Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.172,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.028,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 28. August 1978 bis 30. November 1987 bei der beklagten Partei als Werkzeugmacher angestellt. Bei der beklagten Partei kam es seit Jahren zu unpünktlichen Gehaltszahlungen. Der Kläger erhielt sein Gehalt für Mai erst am 11. Juni 1987, das für Juni am 9. Juli 1987, das Urlaubsgeld statt am 15. Juli erst am 22. Juli 1987 und das Augustgehalt am 7. September 1987. Im Juli 1987 erklärte der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten, daß er das Geld pünktlich brauche und zu Lasten des Arbeitgebers kündigen werde, wenn das Gehalt nicht pünktlich gezahlt werde. Da auch das Gehalt für Oktober (laut Kontoauszug vom 6. Oktober 1987) erst mit Valuta 7. Oktober 1987 dem Konto des Klägers gutgebucht wurde, kündigte er mit Schreiben vom 9. Oktober sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der einmonatigen Kündigungsfrist mit der Erklärung auf, daß diese Kündigung wegen dauernder Zahlungsverzögerungen unter Wahrung des Anspruches auf Abfertigung erfolge.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 112.173,30 S brutto sA an restlicher Urlaubsentschädigung und Abfertigung.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe selbst gekündigt und keinen Anspruch auf Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Das Gehalt des Klägers habe sich am Tag der Kündigung bereits auf seinem Konto befunden. Es sei wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der beklagten Partei zwar immer wieder zu verspäteten Gehaltszahlungen gekommen, doch habe der Kläger nie dagegen remonstriert.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und vertrat die Rechtsauffassung, die vorzeitige Lösung könne bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Wahrung des Abfertigungsanspruches auch durch Kündigung erfolgen. Die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei berechtigt gewesen, weil es trotz des Hinweises des Klägers, er werde im Falle weiterer verspäteter Gehaltszahlungen kündigen, wieder zu Zahlungsverzögerungen gekommen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger dadurch, daß er nach Drohung mit der Vertragsauflösung nicht die verspätete Gehaltszahlung für August 1987 zum Anlaß der Auflösung des Arbeitsverhältnisses genommen habe, sein Austrittsrecht nicht verwirkt habe. Nach Gutschrift des verspätet gezahlten Septembergehaltes sei dem Kläger eine Überlegungsfrist von 2 bis 3 Tagen für die Entscheidung zuzubilligen, ob er von seinem Austrittsrecht Gebrauch mache. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat der Kläger durch das Hinnehmen der Zahlungsverzögerungen durch längere Zeit sein grundsätzliches Austrittsrecht nicht verwirkt. Er durfte nur nicht plötzlich - ohne vorherige Warnung des Arbeitgebers - austreten. Da der Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, er werde künftige Zahlungsverzögerungen nicht mehr hinnehmen, sondern zum Anlaß der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nehmen, kam die Kündigung wegen der neuerlich verspäteten Entgeltzahlung für September 1987 für die Beklagte nicht überraschend. Hiebei ist für die Deutlichkeit und Ernstlichkeit der Ankündigung des Klägers deren festgestellter objektiver Inhalt maßgebend und nicht der Umstand, daß die Beklagte die Erklärung trotz ihres unmißverständlichen Inhaltes möglicherweise nicht ernst nahm (die pünktliche Zahlung des Gehaltes für Juli 1987 spricht allerdings dafür, daß die Beklagte schon damit rechnete, der Kläger werde seine Ankündigung, das Arbeitsverhältnis für den Fall weiterer Zahlungsverzögerungen zu lösen, auch wahr machen). Wenn nun der Kläger - nachdem das Juligehalt auf Grund seiner Kündigungsdrohung pünktlich gezahlt worden war - nicht die erste Zahlungsverzögerung (Augustgehalt) zum Anlaß für die Auflösung nahm, sondern erst kündigte, als durch die nicht rechtzeitige Zahlung auch des Septembergehaltes offenbar wurde, daß die Beklagte zu ihrer früheren Praxis der verspäteten Gehaltszahlungen zurückkehrte, machte er damit sein Austrittsrecht gemäß § 26 Z 2 Angestelltengesetz noch zu Recht geltend, weil die Beklagte im Hinblick auf den vorherigen ernstlichen Protest des Klägers daraus, daß der Kläger nach einer pünktlichen Gehaltszahlung nicht die erste Zahlungsverzögerung zum Anlaß der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nahm, nicht erschließen konnte, der Kläger werde an seiner Kündigungsdrohung nicht festhalten und regelmäßige Zahlungsverzögerungen auch weiterhin dulden (vgl. Martinek-Schwarz Angestelltengesetz6 570; ähnlich auch 4 Ob 65/80).
Ebenso ist dem Kläger zuzubilligen, daß er nicht schon das Nichteinlangen des Septembergehaltes am Fälligkeitstag zum Anlaß der Kündigung nahm, sondern abwartete, ob sich die Zahlung erheblich verzögern werde. Auf der Gutschrift des Entgeltes am 7. Oktober 1987 hat der Kläger mit seinem Kündigungsschreiben vom 9. Oktober 1987 innerhalb angemessener Frist reagiert.
Auch aus dem Umstand, daß der Kläger statt des Austrittes die für den Arbeitgeber regelmäßig günstigere Form der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung wählte, kann die Beklagte für ihren Standpunkt nichts gewinnen, weil der Kläger klar zum Ausdruck brachte, daß das Arbeitsverhältnis wegen eines Austrittsgrundes unter Wahrung des Abfertigungsanspruches gelöst werde (siehe Arb. 5.934 = SZ 27/56; Arb. 8.381, Arb. 8.900; ZAS 1981, 136 !Beck-Mannagetta ; zuletzt 14 Ob 55 - 63/86).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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