Jahren für ehemündig erklärt zu werden nach §1 Abs2 EheG; jedenfalls 18 Jahre nach §4 Abs1 EPG), ferner der Umstand, dass im EPG ein Verlöbnis nicht ausdrücklich vorgesehen ist (anders §§45 f. ABGB), und die Möglichkeit der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft bei seit drei Jahren aufgehobener häuslicher Gemeinschaft (§15 Abs3 EPG, statt sechs Jahren bei der Ehe). Einen weiteren Unterschied dürfte der geringere Unterhalt bei unverschuldeter und ungewollter Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mangels Übernahme von §69 Abs2 EheG (Ehegattenunterhalt bei Scheidung nach §55 EheG mit [Verschuldens-]Ausspruch nach §61 Abs3 EheG) darstellen. Anders als in §90 ABGB ist in §8 Abs2 EPG nicht von einer Verpflichtung zur Treue, sondern von einer Vertrauensbeziehung die Rede (zur Frage, ob sich die beiden Begriffe tatsächlich in ihrer Bedeutung voneinander unterscheiden, vgl. Beclin, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz im Lichte des Eherechts, EF-Z2010, 52 [53]).
5.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Dabei vermögen nur besonders schwerwiegende Gründe eine gesetzliche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, die an diskriminierungsverdächtigen Merkmalen anknüpft, wie sie in Art7 Abs1 Satz 2 B‑VG (oder auch in Art14 EMRK) genannt sind (vgl. VfSlg 19.942/2014, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu am Geschlecht und an der sexuellen Orientierung anknüpfenden gesetzlichen Differenzierungen).
5.2. Fraglos ist der Gesetzgeber bei Schaffung des EPG von der Auffassung ausgegangen, dass für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare deswegen unterschiedliche Rechtsinstitute (mit unterschiedlichen Rechtsfolgen für eine Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft) bestehen sollten, weil die Ehe – einem bestimmten traditionellen Verständnis folgend (und weil dieser Begriff 'tief verwurzelten sozialen und kulturellen Konnotationen' unterliegt, vgl. EGMR, 24.6.2010, Fall Schalk und Kopf, Appl. 30.141/04, Z[62]; VfSlg 19.492/2011) – (zumindest der Möglichkeit nach) auf die Elternschaft hin ausgerichtet ist und gleichgeschlechtlichen Paaren lange Zeit gerade keine gemeinsame Elternschaft möglich war (vgl. VfSlg 17.098/2003 sowie VfSlg 19.492/2011 und 19.682/2012).
Wie die weitere Rechtsentwicklung gezeigt hat, lässt sich diese Differenzierung nicht aufrechterhalten, ohne gleichgeschlechtliche Paare unzulässig im Hinblick auf ihre sexuelle Orientierung zu diskriminieren. So muss auch gleichgeschlechtlichen Paaren – im Wege der Adoption oder zulässigen Formen künstlicher Fortpflanzung – die Elternschaft ermöglicht werden (vgl. VfSlg 19.942/2014).
Dementsprechend dürfte nach der geltenden Rechtslage auf Grund der dargestellten Entwicklung (vgl. Punkt III.4.2. und III.4.3.) eine weitgehende rechtliche Gleichstellung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare bestehen. Die Institute der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft dürften einander inhaltlich in ihrer Ausgestaltung gleichen und die Ehepartner bzw. eingetragenen Partner auch in den maßgeblichen Rechtsbereichen weitgehend gleichgestellt sein (vgl. Leb, Ehe, Verlöbnis und eingetragene Partnerschaft, in: Deixler-Hübner [Hrsg.], Handbuch Familienrecht, 2015, 39 [63 ff.]; Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft12, 2016, 4).
5.3. Der Verfassungsgerichtshof geht vor diesem Hintergrund vorläufig davon aus, dass der Gesetzgeber Ehe und eingetragene Partnerschaft mit der Konsequenz separiert, aber im Wesentlichen gleich regelt, dass damit in vielfältigen Lebenskonstellationen sichtbar zum Ausdruck gebracht wird, dass zwar im Hinblick auf Rechtsbeziehung und Rechtsfolgen Vergleichbares, aber Ungleiches in unterschiedlichen Instituten erfasst wird: Vor dem Hintergrund einer bis in die jüngste Vergangenheit reichenden rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung von Personen gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung dürfte das Aufrechterhalten unterschiedlicher Rechtsinstitute, verbunden mit unterschiedlichen Bezeichnungen, für sonst in ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für den individuellen Menschen grundsätzlich gleiche Beziehungen in erster Linie einen diskriminatorischen Effekt haben, wie ihn Art7 Abs1 B‑VG als wesentlichsten Inhalt gerade verbietet. Mit dem unterschiedlichen Rechtsinstitut und der unterschiedlichen Bezeichnung dürfte öffentlich und für jede Person deutlich gemacht werden, dass die von der eingetragenen Partnerschaft erfasste personale Beziehung zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts etwas anderes – nach früherem Verständnis 'minderes' – ist als die Ehe zwischen Personen verschiedenen Geschlechts, obwohl beide Beziehungen intentional von den gleichen Werten getragen sind.
Selbst bei einer von den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen her völlig gleichen rechtlichen Ausgestaltung der beiden Rechtsinstitute dürfte die Beibehaltung der unterschiedlichen Bezeichnung zum Ausdruck bringen, dass Personen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes eben nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind. Dies dürfte sich auf den ersten Blick auch schon darin zeigen, dass durch die unterschiedliche Bezeichnung des Status ('verheiratet' versus 'verpartnert') Personen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft auch in Zusammenhängen, in denen die sexuelle Orientierung keinerlei Rolle spielt und spielen darf, diese offenlegen müssen und angesichts der historischen Entwicklung Gefahr laufen, diskriminiert zu werden."
5. Die Bundesregierung hat keine Äußerung erstattet.
6. Die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes anschließen.
II. Rechtslage
1. Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), JGS 946/1811 idF BGBl I 87/2015, lautet auszugsweise (die in Prüfung gezogene Wortfolge gilt idF JGS 946/1811):
"Erster Theil.
Von dem Personen-Rechte.
[…]
Zweytes Hauptstück.
Von dem Eherechte.
Begriff der Ehe,
§44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitigen Beystand zu leisten.
[…]
Persönliche Rechtswirkungen der Ehe
§89. Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Hauptstück nicht anderes bestimmt ist, gleich.
§90. (1) Die Ehegatten sind einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet.
(2) Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar, es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich und nicht anderes vereinbart ist.
(3) Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen. Soweit es die Umstände erfordern, vertritt er ihn auch in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens.
§91. (1) Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung, die Erwerbstätigkeit, die Leistung des Beistandes und die Obsorge, unter Rücksichtnahme aufeinander und auf das Wohl der Kinder mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten.
(2) Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein Ehegatte abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des Ehegatten, besonders sein Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, als gewichtiger anzusehen sind. In diesen Fällen haben sich die Ehegatten um ein Einvernehmen über die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen."
2. Das Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG), BGBl I 135/2009 idF BGBl I 25/2015, lautet auszugsweise:
"1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Geltungsbereich
§1. Dieses Bundesgesetz regelt die Begründung, die Wirkungen und die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (im Folgenden 'eingetragene Partnerschaft').
Wesen der eingetragenen Partnerschaft
§2. Eine eingetragene Partnerschaft können nur zwei Personen gleichen Geschlechts begründen (eingetragene Partner). Sie verbinden sich damit zu einer Lebensgemeinschaft auf Dauer mit gegenseitigen Rechten und Pflichten.
[…]
2. Abschnitt
Begründung der eingetragenen Partnerschaft
[…]
Begründungshindernisse
§5. (1) Eine eingetragene Partnerschaft darf nicht begründet werden
1. zwischen Personen verschiedenen Geschlechts;
[…]
3. Abschnitt
Wirkungen der eingetragenen Partnerschaft
[…]
Rechte und Pflichten
§8. (1) Die persönlichen Rechte und Pflichten der eingetragenen Partner im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gleich.
(2) Die eingetragenen Partner sind einander zur umfassenden partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft und Vertrauensbeziehung, besonders zum gemeinsamen Wohnen, zur anständigen Begegnung und zum Beistand, verpflichtet.
(3) Die eingetragenen Partner sollen ihre Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten. Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein eingetragener Partner abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des einen Partners als gewichtiger anzusehen sind.
[…]
5. Abschnitt
Nichtigkeit der eingetragenen Partnerschaft
§19. (1) Eine eingetragene Partnerschaft ist nur in den Fällen nichtig, in denen dies in den folgenden Absätzen bestimmt ist. […]
(2) Eine eingetragene Partnerschaft ist nichtig, wenn
1.-2. […]
3. ein eingetragener Partner zur Zeit ihrer Begründung mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder in gültiger eingetragener Partnerschaft lebte; […]."
III. Erwägungen
Zur Zulässigkeit
1. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität bzw. am untrennbaren Zusammenhang der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
In der Sache
2.1. Nach §44 ABGB steht die Ehe nur zwei Personen verschiedenen Geschlechts offen; für gleichgeschlechtliche Paare ist nach dem EPG die eingetragene Partnerschaft vorgesehen. Sowohl Ehe als auch eingetragene Partnerschaft sind dabei – entsprechend dem Partnerschaftsprinzip – als umfassende, dauerhafte Lebensgemeinschaft zweier gleichberechtigter Menschen konzipiert, die auf gegenseitigen Beistand sowie Rücksichtnahme angelegt ist (vgl. §§44, 89 ff. ABGB einerseits und §§2, 8 ff. EPG andererseits). Ehe und eingetragener Partnerschaft ist also gemein, dass sie einen rechtlichen Rahmen für das gleichberechtigte Zusammenleben von Paaren schaffen, indem sie auf Dauer angelegte stabile Verbindungen institutionalisieren (vgl. VfSlg 19.942/2014).
Wie sich aus den Materialien (Erläut. zur RV 485 BlgNR 24. GP , 3) und der Entstehungsgeschichte des EPG (dazu Benke, Zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft 2009: Weder Ehe noch Familie, EF-Z2010, 19 [19 ff.]; Gröger, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG), ÖJZ2010, 197 [197 f.]) ergibt, entschied sich der Gesetzgeber bei der Schaffung eines rechtlichen Rahmens für das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare für ein von der Ehe verschiedenes Modell, um diesen Paaren eine adäquate Rechtsstellung zu verschaffen. Nach ihren Wirkungen sollte die eingetragene Partnerschaft – so die Gesetzesmaterialien wörtlich – keine "Ehe light" oder "Schmalspurehe" darstellen (Erläut. zur RV 485 BlgNR 24. GP , 3). Inzwischen entsprechen Ehe und eingetragene Partnerschaft einander auch sowohl von der Ausgestaltung als auch den Rechtsfolgen her weitgehend – unbeschadet noch vereinzelt bestehender Unterschiede zwischen den beiden Rechtsinstituten (vgl. etwa das unterschiedliche Mindestalter für das Eingehen einer Ehe und einer eingetragenen Partnerschaft nach §1 Abs2 EheG und §4 Abs1 EPG).
Die jüngere Rechtsentwicklung ermöglicht insbesondere eine gemeinsame Elternschaft auch gleichgeschlechtlicher Paare: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder (gemeinsam) adoptieren (vgl. insbesondere die §§191 und 197 ABGB) und die zulässigen Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung gleichberechtigt nutzen (vgl. §2 Abs1 iVm Abs2 Z3 Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl 275/1992 idF BGBl I 35/2015). Der Möglichkeit gemeinsamer Elternschaft entsprechend sind nach §43 Abs1 Z27 EPG die gemeinsame Kinder betreffenden ehe- und kindschaftsrechtlichen Bestimmungen, die die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sowie die Voraussetzungen und Folgen der Auflösung oder Scheidung der Ehe regeln, nunmehr auch auf eingetragene Partner bzw. deren Kinder anwendbar (vgl. die Erläut. zur RV 2403 BlgNR 24. GP , 6).
2.2. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er Regelungen verbietet, die sachlich nicht begründbare Ungleichheiten vorsehen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Dabei vermögen nur besonders schwerwiegende Gründe eine gesetzliche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, die an diskriminierungsverdächtigen Merkmalen anknüpft, wie sie in Art7 Abs1 Satz 2 B‑VG enthalten sind (vgl. VfSlg 19.942/2014, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu am Geschlecht und an der sexuellen Orientierung anknüpfenden gesetzlichen Differenzierungen).
2.3. Bei der Schaffung des EPG hatte der Gesetzgeber zum Ziel, gleichgeschlechtlichen Paaren eine rechtliche Anerkennung ihrer Beziehung zu ermöglichen und so der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare entgegenzuwirken. Dass er für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare unterschiedliche Rechtsinstitute geschaffen hat, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ehe – einem bestimmten traditionellen Verständnis folgend (und weil dieser Begriff "tief verwurzelten sozialen und kulturellen Konnotationen" unterliegt, vgl. EGMR, 24.6.2010, Fall Schalk und Kopf, Appl. 30.141/04, Z[62]; VfSlg 19.492/2011) – zumindest der Möglichkeit nach auch auf Elternschaft hin ausgerichtet ist und gleichgeschlechtlichen Paaren lange Zeit gerade keine gemeinsame Elternschaft möglich war (vgl. VfSlg 17.098/2003 sowie VfSlg 19.492/2011 und 19.682/2012).
2.4. Diese Differenzierung in zwei Rechtsinstitute lässt sich heute nicht aufrechterhalten, ohne gleichgeschlechtliche Paare im Hinblick auf ihre sexuelle Orientierung zu diskriminieren. Indem der Gesetzgeber nach der geltenden Rechtslage Ehe und eingetragene Partnerschaft und folglich auch verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare dadurch separiert, dass er für die staatliche Anerkennung ihrer Verbindung verschiedene – wenn auch in den Rechtsfolgen im Wesentlichen gleich gestaltete – Institute vorsieht, kommt in vielfältigen Lebenskonstellationen sichtbar zum Ausdruck, dass zwar eingetragene Partnerschaft und Ehe im Hinblick auf Rechtsbeziehung und Rechtsfolgen vergleichbar sind, diese Institute aber an sich ungleiche Verbindungen erfassen.
2.5. Vor dem Hintergrund einer bis in die jüngste Vergangenheit reichenden rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung von Personen gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung (dazu VfSlg 19.492/2011) hat diese Trennung von Beziehungen, die in ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für den individuellen Menschen grundsätzlich gleich sind, in unterschiedliche Rechtsinstitute einen diskriminierenden Effekt, wie ihn Art7 Abs1 Satz 2 B‑VG als wesentlichsten Inhalt des Gleichheitsgrundsatzes gerade verbietet. Denn auf diese Weise wird aus der Perspektive gleichgeschlechtlicher Paare mit dem unterschiedlichen Rechtsinstitut öffentlich und für jede Person deutlich gemacht, dass die von der eingetragenen Partnerschaft erfasste Beziehung zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts etwas anderes ist als die Ehe zwischen Personen verschiedenen Geschlechts, obwohl beide Beziehungen intentional von den gleichen Werten getragen sind. Die Trennung in zwei Rechtsinstitute bringt somit – auch bei gleicher rechtlicher Ausgestaltung – zum Ausdruck, dass Personen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind. Die damit verursachte diskriminierende Wirkung zeigt sich darin, dass durch die unterschiedliche Bezeichnung des Familienstandes ("verheiratet" versus "in eingetragener Partnerschaft lebend") Personen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft auch in Zusammenhängen, in denen die sexuelle Orientierung keinerlei Rolle spielt und spielen darf, diese offen legen müssen und, insbesondere auch vor dem historischen Hintergrund, Gefahr laufen, diskriminiert zu werden. Vor solchen Wirkungen will Art7 Abs1 Satz 2 B‑VG in besonderer Weise schützen.
2.6. Die gesetzliche Trennung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Beziehungen in zwei unterschiedliche Rechtsinstitute verstößt damit gegen das Verbot des Gleichheitsgrundsatzes, Menschen auf Grund personaler Merkmale wie hier der sexuellen Orientierung zu diskriminieren.
3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 16.929/2003, 16.989/2003, 17.057/2003, 18.227/2007, 19.166/2010, 19.698/2012).
3.2. Zur Herstellung eines die aufgezeigte Verfassungswidrigkeit beseitigenden Rechtszustandes ist es erforderlich, es genügt aber auch, die Wortfolge "verschiedenen Geschlechtes" in §44 ABGB und die Wortfolgen "gleichgeschlechtlicher Paare" in §1 EPG, "gleichen Geschlechts" in §2 EPG sowie die Ziffer 1 des §5 Abs1 EPG als verfassungswidrig aufzuheben. Denn diese komplementären Zugangsbeschränkungen sind Teil eines gesetzes- bzw. rechtsinstitutsübergreifenden Systems im Partnerschaftsrecht, welches die Ehe verschiedengeschlechtlichen Paaren und die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehält. Würde nur die eine Zugangsbeschränkung beseitigt, ergäbe sie sich weiterhin aus der anderen (vgl. VfSlg 19.942/2014). Dass nach der Aufhebung verschieden- wie gleichgeschlechtlichen Paaren jeweils die Wahl zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft offen steht, stellt im Hinblick darauf, dass das EPG im Übrigen damit auch für bestehende eingetragene Partnerschaften als Rechtsrahmen in Geltung bleibt, keinen völlig veränderten Gesetzesinhalt im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dar.
IV. Ergebnis
1. Die Wortfolge "verschiedenen Geschlechtes" in §44 ABGB, JGS 946/1811, und im EPG, BGBl I 135/2009 idF BGBl I 25/2015, die Wortfolgen "gleichgeschlechtlicher Paare" in §1, "gleichen Geschlechts" in §2 sowie die Ziffer 1 des §5 Abs1 sind daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der darüber hinaus in Prüfung gezogenen Teile des EPG, ist auszusprechen, dass diese nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind.
3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B‑VG.
4. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.
5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)