Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird
1. in der Abweisung des Antrages gegen die Zweit- bis Viertantragsgegner bestätigt,
2. im übrigen dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
"Den Erst- und Fünftantragsgegnern wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr Waren, nämlich Knorr Meisterkesselsuppen, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten.
Die Entscheidung über den Antrag nach § 7 Abs 10 NVG gegen diese Antragsgegner bleibt vorbehalten."
Text
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien den Antrag des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb ab, den Antragsgegnern gemäß § 6 NVG zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Waren, nämlich Knorr Meisterkesselsuppen, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, sowie dem Antragsteller gemäß § 7 Abs 10 NVG die Befugnis zur Veröffentlichung der Entscheidung über diesen Antrag in mehreren periodischen Druckschriften zu erteilen.
Das Erstgericht bejahte zwar die Aktivlegitimation des antragstellenden Verbandes und hatte keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit seiner Gerichtsbesetzung, hielt aber den Beweis für den behaupteten Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis nicht für erbracht und ließ daher die Frage der Passivlegitimation der Zweit- bis Fünftantragsgegner offen. Es traf folgende Feststellungen:
Anläßlich der Betriebsaufnahme im Großmarkt Graz-Neuseiersberg im Juni 1988 haben die Antragsgegner (in der Entscheidung unrichtig: Antragsteller) einen Eröffnungszeitraum von Juni bis Dezember 1988 für bestimmte Warenangebote und Vereinbarungen mit der Industrie festgelegt. In diesem Zeitraum wurden "Eröffnungsangebote" von der Erstantragsgegnerin verkauft. Hiezu gehörte auch die "Aktion 40", die in der 40. Woche stattfand und in deren Rahmen die "Knorr Meisterkesselsuppe" in Dosen um 12,90 S angeboten und am 5.10.1988 verkauft wurde. In der "Kleinen Zeitung" vom 5.10.1988 bewarb die Erstantragsgegnerin das genannte Produkt mit einem Inserat, in dem sie alle Sorten dieser Suppe zum Preis von "12,90 S statt 17,90 S pro Dose = 28 % Ersparnis" anbot, alle Preise bis einschließlich 8.10.1988 als gültig bezeichnete und die Abgabe von Haushaltsmengen anbot, solange der Vorrat reicht.
Die Erstantragsgegnerin verkaufte im Zeitraum vom 5.10. bis 8.10.1988 387 Dosen Knorr Meisterkesselsuppen zu einem Preis von je 12,90 S. Das ergibt einen Verkaufswert von 4.992,30 S. Bereits im Frühjahr 1988 wurden mit der Firma Knorr Naturalrabatte für die Neueröffnung von D***-Märkten in Relation zu den zu erwartenden Umsatzzahlen vereinbart. Diese Naturalrabatte wurden gemäß Marketing-Disposition jeweils variabel eingesetzt. Für die "Aktion 40" in Neuseiersberg wurden 180 Stück als Naturalrabatt gewährt und eingesetzt.
Der Großhandelslistenpreis des Erzeugers für dieses Produkt betrug im Juli 1989 19,55 S, mit Umsatzsteuer 21,50 S. Geht man davon aus, daß die Antragsgegner nur für 207 der 387 abgesetzten Dosen bezahlen mußten, so ergibt sich ein Einkaufspreis von 4.450,50 S, der unter dem Erlös der insgesamt verkauften Dosen von 4.992,30 S selbst mit Berücksichtigung der Umsatzsteuer liegt. Der zum B***-Konzern gehörige M***-Markt brachte im selben Zeitraum in Vorarlberg ein Angebot dieser Suppen um 11,90 S. Die Antragsgegner haben die Knorr Meisterkesselsuppen anläßlich der Eröffnung ihrer Filiale in Brunn am Gebirge um nur 9,90 S feilgehalten. Ein anderes Unternehmen, nämlich die "Kolonialimportgesellschaft" (ZEV) kaufte Knorr Meisterkesselsuppen im Zeitraum Oktober 1988 per Dose um 22,03 S (lt Blg./AB richtig: 22,63 S) abzüglich 13,4 % Großhandelsrabatt, minus 15 % und minus 5 % Aktionsrabatt, minus 3 % "WR", minus 3 % SK, minus 1 % Jahresbonus und minus 4 % Jahresbonus, somit zum Nettopreis von 14,01 S ein. Der Konzern der Antragsgegner war bis zum 31.12.1984 selbst Mitglied der ZEV gewesen, er hatte aber schon während dieser Mitgliedschaft bessere Konditionen als andere ZEV-Mitglieder von den Lieferanten erhalten, weil sein Leistungsangebot an die Industrie zB durch bessere Plazierungen der Ware im Verkaufsbereich, bessere Distribution, schnellere Umsätze oder sofortige Einführung neuer Produkte größer war.
Es konnte nicht festgestellt werden, wie hoch der Fakturenpreis der hier strittigen "Knorr Meisterkesselsuppen" war, auch nicht die Einkaufskonditionen für dieses Produkt oder, welche der fünf Antragsgegnerinnen diese Ware von der Firma Knorr bezogen hat, weil der Zeuge Dr. Peter Hampl hierauf die Aussage unter Berufung auf das Geschäftsgeheimnis der Antragsgegner verweigerte. Es konnte auch nicht festgestellt werden, ob die "Aktion 40" erst am 5.10.1988 oder schon früher begann. Hätte die Aktion schon früher begonnen und dementsprechend länger gedauert, so wäre der Naturalrabatt auf einen längeren Zeitraum und damit auf eine größere Anzahl verkaufter Dosen mit der Folge umzulegen, daß der pro Dose anteilige Naturalrabatt geringer und der Einstandspreis im selben Ausmaß höher würde. Die Antragstellerin hat aber weder behauptet, daß die "Aktion 40" länger als vom 5. bis 8.10.1988 gelaufen sei, noch hat das Beweisverfahren hiefür Anhaltspunkte ergeben.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes wurden weder die Einkaufskonditionen noch der Einstandspreis im Beweisverfahren urkundlich belegt. Da eine zur Eröffnung von Geschäftsgeheimnissen zwingende Beweislastverschiebung unzumutbar erscheine, treffe den Antragsteller die Beweislast für den behaupteten Verkauf unter dem Einstandspreis. Wolle oder könne der Antragsteller seine eigenen Einkaufsbedingungen nicht offenlegen, dann dürfe er das auch nicht vom Antragsgegner erzwingen. Im vorliegenden Fall reichten die vorliegenden Bestätigungen der Kolonial-Importgesellschaft (auf der die einzelnen Rabatte und Abzüge vom Rechnungspreis aufgeschlüsselt sind, aus denen sich der Nettopreis errechnet) und der "S***" Österreichische Warenhandels AG Zweigniederlassung Graz (wonach "unser" Aktionsnettoeinstandspreis über 13,50 S je Dose liege) nicht einmal zum Anscheinsbeweis der von Konkurrenten der Antragsgegner bezahlten Einstandspreise aus. Naturalrabatte seien kostenlos gelieferte Zusatzmengen, die in die Berechnung des Einstandspreises einzubeziehen seien. Die Antragsgegner hätten die ernste Möglichkeit eines vom üblichen abweichenden Einstandspreises dargetan, indem sie die Gewährung von Naturalrabatten glaubhaft machten, die ihre Preiskalkulation für diese Filiale rechtfertigen würde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Antragstellers ist teilweise berechtigt. Das Kartellobergericht hat in seiner Entscheidung vom 22.1.1990, Okt 4/89 = RdW 1990, 253 in Kenntnis der gegenteiligen Meinung des Wettbewerbssenates des Obersten Gerichtshofes (4 Ob 117/89 = RdW 1990, 13) an der schon in der grundsätzlichen Entscheidung Okt 1/89 = ÖBl 1989, 179= WBl 1990, 49 ausgesprochenen und näher begründeten Rechtsansicht festgehalten, daß wegen des engen Zusammenhaltes der Bestimmungen der §§ 1 bis 3 a NVG zur Vermeidung eines argen Wertungswiderspruches gesetzlich unzulässige und nach § 1 NVG verbotene Rabatte auch nicht nach § 3 a Abs 1 NVG bei der Berechnung des Einstandspreises abgerechnet werden dürfen. Das Kartellobergericht hält an dieser Rechtsansicht weiter fest, zumal - anders als es im Wettbewerbsrecht der Fall sein mag - die eingeschränkte Antragslegitimation nach dem NVG auch die Prüfung der Zulässigkeit gewährter Rabatte im Rahmen von Untersagungsanträgen nach dem § 3 a NVG nahelegt.
Bei der Prüfung des vorliegenden Antrages ist weiters davon auszugehen, daß ein von einem Lieferanten aus einem besonderen Anlaß gewährter Preisvorteil vom Händler nicht willkürlich entgegen seiner vereinbarten, einseitig erklärten oder aus den Umständen erschließbaren Zweckbestimmung in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht anders zugeordnet werden darf, so daß im besonderen die Umwidmung eines zur Eröffnung eines bestimmten Geschäftes gewährten Rabattes nicht erlaubt ist (OGH 4 Ob 149/89 = RdW 1990, 254 mwN). Ein solcher zweckwidrig verwendeter Rabatt wäre auch nicht mehr im Sinn des § 1 Abs 2 NVG sachlich gerechtfertigt (vgl SZ 56/9) und widerspräche dem sogenannten Wohlverhaltenskatalog der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (ÖBl 1977, 150 f).
Im vorliegenden Fall steht nicht bloß fest, daß die strittigen Waren mit 12,90 S pro Dose weit (nach dem eigenen Sonderangebot 28 %) unter dem bisherigen eigenen Verkaufspreis angeboten und verkauft wurden, und daß dieser Preis die von Konkurrenten angegebenen Nettoeinstandspreise (abzüglich aller Rabatte) von 13,50 S bzw 14,01 S pro Dose unterschritt; die Antragsgegner haben darüber hinaus den Vorwurf eines Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis selbst nur mit einem ihnen gewährten besonderen Geschäftseröffnungsrabatt zu widerlegen versucht. Dieser Rabatt mag nun zwar aus Anlaß der Eröffnung des Supermarktes in Neuseiersberg sachlich gerechtfertigt gewesen sein (bei einer Höhe von fast 50 % bedürfte diese Frage allerdings einer weiteren Untersuchung); er wurde aber weit außerhalb des unmittelbaren Zeitraumes der Geschäftseröffnung (Juni 1988) erst im Oktober 1988 für eine Aktion verwendet, die nach dem vorliegenden Zeitungsinserat auch den Kunden gegenüber nicht mehr in irgendeinen Zusammenhang mit der Geschäftseröffnung gebracht wurde. Es handelt sich dann aber um eine nach dem oben Gesagten unzulässige zeitliche Umwidmung. Daran könnte es auch nichts ändern, wenn die Antragsgegner mit dem Lieferanten (Erzeuger) vereinbart hätten, Rabatte als "Eröffnungsrabatte" auch noch mehrere Monate nach der Eröffnung einer neuen Filiale zu erhalten. Es würde sich dabei nur um eine nicht maßgebliche Falschbezeichnung handeln. Schon aus diesem Grund und auf der Basis der eigenen Einwendungen der Antragsgegner ist der strittige Verkauf unter dem Einstandspreis hier entgegen der Ansicht des Erstgerichtes erwiesen.
Eine andere Rechtfertigung des besonders niedrigen Verkaufspreises nach § 3 a Abs 1 NVG als mit dem hiezu verwendeten "Eröffnungsrabatt" haben die Antragsgegner nicht einmal behauptet. Im übrigen hätten bei der dargestellten Sach- und Rechtslage sie die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Verlaufes dartun und ihrerseits also eine Art Anscheinsbeweis dafür erbringen müssen, daß der Schluß vom allgemeinen Einstandspreisniveau auf ihren Einstandspreis nicht zwingend ist (vgl WBl 1989, 370). Es erübrigt sich ein Eingehen auf die umfangreichen Ausführungen des Rekurswerbers zu weiteren Fragen der Beweislast.
Einen Rechtfertigungsgrund nach § 3 a Abs 2 Z 4 NVG haben die Antragsgegner zwar behauptet, ihr Vorbringen ist aber nicht schlüssig: Ein gleichartiger Verkauf in einer anderen eigenen Filiale stellt keine Anpassung an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise dar. Aber auch der behauptete gleichartige Verkauf unter dem Einstandspreis in einem Merkur-Markt in Vorarlberg könnte das Verhalten der Antragsgegner nicht rechtfertigen. Das Kartellobergericht schließt sich nämlich der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung 4 Ob 32/90 (in einer Rechtssache gegen die hier Dritt-Antragsgegnerin) an, daß von einer Preisanpassung nur gesprochen werden kann, wenn die Mitbewerber in einem entsprechenden örtlichen Naheverhältnis stehen. Ob das nur auf Filialen im selben Ort oder auch noch auf weiter voneinander entfernte Filialen zutrifft, hängt von den jeweiligen Einzugsgebieten der betreffenden Verbrauchermärkte, besonders auch von der Verkehrslage ab, und läßt sich daher nur von Fall zu Fall beurteilen. Es ist aber jedenfalls keine Anpassung, wenn die Preise auch in solchen Filialen auf oder unter den Einstandspreis herabgesetzt werden, die von einem gleich günstigen Angebot eines entsprechend weit entfernten Mitbewerbers mangels Berührung der beiderseitigen Abnehmerkreise nicht betroffen waren; in einem solchen Fall kann mangels einer wirtschaftlichen Auswirkung der Preisherabsetzungen auf die betreffende Filiale nicht von einer Anpassung im Sinn des § 3 a Abs 2 Z 4 NVG gesprochen werden. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes, die mit den vorliegenden Urkunden und der Einwendung der Antragsgegner übereinstimmen, wurde die strittige Ware im Rahmen eines von den Antragsgegnern betriebenen Supermarkts nur von der Erstantragsgegnerin angeboten und verkauft. Die Fünftantragsgegnerin ist ihre persönlich haftende Gesellschafterin. Gegen diese beiden Antragsgegner ist somit der Antrag auf Untersagung nach § 3 a NVG berechtigt. Hingegen hat der Antragsteller trotz der substantiierten Bestreitung der Passivlegitimation der übrigen Antragsgegner keinen Nachweis dafür erbracht, daß auch diese am Verkauf der Ware beteiligt waren. Gegen die Zweit- bis Viertantragsgegner war der Antrag daher abzuweisen.
Über den Antrag auf Zuspruch der Befugnis, die rechtskräftige Entscheidung zu veröffentlichen, wird der Vorsitzende des Kartellgerichtes gemäß § 7 Abs 10 NVG zu entscheiden haben.
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