VfGH G226/03

VfGHG226/0326.2.2004

Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen der Krnt Bauordnung 1996 betreffend die Parteistellung eines Betriebinhabers im Verfahren zur Bewilligung einer an den Betrieb heranrückenden Wohnbebauung; verfassungskonforme Auslegung ausgeschlossen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Krnt BauO 1996 §23 Abs2, Abs4
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Krnt BauO 1996 §23 Abs2, Abs4

 

Spruch:

§23 Abs2 litb und Abs4 der Kärntner Bauordnung 1996, Kundmachung der Landesregierung vom 2. Juli 1996, Zl. Verf-915/1/1996, mit der die Kärntner Bauordnung 1992 wiederverlautbart wird, LGBl. Nr. 62/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Landeshauptmann von Kärnten ist verpflichtet, diese Aufhebung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B203/01 ein Beschwerdeverfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der Bürgermeister der Marktgemeinde Arnoldstein erteilte mit Bescheid vom 29. März 2000 der Bauwerberin, einer Pflegeheim- und Sozialgebäude Errichtungs- und Verwertungsgesellschaft gemäß §§3, 6, 17 und 18 Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62, die Baubewilligung zur Errichtung eines Gesundheitspflegeheims auf den Grundstücken Nr. 300/5, 300/6, 300/7, 300/8, 300/11, 300/12 und 300/13, alle KG Arnoldstein. Mit Eingabe vom 5. April 2000 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft die Zuerkennung der Parteistellung im oben genannten Baubewilligungsverfahren. Die Grundstücke Nr. 256/2 und 305/306, KG Arnoldstein, auf welchen die beschwerdeführende Gesellschaft ein Sägewerk als gewerbebehördlich genehmigte Betriebsstätte betreibe, seien von den Baugrundstücken nur durch ein weiteres Grundstück und eine öffentliche Verkehrsfläche getrennt. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Arnoldstein wies mit Bescheid vom 8. Juni 2000 den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft als unbegründet ab. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde Arnoldstein mit Bescheid vom 5. Oktober 2000 als unbegründet abgewiesen.

Die Kärntner Landesregierung wies die Vorstellung mit Bescheid vom 22. Dezember 2000 als unbegründet ab. Sie führte aus, dass die Parteistellung des Inhabers einer Betriebsanlage nach §23 Abs2 litb Kärntner Bauordnung 1996, anders als die Parteistellung des Anrainers nach lita, nicht die Lage eines Grundstückes im Einflussbereich eines Bauvorhabens voraussetze, sondern lediglich daran anknüpfe, ob das Grundstück, auf dem sich eine Anlage befinde, an das Baugrundstück angrenze oder von diesem nur durch eine Verkehrsfläche getrennt sei. Zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der beschwerdeführenden Gesellschaft würden zwei weitere Liegenschaften und eine öffentliche Verkehrsfläche liegen. Demnach sei die Parteistellung als Inhaberin einer Betriebsanlage gemäß §23 Abs2 litb leg. cit. nicht gegeben. Auf den Einflussbereich des Vorhabens komme es dabei gar nicht an.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B203/01 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (Flächenwidmungsplan) und eines verfassungswidrigen Gesetzes (§23 Abs2 und 4 Kärntner Bauordnung 1996) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Die vom Landesgesetzgeber bestimmte unterschiedliche Behandlung von Anrainern gemäß §23 Abs2 lita und b leg. cit. und die vorgenommene Einschränkung der Parteistellung von Inhabern von Anlagen, deren Emissionen sehr weit reichend sein könnten, sei unsachlich. Die gesetzlichen Bestimmungen stünden insbesondere auch im Widerspruch zu den vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zur "heranrückenden Wohnbebauung" (VfSlg. 15.561/1999 mwH) aufgestellten Grundsätzen.

3. Die Kärntner Landesregierung legte im Anlassbeschwerdeverfahren die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Sie führt ua. aus, dass die Regelung bereits in §21 der Kärntner Bauordnung 1992, LGBl. Nr. 64/1992, idF der Novelle LGBl. Nr. 44/1996, welcher durch die Umnummerierung anlässlich der Wiederverlautbarung als Kärntner Bauordnung 1996 (Kundmachung LGBl. Nr. 62/1996) zu §23 der Kärntner Bauordnung 1996 geworden sei - somit vor der Erlassung des Erkenntnisses VfSlg. 15.561/1999 zur Kärntner Bauordnung 1992 - getroffen worden sei.

Wie aus den Erläuterungen hervorgehe, habe der Gesetzgeber beabsichtigt, "zur Vermeidung von Vollzugsproblemen und unter Berücksichtigung der Neuregelungen des Gemeindeplanungsgesetzes 1995, LGBl. Nr. 23" dem Inhaber einer bestehenden immissionsträchtigen Anlage im Baubewilligungsverfahren für eine (unmittelbar) "heranrückende Wohnbebauung" im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zwar ein Mitspracherecht einzuräumen. Dieses Mitspracherecht sollte jedoch im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur baubehördlichen Betriebstypenprüfung und um die Baubehörde nicht zur Durchführung eines "quasi-gewerbebehördlichen" Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens zur Feststellung der von einer bestehenden Anlage tatsächlich ausgehenden Emissionen zu verpflichten, auf die Widmungskonformität einer im (unmittelbaren) Nahebereich zu errichtenden Wohnbebauung beschränkt werden. Dadurch sollte diesem Anlageninhaber die Möglichkeit eröffnet werden, die Frage der Gesetzmäßigkeit der das unmittelbare "Heranrücken" einer Wohnbebauung zulassenden Flächenwidmung vor dem Verfassungsgerichtshof zu relevieren.

II. §23 der Kärntner Bauordnung 1996, Kundmachung der Landesregierung vom 2. Juli 1996, Zl. Verf-915/1/1996, mit der die Kärntner Bauordnung 1992 wiederverlautbart wird, LGBl. Nr. 62/1996, lautet (die hiermit aufgehobenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§23

Parteien, Einwendungen

(1) Parteien des Baubewilligungsverfahrens sind:

a) der Antragsteller;

b) der Grundeigentümer;

c) die Miteigentümer des Baugrundstückes, deren Zustimmung nach §10 Abs1 litb erforderlich ist;

d) der Eigentümer eines Superädifikates bei Bauführungen an diesem;

e) die Anrainer (Abs2).

(2) Anrainer sind:

a) die Eigentümer (Miteigentümer) der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke sowie

b) die Inhaber von Anlagen, insbesondere von gewerblichen Betriebsanlagen, sofern das Grundstück, auf dem sich die Anlage befindet, an das Baugrundstück angrenzt oder von diesem nur durch eine Verkehrsfläche getrennt ist, ausschließlich im Rahmen des Abs4.

(3) Anrainer im Sinn des Abs2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, daß sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über

a) die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;

b) die Bebauungsweise;

c) die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;

d) die Lage des Vorhabens;

e) die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;

f) die Bebauungshöhe;

g) die Brandsicherheit;

h) den Schutz der Gesundheit der Anrainer;

i) den Immissionsschutz der Anrainer.

(4) Anrainer im Sinn des Abs2 litb dürfen nur gegen die Erteilung der Baubewilligung für ein Vorhaben nach §6 lita auf bisher unbebauten Grundstücken Einwendungen im Sinn des Abs3 lita erheben.

(5) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde, bei Vorhaben nach §1 Abs2 litc und d auch durch Verlautbarung in der Kärntner Landeszeitung kundgemacht und wurden die Anrainer im Sinn des §16 Abs2 litd persönlich geladen, so bleiben im weiteren Verfahren über die Erteilung der Baubewilligung nur jene Anrainer Parteien, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinn des Abs3 und 4 erhoben haben.

(6) Anrainer, denen der Baubewilligungsbescheid nicht zugestellt wurde, dürfen nur bis zum Ablauf von drei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides dessen Zustellung beantragen oder Berufung erheben.

(7) Einwendungen der Parteien, deren Austragung dem Rechtsweg vorbehalten ist, hat die Behörde niederschriftlich festzuhalten. Auf die Entscheidung über den Antrag haben solche Einwendungen keinen Einfluß."

III. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 9. Oktober 2003 gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §23 Abs2 litb und Abs4 der Kärntner Bauordnung 1996, Kundmachung der Landesregierung vom 2. Juli 1996, Zl. Verf-915/1/1996, mit der die Kärntner Bauordnung 1992 wiederverlautbart wird, LGBl. Nr. 62/1996, vom Amts wegen zu prüfen.

2. In seinem Prüfungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides §23 Abs2 litb der Kärntner Bauordnung 1996 angewendet hat und dass daher auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde diese Bestimmung anzuwenden hätte.

Weiters ging er vorläufig davon aus, dass §23 Abs4 leg. cit. als Bestimmung über den Umfang der Parteirechte in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Anrainerbegriff des §23 Abs2 litb Kärntner Bauordnung 1996 steht.

3. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des §23 Abs2 litb und Abs4 der Kärntner Bauordnung 1996 sind folgende Bedenken entstanden:

"[...] Im Erkenntnis VfSlg. 10.844/1986 - zu §7 Abs1 Z1 lita des Salzburger Baupolizeigesetzes - knüpfte der Verfassungsgerichtshof an seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Regelung der Parteistellung durch den einfachen Gesetzgeber (VfSlg. 6664/1972 und 6808/1972) an und führte aus:

'Der Verfassungsgerichtshof vermag keine Verfassungsbestimmung zu finden, nach der es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, die Parteistellung für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren, in dem es (bloß) auf die Wahrung baurechtlicher Interessen - nicht aber sonstiger, in anderen, insbesondere im gewerberechtlichen Verfahren zu wahrender Belange - ankommt, auf Personen zu beschränken, bei denen nach einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise von einem Bauwerk selbst ausgehenden Gefahren durch eine Bauführung Nachbarinteressen betroffen werden. Wenn der Gesetzgeber unter diesem Gesichtspunkt die Parteistellung als Nachbar den Personen einräumt, deren Grundstücke von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als im §7 Abs1 Z1 lita festgelegt ist [Entfernung im Ausmaß der Höhen der Fronten bzw. jedenfalls bei einer Entfernung von weniger als 15 m], kann ihm ebenso wenig vorgeworfen werden, eine unsachliche Abgrenzung unter den als Nachbarn in Betracht kommenden Personen vorgenommen zu haben, wie es ihm unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes verwehrt wäre, im Hinblick auf die Besonderheiten der Gefährdungen bei Bauten mit erhöhten Anforderungen den Kreis der Personen, denen als Nachbarn Parteistellung zukommt, auszudehnen. Der Umstand, dass von den Bf. eine Regelung als rechtpolitisch wünschenswert erachtet wird, wonach bei Bauten mit erhöhten Anforderungen auch Eigentümern, deren Grundstücke von der Front des Baues weiter als 15 m entfernt sind, Parteistellung einzuräumen wäre [...], begründet keine Bedenken dahin, dass die geltende Bestimmung des §7 Abs1 Z1 lita BauPolG als eine gegen das Gleichheitsgebot verstoßende Regelung zu qualifizieren wäre.'

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Vorjudikatur stets im Einzelfall geprüft, ob die Differenzierung der Parteirechte in Bezug auf die Regelung wesentlich und andererseits im Hinblick auf die im jeweiligen Verwaltungsverfahren zu berücksichtigenden Interessen durch Unterschiede im Tatsächlichen begründet ist. In seinem Erkenntnis VfSlg. 10.844/1986 zu §7 Abs1 Z1 lita des Salzburger Baupolizeigesetzes hat der Verfassungsgerichtshof die Beschränkung der Parteistellung auf Grundeigentümer, deren Grundstücke in einer bestimmten Entfernung vom Grundstück des Bauwerbers gelegen sind, dann für sachlich angesehen, wenn diese Grundeigentümer nach einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst ausgehenden Gefahren durch eine Bauführung in ihren durch das Gesetz geschützten Interessen betroffen werden (vgl. 15.581/1999 zu §25 Abs2 letzter Satz TBO 1998). Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch im Erkenntnis Vfslg. 15.581/1999 ausgesprochen, dass dem Nachbarn mangels Anwendbarkeit der raumordnungsrechtlichen Vorschriften weder im Verfahren nach §364 Abs2 ABGB noch im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren die Möglichkeit offen steht, die allfällige Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplans geltend zu machen.

Der Verfassungsgerichtshof hat weiters in ständiger Judikatur (ausgehend von seinem grundlegenden Erkenntnis VfSlg. 12.468/1990 zu §6 Abs8 der Wiener Bauordnung, in VfSlg. 13.210/1992 zu §23 Abs2 OÖ Bauordnung, in VfSlg. 14.943/1997 zu §134 Abs3 und §134 a der Wiener Bauordnung und in VfSlg. 15.792/2000 zu §30 Abs4 TBO 1989) auch zu '21 Kärntner Bauordnung 1992 in VfSlg. 15.188/1998 erkannt, dass 'einer Vorschrift, die die Errichtung von Betrieben in Wohngebieten beschränkt, ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen [ist], der insbesondere die Qualität der Wohnverhältnisse sicherstellen will. Erfasst man die Regelung nach dem evidenten Zweck, so fehlte es an einer sachlichen Rechtfertigung für die Annahme, dass eine vom Gesetz verpönte schwerwiegende Beeinträchtigung ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, dass sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann.'

[...] Gemäß §23 Abs2 lita Kärntner Bauordnung 1996 haben einerseits die Eigentümer (Miteigentümer) der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im Einflussbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke als Anrainer Parteistellung, andererseits haben gemäß §23 Abs2 litb leg. cit. die Inhaber von Anlagen, insbesondere von gewerblichen Betriebsanlagen lediglich dann Anrainereigenschaft, wenn das Grundstück, auf dem sich die Anlage befindet, an das Baugrundstück angrenzt oder von diesem nur durch eine Verkehrsfläche getrennt ist. Anrainer im Sinn des Abs2 litb dürfen nur gegen die Erteilung der Baubewilligung für ein Vorhaben nach §6 lita (die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen) auf bisher unbebauten Grundstücken Einwendungen im Sinn des Abs3 lita erheben (die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes betreffend).

[...] Die Neuregelung der Parteistellung erfolgte durch die Novelle zur Kärntner Bauordnung 1992, LGBl. Nr. 44/1996; die Bestimmungen des §23 Abs2 litb, Abs3 lita und Abs4 dienten laut den Erläuternden Bemerkungen, zit. in Hauer, Kärntner Baurecht,

3. Auflage, 'zum Schutz von Anlageninhabern vor 'heranrückender Wohnbebauung'' und sollten der unterschiedlichen Judikaturlinie der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zur Rechtsstellung des Inhabers einer immissionsträchtigen Anlage im Verfahren zur Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung benachbarter Wohngebäude Rechnung tragen [vgl. VwGH, Z. 82/05/0093 vom 18. September 1984, Z. 92/05/0208 vom 19. Jänner 1993 und Z. 92/06/0192 vom 9. März 1993]. Der Gesetzgeber dürfte dabei möglicherweise zwischen dem Inhaber einer Anlage, dem Parteistellung gemäß §23 Abs2 litb Kärntner Bauordnung 1996 zukommt und dem Eigentümer des Grundstückes, auf dem eine Anlage besteht und dem Parteistellung nach §23 Abs2 lita zukommen dürfte, unterschieden haben. Der Gesetzgeber scheint die Absicht verfolgt zu haben, das Mitspracherecht des Nachbarn im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes 'zur baubehördlichen Betriebstypenprüfung' zu beschränken und ein von der Baubehörde durchzuführendes 'quasi-gewerbebehördliches Betriebsanlagenverfahren' zur Feststellung der von einer bestehenden Anlage tatsächlich ausgehenden Emissionen und deren Auswirkungen zu vermeiden. Dem Anlageninhaber sollte lediglich die Möglichkeit eingeräumt werden, die Frage der Gesetzmäßigkeit einer möglicherweise mit Gewerbe- oder Industriegebiet konfligierenden Wohngebietswidmung eines angrenzenden (oder lediglich durch eine Verkehrsfläche getrennten) Grundstückes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

[...] Der Verfassungsgerichtshof hegt vorläufig das Bedenken, dass die Regelung des §23 Abs2 litb iVm Abs4 Kärntner Bauordnung 1996 gleichheitswidrig ist.

In seiner ständigen, von dem grundlegenden Erkenntnis VfSlg. 12.468/1990 zu §6 Abs8 der Wiener Bauordnung ausgehenden, Judikatur hat der Gerichtshof anlässlich der Errichtung einer Wohnhausanlage in der Nähe eines bestehenden Betriebes festgestellt, dass es keine sachliche Rechtfertigung für die Annahme gebe, 'dass eine vom Gesetz verpönte schwerwiegende Beeinträchtigung ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, dass sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann.'

Es dürfte unsachlich sein, dem Betriebsinhaber die Parteistellung im Verfahren zur Bewilligung einer an den Betrieb heranrückenden Wohnbebauung nur dann einzuräumen, wenn sein Grundstück an jenes des Bauwerbers angrenzt oder von diesem nur durch eine Verkehrsfläche getrennt ist. Diese Regelung scheint nämlich zu bewirken, dass der Betriebsinhaber die Gesetzwidrigkeit einer Flächenwidmung nicht geltend machen kann, die - im Widerspruch zu den raumordnungsrechtlichen Vorschriften - Wohnbauten in geringer Entfernung zu Betriebsanlagen mit erheblichen Emissionen zulässt; und zwar auch in jenen Fällen, in denen die Betriebsanlage in einem solchen räumlichen Naheverhältnis zu einem geplanten Wohnbau liegt, dass der Betriebsinhaber im Falle der Errichtung des Wohngebäudes mit - die Emissionen des Betriebes beschränkenden - Auflagen durch die Gewerbebehörde zu rechnen hätte.

Eine verfassungskonforme Auslegung des §23 Abs2 lita Kärntner Bauordnung 1996 etwa in dem Sinne, dass er auch für den Eigentümer eines Grundstückes anwendbar ist, auf dem sich eine Betriebsanlage befindet und der sich gegen eine heranrückende Wohnbebauung zu Wehr setzen will, dürfte im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung des Falls der 'heranrückenden Wohnbebauung' durch den Kärntner Baurechtsgesetzgeber ausgeschlossen sein."

4. Die Kärntner Landesregierung verzichtete im Gesetzesprüfungsverfahren auf die Erstattung einer Äußerung.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde §23 Abs2 litb der Kärntner Bauordnung 1996, Kundmachung der Landesregierung vom 2. Juli 1996, Zl. Verf-915/1/1996, mit der die Kärntner Bauordnung 1992 wiederverlautbart wird, LGBl. Nr. 62/1996, anzuwenden hat, haben sich als zutreffend erwiesen.

§23 Abs4 leg. cit. als Bestimmung über den Umfang der Parteirechte steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Anrainerbegriff des §23 Abs2 litb Kärntner Bauordnung 1996 (vgl. zu §25 Abs2 erster Satz TBO 1998 VfSlg. 16.040/2000).

2. Auch die vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Bestimmungen treffen zu:

Die Kärntner Landesregierung ist den im Prüfungsbeschluss enthaltenen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht entgegengetreten.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt dabei, dass die Regelung des §23 Abs2 litb iVm Abs4 Kärntner Bauordnung 1996 gleichheitswidrig ist. Denn diese Regelung bewirkt, dass der Betriebsinhaber die Gesetzwidrigkeit einer Flächenwidmung nicht geltend machen kann, die - im Widerspruch zu den raumordnungsrechtlichen Vorschriften - Wohnbauten in geringer Entfernung zu Betriebsanlagen mit erheblichen Emissionen zulässt; und zwar auch in jenen Fällen, in denen die Betriebsanlage in einem solchen räumlichen Naheverhältnis zu einem geplanten Wohnbau liegt, dass der Betriebsinhaber im Falle der Errichtung des Wohngebäudes mit - die Emissionen des Betriebes beschränkenden - Auflagen durch die Gewerbebehörde zu rechnen hätte. Eine verfassungskonforme Auslegung des §23 Abs2 lita Kärntner Bauordnung 1996 etwa in dem Sinne, dass er auch für den Eigentümer eines Grundstückes anwendbar ist, auf dem sich eine Betriebsanlage befindet und der sich gegen eine heranrückende Wohnbebauung zu Wehr setzen will, ist im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung des Falls der "heranrückenden Wohnbebauung" durch den Kärntner Baurechtsgesetzgeber ausgeschlossen.

Aus diesem Grund waren §23 Abs2 litb und Abs4 der Kärntner Bauordnung 1996 als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Von der Bestimmung einer Frist gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen war Abstand zu nehmen, weil die mit dem grundlegenden Erkenntnis zur Wiener Bauordnung VfSlg. 12.468/1990 beginnende Judikatur zur "heranrückenden Wohnbebauung" nun auf die durch die Aufhebung bereinigte Rechtslage der Parteistellung im §23 der Kärntner Bauordnung 1996 übertragbar ist.

4. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Kärnten zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung ergibt sich aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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