OGH 1Ob611/95

OGH1Ob611/955.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** S***** G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Markus Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.Wolfgang H*****, vertreten durch Dr.Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen 77.753,28 S sA und Räumung infolge Rekurses der klagenden Partei (Rekursinteresse 12.923,79 S sA) gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 30.Mai 1995, GZ 40 R 332/95-86, womit aus Anlaß der Berufungen beider Parteien das Teilurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16.Jänner 1995, GZ 44 C 167/89-80, in Ansehung eines Teilbetrags von 12.923,79 S sA als nichtig aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der im berufungsgerichtlichen Urteil vom 30.Mai 1995, GZ 40 R 332/95-86, enthaltene Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens werden aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufungen der Parteien gegen das erstgerichtliche Teilurteil auch in Ansehung des Teilklagebegehrens von 12.923,79 S (Mietzins/Wohnung für den Zeitraum September 1988 bis Jänner 1989) zu entscheiden.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte zuletzt den Zuspruch von 77.753,28 S sA und die Übergabe einer von Fahrnissen des Beklagten geräumten Wohnung samt Kellerabteil und Kfz-Abstellplatz (ON 38 S. 2 f; ON 53 S. 1). Sie brachte - soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung - im wesentlichen vor, sie habe dem Beklagten eine Wohnung samt Kellerabteil und Kfz-Abstellplatz vermietet Der Beklagte sei mit der Zahlung des Mietzinses in Verzug geraten und schulde den Klagebetrag für verschiedene Zinsperioden. Ein Teilbetrag von 12.923,79 S entfalle auf den Wohnungsmietzins für den Zeitraum von September 1988 bis Jänner 1989.

Der Beklagte replizierte im wesentlichen, daß für einzelne Zeiträume, die dem Zahlungsbegehren zugrunde lägen, rechtskräftige Zahlungsbefehle existierten. Infolge erheblich eingeschränkter Gebrauchsfähigkeit des Mietgegenstands über einen längeren Zeitraum habe er einen Anspruch auf Mietzinsminderung. Überdies wendete der Beklagte Gegenforderungen in einem die Klageforderung übersteigenden Betrag bis zu deren Höhe aufrechnungsweise ein.

Mit Teilurteil vom 16.Jänner 1995 sprach das Erstgericht aus, daß die Klageforderung mit 68.537,28 S und die Gegenforderung mit 15.113,94 S zu Recht bestünden und der Beklagte daher schuldig sei, der klagenden Partei 53.423,34 S sA zu bezahlen; das Mehrbegehren (von 24.329,94 S) wies es nicht ausdrücklich ab.

Das Gericht zweiter Instanz hob mit dem „aus Anlaß der Berufung“ gefaßten und in das Berufungsurteil vom 30.Mai 1995 aufgenommenen Beschluß „das angefochtene Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren im Umfang der Klageforderung von 12.923,79 S (Bestandzinsforderung für 9/88 bis 1/89) als nichtig“ auf und erkannte im übrigen zu Recht, daß die Klageforderung mit 61.232,28 S und die Gegenforderung mit 34.550,82 S zu Recht bestünden, der Beklagte sei daher schuldig, der klagenden Partei 26.681,46 S sA zu bezahlen: Das Mehrbegehren von 38.148,03 S sA wies es ab. Den Beschluß begründete es im wesentlichen damit, daß die klagende Partei für einen Teilbetrag ihres Klagebegehrens (12.923,79 S Mietzins/Wohnung für den Zeitraum September 1988 bis Jänner 1989) bereits einen rechtskräftigen Leistungstitel (Zahlungsbefehl vom 14.Februar 1989) erwirkt habe. Das angefochtene Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren seien daher im Umfang der schon im Vorprozeß rechtskräftig entschiedenen Streitsache als nichtig aufzuheben gewesen. Damit wurde implizit die Klage zurückgewiesen, soweit dieser - nach Ansicht des Berufungsgerichts - das absolute Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache entgegenstehen soll.

Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit das Berufungsgericht das Ersturteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufhob (und damit implizit die Klage zurückwies), ist der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 ZPO stets zulässig (Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 3 zu § 519). Die von der klagenden Partei erhobene „außerordentliche Revision“ richtet sich nur gegen den vom Berufungsgericht gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO gefaßten und auf den Teilbetrag des Klagebegehrens von 12.923,79 S sA bezogenen Beschluß. Das Rechtsmittel ist daher als Rekurs zu behandeln.

Die klagende Partei gliederte ihr Leistungsbegehren im Schriftsatz vom 13.September 1991 (ON 35) dahin auf, daß „Mietzins/Benützungsentgelt für die Wohnung“ ua auch für den Zahlungszeitraum September 1988 bis Jänner 1989 unbezahlt sei; für den Kfz-Abstellplatz werde der Zuspruch von „Mietzins/Benützungsentgelt“ für den Zeitraum ab Februar 1989 begehrt. Im Schriftsatz vom 4.Oktober 1991 (ON 38) stellte die klagende Partei die Anrechnung der vom Beklagten geleisteten Zahlung (19.107,80 S) auf die - ihrer Ansicht nach - bisher ungedeckten Forderungen dar und wies zum einen das „Benützungsentgelt“ für den Kfz-Abstellplatz für 1989 und 1990, zum anderen das „Benützungsentgelt“ für die Wohnung für Juni und Juli 1990 als getilgt aus, rechnete als verbleibenden Rest 1.760,38 S „auf die klagsgegenständliche Forderung“ an, korrigierte den an monatlichem „Benützungsentgelt“ für bestimmte Zeiträume begehrten Betrag geringfügig und schränkte das Leistungsbegehren auf 77.753,28 S sA ein, ohne jedoch ihr Prozeßvorbringen zu jenen Mietzinsperioden, in deren Ansehung der Beklagte in Leistungsverzug geraten sein soll, zu ändern. Als das Erstgericht sein Teilurteil vom 16.Jänner 1995 fällte, begehrte die klagende Partei den Betrag von 77.753,28 S aber nur noch für auf die Wohnung entfallendes „Benützungsentgelt/Miete“.

Der von der klagenden Partei im Verfahren zur AZ 44 C 108/89 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien erwirkte, am 14.Februar 1989 erlassene und in Rechtskraft erwachsene Zahlungsbefehl gegen den Beklagten bezieht sich auf die „Miete für den Garagenplatz“ für den Zeitraum von Juli 1988 bis Jänner 1989. Diesem Leistungstitel liegt also überhaupt keine Mietzinsforderung für die Wohnung zugrunde; im übrigen knüpfte das im vorliegenden Verfahren ursprünglich geltend gemachte Zahlungsbegehren für den Kfz-Abstellplatz an die zeitliche Begrenzung des Zuspruchs im Zahlungsbefehl vom 14.Februar 1989 an. Auch die vom Berufungsgericht zitierten, von der klagenden Partei gegen den Beklagten erwirkten Zahlungsbefehle des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Dezember 1986 (AZ 44 C 924/86) und 13.November 1987 (AZ 44 C 823/87) beziehen sich auf keinen der Leistungszeiträume, die im vorliegenden Verfahren zum Gegenstand des Leistungsbegehrens gemacht wurden.

Für den erkennenden Senat ist daher die Ansicht des Berufungsgerichts, die klagende Partei begehre 12.923,79 S sA „trotz entschiedener Rechtssache neuerlich“, nicht nachvollziehbar. Wie im Rekurs richtig dargelegt wird, fehlt es bisher an einer gerichtlichen Entscheidung über eine Leistungspflicht des Beklagten für den auf den Zeitraum September 1988 bis Jänner 1989 entfallenden Mietzins für die Wohnung.

Der angefochtene Beschluß ist somit aufzuheben. Die von den Parteien gegen das Teilurteil des Erstgerichts vom 16.Jänner 1995 erhobenen Berufungen beziehen sich im einzelnen auch auf Beträge, die auf den Zeitraum September 1988 bis Jänner 1989 entfallen (ON 81 und 82). Das Gericht zweiter Instanz hat daher in Ansehung des Teilbetrags von 12.923,79 S über beide Berufungen zu entscheiden. In diesem Zusammenhang ist überdies hervorzuheben, daß der angefochtene Beschluß nicht erkennen läßt, in welcher Art sich der Betrag von 12.923,79 S auf den klagestattgebenden bzw den klageabweisenden Teil der vom Erstgericht gefällten Entscheidung aufteilt.

Da sich der Prozeßerfolg der Parteien im Berufungsverfahren abschließend erst beurteilen läßt, wenn das Gericht zweiter Instanz meritorisch über den Teilbetrag von 12.923,79 S sA entschieden haben wird, ist auch die über die Kosten des Berufungsverfahrens gefällte Entscheidung aufzuheben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens. Das Gericht zweiter Instanz kann nämlich über die Kosten des Berufungsverfahrens endgültig entscheiden, weil sich dieses Rechtsmittelverfahren auf das vom Erstgericht erlassene Teilurteil als eigenen Anfechtungsgegenstand bezieht und dessen Schicksal für die Verteilung der in diesem Prozeßabschnitt aufgelaufenen Kosten maßgeblich ist (M.Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß 409; Fasching, Kommentar II 364; 1 Ob 539/81 [Bestätigung eines Teilurteils]; 5 Ob 509/76 [Bestätigung eines Teilurteils]).

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