VfGH B1821/02

VfGHB1821/0213.3.2003

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung eines neuerlichen Antrags auf Aufhebung des - über einen türkischen Staatsangehörigen wegen Straftaten gegenüber seiner Tochter verhängten - Aufenthaltsverbotes mangels Vorliegens neuer Umstände

Normen

EMRK Art8
Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluß des Assoziationsrates Nr 1/80 Art14
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenG 1997 §37
FremdenG 1997 §44
Richtlinie 64/221/EWG Art3
EMRK Art8
Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluß des Assoziationsrates Nr 1/80 Art14
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenG 1997 §37
FremdenG 1997 §44
Richtlinie 64/221/EWG Art3

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der am 25. Jänner 1950 geborene Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1969 rechtmäßig in Österreich und ist mit der am 29. März 1945 geborenen I. D. verheiratet; beide haben sieben gemeinsame Kinder, von denen sechs in Österreich leben und zwei die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten haben. Eines dieser Kinder ist die am 25. Mai 1980 geborene

A. D.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz erließ mit Bescheid vom 23. Juni 1999 gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich. Der dagegen eingebrachten Berufung wurde von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg mit Bescheid vom 30. August 1999 im Wesentlichen mit der Begründung keine Folge gegeben, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. Februar 1993 zunächst wegen der Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach §288 Abs1 StGB sowie der Körperverletzung nach §83 Abs1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen und fünf Jahre später mit Urteil vom 19. Juni 1998 wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen (seiner eigenen Tochter A. D.) nach §207 Abs1 StGB, dem Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach §212 Abs1 StGB, wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§105 Abs1, 106 Abs1 Z1 StGB und wegen des Vergehens nach §50 Abs1 Z1 Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren verurteilt worden sei. Das letztere Urteil sei vom Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 29. Oktober 1998 bestätigt, die Freiheitsstrafe jedoch auf vier Jahre angehoben worden. Weiters sei der Beschwerdeführer am 17. Dezember 1998 wegen der §§146, 147 Abs2 StGB zu einer Zusatzstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 24. März 2000 die gegen den letztinstanzlichen Bescheid erhobene Beschwerde ab.

Mit Eingabe vom 11. Juli 2000 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, führte dazu aus, dass er einen grundlegenden Gesinnungswandel erfahren habe, er nie wieder gegen strafrechtliche Werte verstoßen werde und legte einen Brief seiner Tochter A. D. bei, wonach sie ihren Vater liebe und nicht vergessen könne. Der Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 8. August 2000 abgewiesen. Auch die dagegen erhobene Berufung, in welcher der Beschwerdeführer seinen über 30 Jahre dauernden Aufenthalt in Österreich, die familiären Auswirkungen einer Abschiebung hervorhob und die Einvernahme einiger Familienmitglieder beantragte sowie weitere Briefe seiner Tochter A. D. beilegte, wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 31. Oktober 2000 abgewiesen. Eine Beschwerde an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts wurde gegen diesen Bescheid nicht erhoben.

3. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2000 - also nur rund eineinhalb Monate nach rechtskräftiger Abweisung seines letzten Antrages - beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Wesentlichen mit der Begründung, dass er die Straftaten gegenüber seiner Tochter nicht begangen habe und dass sein Lebensmittelpunkt in Österreich sei, wo er seit über 31 Jahren mit seiner Familie lebe. Der Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Bescheid vom 16. Jänner 2001 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, diese Entscheidung jedoch mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 3. August 2001 behoben, da über weitere Anträge in fremdenrechtlichen Angelegenheiten in einem eigenständigen Verfahren zu entscheiden sei. Mit neuerlichem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 25. Jänner 2002 wurde daraufhin der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß §§37 und 44 des Fremdengesetzes 1997 (im Folgenden: FrG) abgewiesen.

In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, seine Strafe verbüßt zu haben sowie über Arbeit und Unterkunft zu verfügen, und verwies auf die negativen sozialen Folgen des Aufenthaltsverbotes für seine Familie. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg gab der Berufung mit Bescheid vom 3. Juli 2002 keine Folge. In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst den bisherigen Verfahrensgang und die Rechtslage dar, führte die zwei strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers unter Betonung deren besonderer Schwere an und meinte, dass es einer der grundlegendsten Aufgaben des Staates sei, seine Bürger vor körperlicher und psychischer Gewaltanwendung zu schützen. Insbesondere Kinder bedürften im besonderen Maße des Schutzes des Staates. Gerade auch der Umstand, dass im Bereich von Sexualdelikten selten mit einer Verhaltensbesserung des Täters gerechnet werden könne und dieser somit auch künftig eine unberechenbare Gefahr für seine Umwelt darstelle, mache die Setzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen zum Schutz seiner potentiellen Opfer dringend erforderlich. Die Dringlichkeit der Maßnahme ergäbe sich auch auf Grund der in der Vielzahl und Schwere der Taten zum Ausdruck kommenden Unbelehrbarkeit des Fremden und seiner damit hinkünftig ergebenden Gefahr. Sodann führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Folgendes aus:

"Die vom Berufungswerber geschilderten persönlichen Verhältnisse (Familienleben in Österreich und langjähriger Aufenthalt) wurden bereits bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt und brachte E. D. auch nichts Neues vor. Aufgrund dieser Umstände sind die maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Erlassung bzw. Aufrechterhaltung der fremdenpolizeilichen Maßnahme nach wie vor gegeben und bedeutend höher zu veranschlagen als die vorhandenen privaten und familiären Interessen des Fremden.

Wenn sich der Berufungswerber auf §35 Abs4 FrG 1997 beruft, so ist dem entgegen zu halten, dass er zwar als langjährig rechtmäßig niedergelassen zu betrachten war, jedoch nicht von klein auf im Inland aufgewachsen ist. Somit kommt auf E. D. keine Aufenthaltsverfestigung zur Anwendung.

Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist darauf zu verweisen, dass sich diese nach der Zeit richtet, nach der vermutlich die Voraussetzungen, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen sind.

Aufgrund der schweren Rechtsverletzungen und der dahinter stehenden Unbelehrbarkeit des Berufungswerbers erscheint es auch unter Berücksichtigung der privaten und familiären Interessen des Fremden weiterhin erforderlich, das unbefristete Aufenthaltsverbot aufrecht zu erhalten."

4. Gegen diesen letztinstanzlichen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten rügt und zunächst ausführt, dass Willkür dann vorliege, wenn die belangte Behörde "leichtfertig" entscheide, sie sich mit der Verantwortung des Betroffenen überhaupt nicht auseinandersetze und auch ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlasse. Unter anderem wird in der Beschwerde ausgeführt:

"Der unvertretene Beschwerdeführer hat im Verfahren mehrfach vorgebracht, er lebe und arbeite seit 32 Jahren in Österreich, er habe für seine Tat vier Jahre hinter Gittern verbracht, diese Zeit, in der er von seiner Familie getrennt gewesen sei, habe tiefe Spuren bei ihm hinterlassen und habe ihm seine Familie die Tat verziehen und unterstütze ihn in allen Belangen. Diesbezüglich hat er auch die Befragung seiner Familie als Zeugen im Verfahren angeboten.

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers ohne ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, ohne die beantragten Zeugen einzuvernehmen und ohne auf die Verantwortung des Beschwerdeführers einzugehen, abgewiesen mit der Begründung, die Tat, wegen der der Beschwerdeführer verurteilt worden sei, rechtfertige die Aufrechtehrhaltung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes, es sei keine positive Zukunftsprognose über ihn auszustellen.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides stellt nun keine Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Beschwerdeführers dar. Es darf nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer seit 32 Jahren ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich gelebt und gearbeitet hat und von einer vollständigen Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie auszugehen ist.

Übersehen werden darf weiter nicht, dass der Sachverhalt wegen dem der Beschwerdeführer im Jahre 1998 verurteilt wurde, von ihm im Zeitraum von 1989 bis 1994 gesetzt wurde. Seit 1994 hat der Beschwerdeführer keine derartige Tathandlung mehr gesetzt, das heißt, er ist bis zur Strafverhandlung im Jahre 1998 vier Jahre nicht mehr rückfällig geworden und hat sich darüber hinaus seither, also seit weiteren vier Jahren bewährt.

...

Es wäre daher sehr wohl notwendig gewesen, sich mit dieser Verantwortung des Beschwerdeführers auseinander zu setzen und die beantragten Beweise aufzunehmen. Die vorweggenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde bzw. die Nichtauseinandersetzung mit der Verantwortung des Beschwerdeführers stellt jedenfalls Willkür im Sinne der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dar, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben sein wird."

Ferner beruft sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bei Anwendung des §37 Abs1 FrG und Art8 EMRK und meint dann:

"Der Beschwerdeführer lebt und arbeitet mit entsprechender Bewilligung seit dem Jahre 1969 rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich. Er erfüllt damit unzweifelhaft die Voraussetzungen nach Art6 Abs1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80, was die zuständige Behörde zunächst mit der Ausstellung und in der Folge mit der Verlängerung des Befreiungsscheines auch jeweils festgestellt hat. Damit ist die Erlassung und in weiterer Folge auch die Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nur unter den Voraussetzungen des §48 Abs1 FrG zulässig, also wenn aufgrund seines Verhaltens die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet ist. Die Bestimmung des §48 FrG dient der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts. Sie ist daher im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen und ist bei der Güterabwägung die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zur Beurteilung der Frage, ob ein Sachverhalt für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und damit auch für die Aufrechterhaltung eines solchen gegen den assoziationsintegrierten türkischen Staatsbürger ausreicht, heranzuziehen (vgl. VwGH vom 12.4.1999, 96/21/0012)."

Weiters bezieht sich der Beschwerdeführer auf Art14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, die dazu ergangene Rechtsprechung sowie Art3 der Richtlinie 64/221/EWG und führt aus:

"Art 3 der Richtlinie 64/221/EWG bestimmt:

(1) Bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darf ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein.

(2) Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.

Argumente der Generalprävention dürfen also nicht als Grundlage eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung dienen.

Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof in den Urteilen Adoui (Rs. 115 und 116/81 vom 18.5.1982), Bonsignore (Rs. 67/74 vom 26.2.1975) und Bouchereau (Rs. 30777 vom 27.10.1977) übereinstimmend ausgesprochen, dass 'ausschließlich das persönliche Verhalten' des betroffenen Ausländers maßgebend sein darf und nicht generalpräventive Überlegungen.

Im letztgenannten Urteil Bouchereau hat der Europäische Gerichtshof zusätzlich betont, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen müsse, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Nach Art3 der Richtlinie 64/221/EWG darf bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit allein das persönliche Verhalten des Fremden ausschlaggebend sein und können strafrechtliche Verurteilungen allein fremdenrechtliche Maßnahmen nicht begründen.

Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ist unter Berücksichtigung der maßgeblichen Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft sowie der maßgeblichen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs nicht geeignet, ein Aufenthaltsverbot gegen den seit dem Jahre 1969 ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich lebenden und arbeitenden Beschwerdeführer aufrechtzuerhalten. Der Beschwerdeführer wurde zwar mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.6.1998 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Tat, wegen der der Beschwerdeführer im Jahre 1998 verurteilt wurde, zum Urteilszeitpunkt bereits vier Jahre zurücklag. Zudem hat der Beschwerdeführer seither viel über seine Tat nachgedacht und sich intensiv damit auseinandergesetzt. Auch hat die Haft tiefe Spuren bei ihm hinterlassen. Während der Haftzeit ist er auch mit seiner Familie ins Reine gekommen und hat ihm diese seine Tat verziehen und unterstützt ihn seither in allen Belangen. Damit vermag die genannte Verurteilung des Beschwerdeführers in fremdenpolizeilicher Hinsicht die Ausstellung einer negativen Zukunftsprognose über den Beschwerdeführer nicht zu rechtfertigen, nach der er in Zukunft eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darstellen würde. Im Übrigen liegt diese Verurteilung bereits wieder vier Jahre zurück, in denen sich der Beschwerdeführer absolut wohl verhalten hat. Der Beschwerdeführer hat sich damit in fremdenrechtlicher Hinsicht bewährt und rechtfertigt diese Verurteilung nicht die Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer stelle heute noch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Insgesamt steht fest, dass die wichtigsten Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in die Gesellschaft vorliegen, nämlich eine volle familiäre und soziale Integration in seine Familie mit Ehefrau und sieben Kindern, die allesamt in Österreich leben und arbeiten.

Gerade für jemanden, der so voll integriert ist wie der Beschwerdeführer, stellt eine Strafhaft ein schweres Übel dar, aus dem er, wie mehrfach betont, viel für sich gelernt hat. Mit anderen Worten, beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen vollintegrierten Fremden, der über Jahrzehnte rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich gelebt und gearbeitet hat, der erstmalig, wenn auch schwer, gegen das Gesetz verstoßen hat, der seine Strafe vollständig verbüßt und daraus viel für sich gelernt hat und der mit seiner Familie während seiner Haft ins Reine gekommen und deren volle Unterstützung wieder zurückgewonnen hat. Unter all diesen Umständen ist die Ausstellung einer negativen Zukunftsprognose gegen den Beschwerdeführer bei einer Abwägung nach Art8 EMRK iVm Art14 ARB Nr. 1/80 iVm mit der Richtlinie 64/221/EWG unzulässig.

Damit stellt die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes einen Verstoß gegen Art8 EMRK iVm Art14 ARB Nr. 1/80 iVm mit der Richtlinie 64/221/EWG dar, sodass der angefochtene Bescheid zu beheben sein wird."

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

III. Zur Rechtslage (die Novelle 2002 zum Fremdengesetz 1997, BGBl. I 126/2002, ist für den vorliegenden Fall nicht beachtlich):

1. §36 Abs1 und Abs2 Z1 Fremdengesetz 1997, BGBl. I 75, lautet:

"Aufenthaltsverbot

§36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art8 Abs2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;"

2. Gemäß §44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und dessen allfällige Aufhebung ist auch §37 FrG zu beachten. Die beiden Bestimmungen lauten in der Stammfassung, BGBl. I 75/1997:

"Aufhebung des Aufenthaltsverbotes

§44. Das Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Schutz des Privat- und Familienlebens

§37. (1) Würde durch eine Ausweisung gemäß den §§33 Abs1 oder 34 Abs1 und 3 oder durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art8 Abs2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Eine Ausweisung gemäß §34 Abs1 oder ein Aufenthaltsverbot darf jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen."

3. Ferner darf ein Aufenthaltsverbot unter den Voraussetzungen des §38 Abs1 FrG nicht erlassen werden. Dessen Ziffern 3 und 4 lauten in der Stammfassung, BGBl. I 75/1997:

"Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes

§38. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn

...

3. dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß §10 Abs1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden;

4. der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist."

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerde erweist sich, da alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind, als zulässig; sie ist jedoch unbegründet.

2. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 31. Oktober 2000 rechtskräftig abgewiesen wurde. Bei Beurteilung des neuerlichen Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 11. Dezember 2000 war es der belangten Behörde verwehrt, die Frage der Rechtmäßigkeit früherer rechtskräftiger Bescheide neu "aufzurollen". Hingegen war sie gehalten, neuerlich eine Interessenabwägung nach §37 FrG vorzunehmen (vgl. VwGH 22.1.2002, Zl. 2001/18/0146) und dabei zu prüfen, ob nunmehr neue Umstände vorliegen, die insgesamt zu einer anderen Beurteilung führen. Wenn angesichts der Kürze des Zeitraumes seit der letzten Abweisung eines Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes von bloß eineinhalb Monaten und des Vorbringens des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 11. Dezember 2000, in dem er hauptsächlich die Straftaten gegenüber seiner Tochter bestritt und auf seinen langjährigen Aufenthalt hinwies, die belangte Behörde kein neuerliches Ermittlungsverfahren durchgeführt hat und bei ihrer neuerlichen Interessenabwägung davon ausging, dass keine wesentlichen neuen Umstände vorliegen, hat sie keinen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler begangen.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes den Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 widerspreche, ist dem entgegen zu halten, dass der Assoziationsratsbeschluss zwar weder in der Berufung des Beschwerdeführers noch im angefochtenen Bescheid erwähnt ist; doch ging die belangte Behörde jedenfalls auf das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers und die daraus abzuleitende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein, also einem wesentlichen Umstand, der gemäß Art14 des Assoziationsratsbeschlusses iVm. Art3 der Richtlinie 64/221/EWG zur Nichtanwendung der Begünstigungen des II. Kapitels des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 führt. Der belangten Behörde ist daher kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorzuwerfen.

3. Die Beschwerde war sohin, da der angefochtene Bescheid weder auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht, noch eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten stattgefunden hat, abzuweisen.

V. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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