OLG Graz 10Bs104/11m

OLG Graz10Bs104/11m12.5.2011

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter des Oberlandesgerichtes Graz Mag.Obetzhofer (Vorsitzender) und die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Maga.List und Maga.Kohlroser in der Strafsache gegen Verantwortliche der R***** und andere wegen §§ 12, 146, 147 Abs 3, 148, zweiter Fall StGB ua, über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9. März 2011, 9 HR 266/10d-101, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung

Von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt wird zu 14 St 227/10y gegen die R***** wegen § 3 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 3 Z 1 und 2 VbVG in Verbindung mit § 12, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 153 Abs 1 und 2, 156 Abs 1 und 2 StGB sowie gegen G***** G*****, W***** S*****, R***** P***** und A***** K***** wegen §§ 12, 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 153 Abs 1 und 2, 156 Abs 1 und 2 StGB ein Ermittlungsverfahren geführt.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 2. Dezember 2010, 10 Bs 462/10g (ON 49) wurde der Beschwerde der R***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.10.2010 (ON 18/I), mit dem die Anordnung der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte durch die R***** durch Herausgabe sämtlicher Urkunden (Unterlagen), Geschäftsstücke und Dateien sowie Datenträger mit Informationen zu Geschäftsverbindungen der R***** mit

1. in- und ausländischen Unternehmen der A*****Unternehmensgruppe samt deren Rechtsvorgängern, Tochter- und Muttergesellschaften, insbesondere mit der A***** (*****), der A***** (*****), der A***** (*****) und der A***** (*****), sowie

2. deren Verantwortlichen, insbesondere mit D***** A*****, geboren am *****, sowie

3. in- und ausländischen Unternehmungen, an denen D***** A***** persönlich rechtlich und/oder wirtschaftlich beteiligt war oder ist, insbesondere der A***** (*****), den liechtensteinischen Privatstiftungen M***** und S*****, der liechtensteinischen G*****, den liechtensteinischen Unternehmungen A*****, A***** und M*****

betreffend den Zeitraum von Anfang 1995 bis dato bewilligt wurde, Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der der Bewilligung zugrundeliegende Antrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit der Begründung abgewiesen, dass konkrete Hinweise dafür, dass G***** G***** oder andere Verantwortliche der R***** die D***** A***** im Verfahren ***** des Landesgerichtes Klagenfurt zur Last gelegten Straftaten (vgl Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 20. September 2010, *****) auch nur ihrer Art nach und in groben Umrissen in ihre Vorstellung aufnahmen und mit dem Vorsatz handelten, eine ausreichend individualisierte Straftat zu fördern, nicht vorlägen und damit ein hinreichender Tatverdacht für eine vorsätzliche Beitragstäterschaft der Beschuldigten nicht angenommen werden könne.

Am 10. Februar 2011 beantragte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt neuerlich die gerichtliche Bewilligung der Anordnung der Auskunftserteilung über Bankkonten und Bankgeschäfte durch die R***** durch Herausgabe sämtlicher Urkunden (Unterlagen), Geschäftsstücke und Dateien sowie Datenträger mit Informationen zu Geschäftsverbindungen der R***** mit

1. in- und ausländischen Unternehmen der A*****Unternehmensgruppe samt deren Rechtsvorgängern, Tochter- und Muttergesellschaften, insbesondere mit der „A*****“ (*****), der „A*****“ (*****), der „A*****“ (*****), der „A*****“ (*****) und der „D***** A*****“ (*****) sowie

2. deren Verantwortlichen, insbesondere mit D***** A*****, geboren am *****, sowie

3. in- und ausländischen Unternehmungen, an denen D***** A***** persönlich rechtlich und/oder wirtschaftlich beteiligt war oder ist, insbesondere der A***** (*****), den liechtensteinischen Privatstiftung „M*****“ und „S*****“, der liechtensteinischen „G*****“, den liechtensteinischen Unternehmungen „A*****“, „A**********“ und „M*****“, betreffend den Zeitraum von Anfang 1995 bis dato (ON 85/III)).

Begründet wurde der Antrag mit weiteren Beweisergebnissen, die es - nach Ansicht der Anklagebehörde - mehr als erheblich wahrscheinlich erscheinen lassen würden, dass die Beschuldigten die von D***** A***** begangenen Straftaten, für die er mittlerweile mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 31. Jänner 2011, ***** verurteilt wurde, ihrer Art (Vermögensdelinquenz) und ihrem Umfang (EUR 50.000,00, etliche Male übersteigend) nach in ihre Vorstellung aufnahmen und somit mit dem Vorsatz handelten, ausreichend individualisierte Straftaten des Verurteilten zu fördern, weshalb sich insgesamt die Verdachtslage zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit Blick auf (wahrscheinliche) Unterstützungs- und/oder Beitragshandlungen zu den im Verfahren ***** der Staatsanwaltschaft Klagenfurt und ***** des Landesgerichtes Klagenfurt abgeurteilten Faktenkomplexen A.) - gewerbsmäßiger schwerer Betrug nach §§ 146, 147Abs 3, 148 (2. Fall) StGB - und B.) - Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 (2..Fall) StGB bzw. betrügerische Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB als stark verdichtet darstelle (ON 85/III).

Mit der im wesentlichen gleichen Begründung beantragte die Staatsanwaltschaft ferner die gerichtliche Bewilligung der Durchsuchung sämtlicher Räumlichkeiten der R*****

1. am Unternehmenssitz in der ***** und zeitgleich

2. am Sitz der Bankstelle ***** sowie zeitgleich

3. am Sitz der Bankstelle *****

einschließlich sämtlicher durch das Hausrecht geschützter Örtlichkeiten und darin befindlicher Gegenstände gemäß §§ 117 Z 2, 119 Abs 1, 120 Abs 1 erster Satz StPO (ON 86/III).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht beide Anträge unter Hinweis darauf ab, dass auch unter Berücksichtigung der weiteren Beweisergebnisse die Argumentation des Oberlandesgerichtes Graz in seinem Beschluss vom 2. Dezember 1010, 10 Bs 462/10g, unverändert zutreffend sei.

Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft eine Beschwerde, in der sie weitere zur Erhärtung des Tatverdachtes dienende Beweise anführte (ON 106/III).

Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bezüglich der gesetzlichen Voraussetzungen für die von der Staatsanwaltschaft begehrte Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem schon mehrfach erwähnten Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 2. Dezember 2010, 10 Bs 462/10g (ON 49) verwiesen.

Zu den einzelnen Argumenten der Anklagebehörde ist Folgendes auszuführen:

Es ist unzutreffend, dass aus dem Schreiben des G***** G***** vom 20. April 2000 (ON 69/II) in Verbindung mit der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr.F***** K***** vom 27. Jänner 2011 (ON 70/II) zu erschließen ist, dass zumindest G***** G***** schon im Jahr 2000 Kenntnis von dem Umstand hatte, dass D***** A***** „sämtliche WB-Transaktionen“, nämlich primär den Genussscheinverkauf über das ihm privat zuzuordnende Konto abwickelte. Die gegenteilige Schlussfolgerung der Anklagebehörde verwundert umso mehr, als der Sachverständige in seiner Stellungnahme in diesem Zusammenhang lediglich festhält, dass in diesem Schreiben (gemeint offenkundig ON 69/II) völlig unklar bleibt, ob es sich bei dem „Anderdepot“ um ein Sammeldepot des D***** A***** für seine Kunden oder um ein Sammeldepot der A***** für deren Kunden handelt. Abgesehen davon unterlässt es die Anklagebehörde darzulegen, welche Hinweise auf ein doloses Verhalten der Beschuldigten aus der G***** G***** unterstellten Kenntnis tatsächlich abgeleitet werden können, zumal sich solche allein aus dem Inhalt der genannten Schriftstücke nicht schlüssig ergeben.

Richtig ist, dass den Aussagen des D***** A***** als Angeklagter im Verfahren 18 Hv 163/10v des Landesgerichtes Klagenfurt und als Zeuge in diesem Verfahren zu entnehmen ist, dass die R*****, im Folgenden kurz „*****“ genannt, nicht nur als bloße Depotbank fungierte, sondern auch mit dem Vertrieb und der Bewerbung von Genussscheinen sowie der Beratung und Aufklärung von Kunden, die Genussscheine erwarben, befasst war (ON 102/III, insbes. Vereinbarung AS 17f). Außerdem ergibt sich aus den Deponaten des D***** A*****, dass Verantwortliche der ***** Kenntnis von den Geschäften der A***** hatten und über das “Genussscheinsplitting“ und die Schulungsunterlagen für Vertriebsvermittler informiert waren. Abgeleitet werden kann aus den Angaben des D***** A***** ferner, dass die ***** im Rahmen des Vertriebs von Genussscheinen einen Teil des Agios und ein Erfolgshonorar erhielt (AS 17f der ON 102/III), somit vom Verkauf von Genussscheinen profitierte, im Jahr 2000 selbst A*****-Genussscheine erwarb (ON 98/III, AS 67) sowie im Jahr 2008 eine kapitalmäßige Beteiligung der A***** an der ***** im Ausmaß von EUR 500.000,00 erfolgte (ON 102/III, Seite 7f, 85ff).

Aus all dem erschließen sich allerdings keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigten die für eine Beitragstäterschaft geforderte zumindest in groben Umrissen vorhandene Vorstellung über die Umstände der Taten des D*****A***** mit ihren wesentlichen Deliktsmerkmalen, zu denen die vorsätzlichen auf unrechtmäßige Bereicherung einerseits und Schädigung der Anleger andererseits gerichteten Täuschungshandlungen beim Betrug (vgl Faktum A des Urteils des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 31. Jänner 2011, 18 Hv 163/10v), der wissentliche Befugnismissbrauch (vgl dazu Mayerhofer, StGB6, § 12 Rz 58) bei der Untreue (vgl Faktum B) und die vorsätzliche Beiseiteschaffung des Vermögens der von D***** A***** vertretenen Gesellschaften und die dadurch bewirkte vorsätzliche Vereitelung bzw Schmälerung der Gläubigerbefriedigung bei der betrügerischen Krida (vgl Faktum C) gehören, und darüber hinaus den Vorsatz hatten, diese Taten zu begünstigten (vgl zur subjektiven Tatseite des Beitragstäters: Mayerhofer, StGB § 12, Rz 46ff). Eine diesbezügliche Verbreiterung der Beweislage wäre durch eine entsprechende Befragung des D***** A***** etwa darüber, ob die Beschuldigten auch nur ungefähr im Bilde waren, dass er den privaten Anlegern die ihnen infolge der Versiebenfachung der Genussscheine zustehenden weiteren sechs Genussscheine nicht zuzählte und 360.246 Genussscheine an die A***** verkaufte und dadurch das Beteiligungsverhältnis an der Substanz und am Bilanzgewinn und dem Liquidationserlös der A***** verringerte (Fakten A) I. 2. und A) 4.), unter Umständen zu erzielen gewesen.

Dem Argument der Anklagebehörde im Rechtsmittel, dass bereits 2001 zumindest den Beschuldigten G***** G***** und W***** S***** die Kommunikation der A***** mit der damaligen Bundeswertpapieraufsicht (BWA) bekannt war und aus jener Korrespondenz nachvollziehbar sei, dass die Verantwortlichen der ***** die Kernproblematik der bereits 2001 von der BWA aufgezeigten Malversationen des D***** A***** kannten, ist zu erwidern, dass die Bundeswertpapieraufsicht nach der von ihr durchgeführten Prüfung des D***** A***** offenbar keine hinreichenden Anhaltspunkte für den Verdacht strafbarer Handlungen fand (siehe AS 9f der ON 105/III) und eine Anzeigenerstattung tatsächlich unterblieb. Wieso die Anklagebehörde daraus trotzdem eine Bestätigung des Verdachtes einer dolosen Beitragshandlung der Beschuldigten ableitet, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Tatsächlich kann - ungeachtet der Gründe, die die Bundeswertpapieraufsicht zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung veranlassten - darin nicht ohne weiteres ein die Beschuldigten belastender Umstand erblickt werden, da grundsätzlich wohl davon ausgegangen werden kann, dass die Bundeswertpapieraufsicht als Aufsichtsbehörde mit der Aufgabe, Missständen Einhalt zu gebieten und Interessen der Anleger zu schützen, bei Verdacht eines Rechtsbruches entsprechende Maßnahmen (vgl § 24 Abs 3 WAG und § 70 Abs 4 BWG, jeweils in der damals geltenden Fassung) ergreift. Im Übrigen bezieht sich die von der Anklagebehörde zitierte Korrespondenz (ON 98/III) und deren Verweis auf jene Umsetzungsschritte, die die A*****-Gesellschaften infolge der massiven Kritik der BWA setzen mussten (vgl Seite 3 der Beschwerde ON 106/III), auf Maßnahmen gegen Geldwäscherei-Transaktionen (vgl ON 98, AS 19f, 39ff, 43), ohne dass Vorwürfe, wie sie den hier in Rede stehenden Schuldsprüchen des D***** A***** zugrunde liegen, thematisiert wurden.

Welche eine vorsätzliche Beihilfe der Beschuldigten untermauernden Schlussfolgerungen aus dem Beweisantrag des *****K***** A***** samt Gutachten (ON 35/II) gezogen werden sollen, erhellt weder aus den abgewiesenen Anträgen der Anklagebehörde noch aus deren Rechtsmittel. Ebenso wenig begründet wird, welcher Zusammenhang zwischen der “mutmaßlichen“ Kenntnis der Beschuldigten vom Wertpapierhandel ohne Wertpapierkonzession und den strafbaren Handlungen des Verurteilten D***** A***** konkret besteht. Schließlich können auch die Behauptungen im Rechtsmittel, dass die RBB in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Kunden A***** stand und im Zuge des unternehmerischen Zusammenwirkens zwischen der ***** und D*****A***** eine Erfolgs- und Risikoteilung bestand, auf der Grundlage des Akteninhaltes nicht nachvollzogen werden. Dass nach den Angaben der Zeugin H***** C***** (ON 100/III) private Beziehungen des D***** A***** zu den Beschuldigten W***** S***** und G***** G***** bestanden, vermag vor dem Hintergrund obiger Erwägungen den Standpunkt der Anklagebehörde gleichfalls nicht zu stützen.

Insgesamt fehlt es daher bei Betrachtung der von der Anklagebehörde explizit aufgezeigten Beweisergebnisse und der Verfahrensergebnisse insgesamt nach wie vor an jenen in § 116 Abs 4 StPO geforderten bestimmten Tatsachen, die nach der Z 4 leg.cit. notwendig sind, um die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte zu überprüfen.

Aus denselben Gründen ist aber auch die Beschwerde gegen die abgelehnte Durchsuchung erfolglos.

Gemäß § 119 Abs 1 StPO ist eine Durchsuchung von Orten und Gegenständen, somit auch das Durchsuchen einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände (vgl § 117 Z 2 lit b StPO) zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind. Demnach ist die - auf bestimmte Tatsachen gegründete - Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass sich an dem zu untersuchenden Ort Gegenstände oder Spuren befinden, die aus Beweisgründen sicherzustellen oder auszuwerten wären. Notwendig ist zudem ein „konkreter Verdacht“ insofern, als aufgrund bestimmter Tatsachen der Verdacht einer Straftat mit gutem Grund, also in vertretbarer Weise abgeleitet werden kann (vgl VfGH vom 7. Oktober 1991, VfSlg 12.849 ua; Pilnacek-Pleischl, Das neue Vorverfahren, Rz 508, 513; EvBl 2002/104). Bloß wage Mutmaßungen sind nicht hinreichend, um den konkreten Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung zu begründen (vgl § 2 HausRSchG; vgl hiezu auch Schwaighofer, Die neue StPO, § 120 EBRV Seite 255).

Da im Anlassfall aus den eingangs dargelegten Gründen ein derartiger konkreter Tatverdacht nicht vorliegt, ist die erstgerichtliche Entscheidung auch in diesem Punkt nicht zu beanstanden.

Der Beschwerde ist daher insgesamt kein Erfolg beschieden.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 10

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