Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 406,08 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die seit 2. 8. 1983 bei der Beklagten als Personalreferentin beschäftigte Klägerin wurde am 30. 1. 1996 zum 31. 3. 1996 gekündigt.
Mit der Behauptung, schon im Zeitpunkt der Kündigung schwanger gewesen zu sein und daher Kündigungsschutz zu genießen, begehrt die Klägerin die Feststellung des aufrechten Bestandes ihres Dienstverhältnisses und Zahlung von S 119.313 brutto sA an laufenden Entgelten für April bis einschließlich 4. 7. 1996 sowie Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. 1. bis 4. 7. 1996.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Kündigung sei rechtswirksam, weil die Klägerin ihre Schwangerschaft nicht rechtzeitig bekanntgegeben habe.
Das Erstgericht wies mit dem als "Teil- und Zwischenurteil" bezeichneten Teilurteil vom 24. 11. 1997 das Feststellungsbegehren ab und behielt sich die Entscheidung über das Zahlungsbegehren vor. Nach seinen Feststellungen suchte die Klägerin am 14. 3. 1996 erstmals in diesem Jahr ihren Gynäkologen auf, der feststellte, daß sie sich in der 17. Schwangerschaftswoche befand. Sie teilte dies der Sekretärin des Geschäftsführers der Beklagten am Freitag, dem 15. 3. 1996 um
17.30 Uhr, somit sechs Wochen nach Zustellung der Kündigung, mit. Am Montag, dem 18. 3. 1996, ließ sie durch ihren Lebensgefährten - sie selbst war zu diesem Zeitpunkt unpäßlich - der Beklagten die ärztliche Schwangerschaftsbestätigung überbringen. Am 31. 8. 1996 gebar die Klägerin ihr (erstes) Kind. Sie war aber in den Jahren zuvor bereits zweimal schwanger gewesen. In der fraglichen Zeit hatte die Klägerin keine gezielte Verhütung betrieben. Sie hatte bis Anfang 1995 regelmäßig ein Blutungsintervall von 28 Tagen bei einer Blutungsdauer von 4 Tagen. Die letzte normale Regelblutung fand am 23. 11. 1995 statt; danach wurde die Klägerin schwanger. Von November 1995 bis März 1996 traten keine regelmäßigen Blutungen ein. Ob in dieser Zeit überhaupt Blutungen eintraten, ist nicht feststellbar. Ebensowenig steht fest, ob sonstige Schwangerschaftssymptome auftraten. Anläßlich der Kündigung äußerte die Klägerin gegenüber einer Arbeitskollegin, sie würde lachen, wenn sie schwanger wäre.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß gemäß § 10 Abs 2 MSchG eine Kündigung auch dann rechtsunwirksam sei, wenn die Dienstnehmerin aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen die Schwangerschaft nicht binnen fünf Arbeitstagen habe bekanntgeben können, die Bekanntgabe aber unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt werde. Die Klägerin hätte bei Ausspruch der Kündigung bzw kurz danach der Beklagten - so wie auch ihrer Kollegin - die Vermutung der Schwangerschaft mitteilen können. Da sie bereits seit November 1995 zumindest unregelmäßige Blutungen gehabt habe, wäre ihr zuzumuten gewesen, sich durch einen Arztbesuch Gewißheit über ihren Zustand zu verschaffen. Da somit die Bekanntgabe der Kündigung verspätet erfolgt sei, sei die Kündigung rechtswirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen Rechtsauffassung. Eine vom Arbeitgeber in der Phase der Unsicherheit ausgesprochene Kündigung sei nur dann unwirksam, wenn die Arbeitnehmerin eine auch nur vermutete Schwangerschaft sogleich bekanntgebe. Alternativ dazu hätte die Klägerin bei den ersten Anzeichen einer möglichen Schwangerschaft umgehend einen Arzt konsultieren müssen, um jegliches Verschulden am Unterbleiben einer fristgerechten Verständigung des Arbeitgebers zu vermeiden. Dennoch habe die Klägerin, die bereits am 23. 11. 1995 ihre letzte Regelblutung gehabt und bereits bei Ausspruch der Kündigung die Möglichkeit einer Schwangerschaft erwähnt habe, weitere sechs Wochen verstreichen lassen, bevor sie sich über ihre Schwangerschaft Gewißheit verschafft habe. Die am 15. 3. 1996 erfolgte Bekanntgabe der Schwangerschaft sei daher nicht mehr rechtzeitig iS § 10 Abs 2 MSchG.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie iS der Stattgebung des (Feststellungs-)klagebegehrens abzuändern.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 10 Abs 1 MSchG können Dienstnehmerinnen während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung rechtswirksam nicht gekündigt werden, es sei denn, daß dem Dienstgeber die Schwangerschaft bzw Entbindung nicht bekannt ist. Gemäß § 10 Abs 2 MSchG ist eine Kündigung auch rechtsunwirksam, wenn die Tatsache der Schwangerschaft bzw Entbindung binnen fünf Arbeitstagen nach Ausspruch der Kündigung, bei schriftlicher Kündigung binnen fünf Tagen nach deren Zustellung, dem Dienstgeber bekanntgegeben wird. Kann die Dienstnehmerin aus Gründen, die nicht von ihr zu vertreten sind, dem Dienstgeber die Schwangerschaft nicht innerhalb der 5-Tage-Frist bekanntgeben, so gilt die Bekanntgabe als rechtzeitig erstattet, wenn sie unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt wird. Als Gründe, die von der Dienstnehmerin nicht zu vertreten sind, sind solche anzusehen, welche die Dienstnehmerin ohne ihr Verschulden außerstande setzen, selbst oder durch Dritte die Bekanntgabe der Schwangerschaft an den Dienstgeber zu übermitteln. Ein solcher Hinderungsgrund ist auch dann gegeben, wenn die Schwangere im Zeitpunkt der Kündigung bzw. innerhalb der Frist von fünf Tagen von ihrem Zustand noch keine Kenntnis hat (Arb 9428; Arb 10.328; Knöfler, MSchG12 190).
Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen kann aus § 10 Abs 2 MSchG eine Verpflichtung der Dienstnehmerin, die bloße Vermutung einer Schwangerschaft dem Dienstgeber bekanntzugeben, nicht abgeleitet werden (Arb 9428; Arb 10.327). Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob der Hinderungsgrund der mangelnden Kenntnis von der Schwangerschaft auch dann von der Schwangeren nicht zu vertreten ist, wenn sie deutlichen Anzeichen einer Schwangerschaft nicht nachgeht und deshalb ihren Zustand dem Dienstgeber nicht bekanntgeben kann.
In der Lehre wird dazu der Standpunkt vertreten, daß die Dienstnehmerin den Hinderungsgrund der Unkenntnis von ihrem Zustand zu vertreten hat und deshalb den mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutz verliert, wenn sie sich trotz vorhandener Anzeichen einer Schwangerschaft nicht ehestmöglich durch einen Arztbesuch Gewißheit verschafft (Knöfler, MSchG12 189; Grillberger, Mutterschutzrechtliche Mitteilungs- und Nachweispflichten der Arbeitnehmerin, FS Strasser (1983) 241ff [249]; Binder, Probleme des arbeitsvertraglichen Bestandschutzes im Falle der Mutterschaft, ZAS 1978, 83ff [88]; Petrovic in DRdA 1991, 302; Beck-Mannagetta in DRdA 1985, 414). Auch der Oberste Gerichtshof ging in seiner Entscheidung Arb 9428 von ähnlichen Überlegungen aus, erachtete die Unkenntnis von der Schwangerschaft aber nur dann als von der Schwangeren zu vertreten, wenn sie trotz eines "dringenden Verdachtes für das Bestehen einer Schwangerschaft" den zur Klarstellung erforderlichen Arztbesuch unterlasse.
Der erkennende Senat vertritt ebenfalls die Auffassung, daß die Schwangere den Hinderungsgrund der Unkenntnis von ihrem Zustand iS § 10 Abs 2 MSchG zu vertreten hat, wenn sie trotz gravierender Hinweise auf das Bestehen einer Schwangerschaft nicht umgehend für die Klarstellung ihres Zustandes sorgt. Nur diese Auslegung wird dem Zweck der durch § 10 Abs 2 MSchG normierten Befristung, den Eingriff in die Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers durch die andauernde Aufrechterhaltung des Schwebezustandes hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung nicht in unzumutbarer Weise aufrechtzuerhalten (Arb 10.895), gerecht, ohne gleichzeitig in unzumutbarer Weise die Interessen der durch das MSchG geschützten Arbeitnehmerinnen zu beeinträchtigen. Von einem unzulässigen Eingriff in die Intimspähre der Schwangeren oder von einer unzulässige Diskriminierung kann dabei nicht die Rede sein.
Im hier zu beurteilenden Fall hatte die bereits zum dritten Mal schwangere Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung jedenfalls bereits seit mehr als zwei Monaten keine regelmäßigen Blutungen mehr gehabt; ob in diesem Zeitpunkt überhaupt Blutungen bestanden und ob weitere Schwangerschaftssymptome auftraten, erachtete das Erstgericht nicht als feststellbar. Allein das Ausbleiben der regelmäßigen Regelblutung mußte aber für die bereits zum dritten Mal schwangere Klägerin, die im fraglichen Zeitpunkt keine gezielte Verhütung betrieben hatte, ein ernstzunehmendes Indiz für das Vorliegen einer Schwangerschaft darstellen und wurde von ihr offenbar auch in diesem Sinn interpretiert, wie ihre Äußerung gegenüber einer Arbeitskollegin, sie würde lachen, wenn sie schwanger wäre, deutlich macht. Trotzdem wartete die Klägerin mehr als sechs Wochen - also bis zur 17. Schwangerschaftswoche (!) - zu, bis sie sich durch eine ärztliche Untersuchung über ihren Zustand Klarheit verschaffte. Damit kann aber iS der dargestellten Rechtslage nicht mehr gesagt werden, daß die Unmöglichkeit, dem Dienstgeber die Schwangerschaft früher mitzuteilen, nicht von ihr zu vertreten ist. Die erst mehr als sechs Wochen nach dem Ausspruch der Kündigung erfolgte Bekanntgabe der Schwangerschaft war daher nicht mehr rechtzeitig iS § 10 Abs 2 MSchG, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Über diese Kosten war schon jetzt zu entscheiden, weil sich das Revisionsverfahren auf das vom Erstgericht erlassene Teilurteil als eigenen Anfechtungsgegenstand bezieht und dessen Schicksal für die Verteilung der in diesem Prozeßabschnitt aufgelaufenen Kosten maßgeblich ist (1Ob611/95; Fasching, Kommentar II 364).
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