OGH 9ObA83/18y

OGH9ObA83/18y27.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl und Karl Schmid in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Universität *****, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. Univ.‑Prof. *****, vertreten durch Forcher-Mayr & Kantner Rechtsanwältepartnerschaft in Innsbruck, wegen Feststellung (Interesse: 31.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juni 2018, GZ 13 Ra 7/18d‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00083.18Y.0927.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Die Erstbeklagte schrieb im Jahr 2008 die Stelle einer/eines Universitätsprofessorin/Universitätsprofessors aus, auf die sich ua der Kläger und der Zweitbeklagte bewarben. Im Berufungsverfahren wurde der Kläger von der Berufungskommission an dritter, der Zweitbeklagte an erster Stelle gereiht. Der Kläger begehrte in einem beim Erstgericht geführten Verfahren die Feststellung der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, weil die Berufungskommission befangen gewesen sei. Der Verfassungsgerichtshof sprach in einem negativen Kompetenzkonflikt mit Erkenntnis vom 13. 6. 2017, K I 1/2017‑14 aus, dass zur Entscheidung über dieses Begehren der ordentliche Rechtsweg zulässig sei. Jenes Verfahren ist unterbrochen.

Der Rektor der Erstbeklagten nahm mit dem Zweitbeklagten Berufungsverhandlungen auf und schloss mit diesem im Jahr 2012 einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag ab. Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit dieses zwischen der Erst- und dem Zweitbeklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrags wegen der Befangenheit der Berufungskommission und anderer Mängel des Berufungsverfahrens.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht war zusammengefasst der Ansicht, die geltend gemachten Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens würden nicht zur Nichtigkeit des zwischen den Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrags führen. Es fehle auch an einem rechtlichen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, weil sie seine rechtliche Position nicht verbessern, insbesondere weder die Aufnahme von Berufungsverhandlungen mit ihm noch die Neuausschreibung der Professur erzwingen, könnte. Anderes ergebe sich auch nicht unter Einbeziehung der vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten der Erstbeklagten gegenüber dem Kläger. Auch hätte der Kläger bereits ein Leistungsbegehren stellen können, sodass ihm auch deshalb ein Feststellungsinteresse fehle. Bezüglich des Zweitbeklagten habe der Kläger überdies keine Beeinflussung des Berufungsverfahrens behauptet.

Rechtliche Beurteilung

In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, die zu einer Abänderung des Berufungsurteils zu führen hätte, auf:

1. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung im Sinn des § 228 ZPO, das der Kläger darzutun hat (RIS-Justiz RS0037977 [T1], RS0039239), hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels einer über den Anlassfall hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, den Vorinstanzen wäre bei ihrer Entscheidung eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen, die zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte (RIS‑Justiz RS0037977 [T2], RS0039177 [T1], RS0039201 [T6]).

2.  Grundsätzlich kann auch ein an einem Rechtsgeschäft nicht beteiligter Dritter dessen Nichtigkeit geltend machen, wenn er ein rechtliches Interesse an der Nichtigerklärung hat (RIS-Justiz RS0014654; RS0014650 [T2]). Das zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemachte Rechtsverhältnis muss eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers ausüben, es muss also geeignet sein, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu beenden und einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden (RIS-Justiz RS0039071 [T13]). Ein solches Begehren ist daher nur dann zulässig, wenn das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis die Rechtssphäre des Klägers unmittelbar berührt (s RIS-Justiz RS0038819; RS0038958). Die Feststellungsklage muss im konkreten Fall als ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Rechtsgefährdung des Klägers angesehen werden (RIS-Justiz RS0039232). Das in § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse fehlt daher, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann (RIS-Justiz RS0014654 [T5]).

3.  Selbst wenn man davon ausginge, dass die vom Kläger behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens nach § 98 UG 2002 zur Unwirksamkeit des zwischen den Beklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrags führten, zeigt auch seine außerordentliche Revision kein rechtliches Interesse auf, das diesen Grundsätzen standhielte, weil seine Rechtsposition von der begehrten Feststellung nicht unmittelbar berührt würde. Zu berücksichtigen ist, dass sich die Rechtskraftwirkung eines Feststellungsurteils nur auf die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags zwischen den Beklagten (als Hauptfrage) beziehen kann, während die hier dafür zu prüfende Vorfrage, ob das Berufungsverfahren mangelhaft oder inhaltlich zu beanstanden war, in weiteren Rechtsstreitigkeiten keine Bindungswirkung entfalten könnte (s RIS-Justiz RS0041180, RS0042554, RS0041342).

4.  Der Kläger verweist auf den historischen Individualrechtsschutz eines in den verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbers nach dem UOG 1975 bzw 1993, für den dem Bewerber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs subjektive Rechte als Mitglied einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft und Parteistellung zuerkannt worden sei. Er meint, angesichts der mit § 98 UG 2002 erfolgten „rechtlichen Verdichtung“ des Berufungsverfahrens könne es nicht Intention des Verfassungsgerichtshofs gewesen sein, diesen Rechtsschutz übergangener Bewerber beschneiden zu wollen. Mit der Forderung nach einem Schadenersatzinteresse entstünde ein Rechtsschutzdefizit, weil der Kläger ein Recht auf eine Stelle belegen müsste, das nach vorherrschender Rechtsauffassung nicht gegeben sei. Vielmehr habe er ein Recht auf ein fehlerfreies Verfahren, das keinen Schadenersatzanspruch generiere.

Der Verfassungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis jedoch dargelegt, dass angesichts des Systems des UG 2002 sowie der seit der „Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten“ klar ersichtlichen gesetzgeberischen Intention, Dienstverhältnisse der Universitäten zu ihrem Personal privatrechtlich zu regeln und keine neuen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse zu ermöglichen, kein Zweifel an der nun geänderten privatrechtlichen Natur des einheitlichen Verfahrens zur Berufung von Universitätsprofessoren besteht (Rz 51). Der letztlich abgeschlossene Arbeitsvertrag unterliegt wie andere Arbeitsverträge der Kontrolle durch die ordentlichen Gerichte, insbesondere dahingehend, ob Nichtigkeitsgründe nach § 879 ABGB oder nach dem UG vorliegen oder Bestimmungen des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes missachtet worden sind und sich daraus Schadenersatzansprüche der unterlegenen Bewerber ergeben könnten (Rz 53). Die Entscheidung, „ob und in welchem Umfang dem Antragsteller im Berufungsverfahren nach § 98 UG subjektive Rechte zukommen“ (Rz 55), wurde den Gerichten zugewiesen. Aufgrund dieses klaren Systemwechsels sind die Erwägungen des Klägers, die auf eine Fortführung des Individualrechtsschutzes hinauslaufen, wie er unter dem Regime des UOG 1975 und des UOG 1993 zu öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen bestand, nicht zielführend. Ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Feststellung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 228 ZPO lässt sich damit nicht begründen.

5.  Eine Notwendigkeit zu der von ihm angeregten Anrufung des Verfassungsgerichtshofs oder des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht nicht.

6.  Mangels einer entscheidungsrelevanten Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers daher zurückzuweisen.

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