VfGH B262/87

VfGHB262/8724.9.1987

Schreiben des Bundeskanzlers - Rechtsbelehrung

in Form einer schlichten Mitteilung; kein Bescheid; Zurückweisung mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes

Normen

B-VG Art144 Abs1
B-VG Art144 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1.1. Ein namens des Bundeskanzlers gefertigtes, an "Das Grüne Büro" in Wien adressiertes Schreiben vom 9. Feber 1987, GZ 601.004/1-V/4/86, hat folgenden Wortlaut:

"Ihr an das BKA gerichtetes Schreiben vom 19. Dezember 1986 betreffend die Zuerkennung von Zuwendungen gemäß §2 Abs2 litc des Parteiengesetzes, BGBl. Nr. 404/1975, zuletzt geändert durch das BG BGBl. Nr. 538/1984, für das Finanzjahr 1986 gibt Anlaß zu folgenden Bemerkungen:

Die zitierte gesetzliche Bestimmung sieht Zuwendungen an 'politische Parteien' vor, 'die im Nationalrat nicht vertreten sind, die aber bei einer Wahl zum Nationalrat mehr als 1 v.H. der gültigen Stimmen erhalten haben'. Demgegenüber ist auf politische Parteien, die infolge des Ergebnisses einer Nationalratswahl im Nationalrat vertreten sind, ausschließlich §2 Abs2 lita und b in Verbindung mit §3 Abs3 leg.cit. anzuwenden. Das Ergebnis dieser Wortinterpretation wird auch durch die aus den einschlägigen Materialien (vgl. Bericht des Verfassungsausschusses, 1680 BlgNR XIII.GP, Seite 2) hervorleuchtende Absicht des historischen Gesetzgebers unmißverständlich bestätigt:

Es 'soll aber nicht nur die Öffentlichkeitsarbeit von im Nationalrat vertretenen, sondern auch von anderen politischen Parteien gefördert werden, soweit diese auf Grund ihrer Wählerschaft im Rahmen der politischen Willensbildung eine tatsächliche Funktion erfüllen.

In den Jahren, in denen Nationalratswahlen stattfinden, sollen daher auch alle jene Parteien, die mindestens 1 v.H. aller in der betreffenden Nationalratswahl abgegebenen Stimmen erreicht haben, ohne ein Grundmandat zu erreichen, den Anspruch erhalten, bei der Verteilung der nach Abzug der Sockelbeträge verbleibenden Mittel wie eine im Nationalrat vertretene politische Partei behandelt zu werden. Die Tatsache, daß diese Parteien kein Grundmandat erreichen und daher keine den Parlamentsparteien vergleichbare regelmäßige Tätigkeit und Wählerbetreuung entfalten, rechtfertigt die Differenzierung zu den Parlamentsparteien.'

Der Verfassungsdienst meint, daß sich an dieser (hinsichtlich ein und derselben Partei zwangsläufig gegebenen) Exklusivität der Regelungen des §2 Abs2 lita und b des Parteiengesetzes einerseits und des §2 Abs2 litc leg.cit. andererseits auch angesichts des §3 Abs3 leg.cit. nichts ändert, und zwar selbst dann nicht, wenn diese Bestimmung im Einzelfall dazu führen sollte, daß eine politische Partei, die sich bei einer Nationalratswahl (erstmals) erfolgreich um Mandate beworben hat, im Hinblick auf diese Bestimmung für das Jahr der Wahl von Zuwendungen der in Rede stehenden Art ausgeschlossen bliebe.

Hinsichtlich Ihres Schreibens vom 19. Dezember 1986 betreffend die Zuerkennung von Zuwendungen gemäß §2 Abs2 lita und b des Parteiengesetzes für das Finanzjahr 1987 wird mitgeteilt, daß dieses Begehren gemeinsam mit jenen der anderen im Nationalrat vertretenen politischen Parteien behandelt werden wird, und zwar so rechtzeitig, daß dem Gesetzesauftrag des §3 Abs2 iVm Abs3 des Parteiengesetzes entsprochen wird."

1.2.1. Dagegen ergriff "Die Grüne Alternative (Grüne)" Beschwerde an den VfGH gemäß Art144 (Abs1) B-VG, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG), hilfsweise die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen BG (§2 Abs2 Parteiengesetz, BGBl. 404/1975, idF der Nov. BGBl. 538/1984) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes begehrt wird.

1.2.2. Der Bundeskanzler als bel. Beh. legte die Administrativakten vor und erstattete eine Gegenschrift, worin er für die Zurückweisung, allenfalls für die Abweisung der Beschwerde eintrat.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Das angefochtene Schreiben erging nicht in der äußeren Form eines Bescheides; es ist nämlich weder mit "Bescheid" überschrieben noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert. Nun ist zwar auch eine formlose Erledigung als Bescheid anzusehen, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Inhalt eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, also für den Einzelfall Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (s. zum Bescheidbegriff iS des Art144 B-VG: zB VfSlg. 6187/1970; s. auch VfSlg. 7202/1973, 7436/1974, 8560/1979, 9247/1981; VfGH 27.2.1981 B673/80, 15.10.1986 B892/86).

Doch kann es nach dem klaren unmißverständlichen

Wortlaut und Sinngehalt der bekämpften Enuntiation keinem Zweifel

unterliegen, daß der Bundeskanzler die bf. Partei lediglich

über die aus seiner Sicht gegebene Rechtslage - informativ - in

Kenntnis setzte (vgl. die einleitende Wendung: "Ihr . . . Schreiben

. . . gibt Anlaß zu folgenden Bemerkungen . . . " (1. Abs), ferner

die Worte: "Der Verfassungsdienst meint . . . " (5. Abs) bzw. " . .

. wird mitgeteilt . . . " (letzter Absatz)). Eine solche, den

Charakter einer schlichten Mitteilung tragende Rechtsbelehrung entbehrt aber des individuell-normativen Inhalts, wie ihn die Bestimmung des Art144 Abs1 Satz 1 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 zwingend verlangt (vgl. VfSlg. 10326/1985, 10417/1985; VfGH 27.2.1981 B673/80, 21.6.1982 B291,292/79, 24.9.1983 B83/83).

2.1.3. Schon aus dieser Erwägung mußte die Beschwerde - in Ermangelung eines tauglichen Beschwerdegegenstands - als unzulässig zurückgewiesen werden, ohne daß der VfGH auf das Beschwerdevorbringen in der Sache selbst eingehen konnte.

Demgemäß hatte der VfGH den (Eventual-)Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH abzuweisen.

2.2. Dies war gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu beschließen.

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