Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war vom 6. 9. 1999 bis 27. 3. 2002 bei der beklagten Partei als Bäckerlehrling beschäftigt. Das Lehrverhältnis endete durch Entlassung.
Mit der Begründung, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein, begehrte der Kläger den Zuspruch von EUR 7.897,87 brutto sA, bestehend aus Lohndifferenzen für Feber und März 2002 in Höhe von EUR 70,75 und EUR 148,93 sowie beendigungsabhängige Ansprüche von EUR 354,14 für 15 Werktage Urlaubsersatzleistung und EUR 7.324,05 an Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 28. 3. bis 8. 9. 2002. Der Kläger habe die Beendigung an sich akzeptiert, jedoch erst am 9. 9. 2002 wieder eine Arbeit gefunden, sodass ihm bis dahin Kündigungsentschädigung zustehe.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, dass der Kläger am 26. 3. 2002 der Anweisung des Geschäftsführers (der Komplementär-GmbH), bestimmte Arbeiten zu verrichten, nicht Folge geleistet habe. Trotz Ermahnung und Androhung der Entlassung habe er seine Arbeit nicht wieder aufgenommen. Die Entlassung sei daraufhin mündlich ausgesprochen und noch am selben Tag in Schriftform bestätigt worden.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei für schuldig, dem Kläger EUR 219,68 brutto sA zu zahlen (uzw aus dem Titel von Lohndifferenzen für Feber und März 2002; dieser Zuspruch erwuchs unangefochten in Rechtskraft). Das Mehrbegehren von EUR 7.678,19 brutto sA (Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung) wies es ab. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Kläger hatte eine Arbeitszeit von 6 ¾ Stunden zuzüglich einer halbstündigen Ruhepause. Er begann mit seiner Arbeit in der Regel zwischen 3.00 und 4.00 Uhr früh, sodass seine Arbeitszeit zwischen 10.00 und 11.00 Uhr vormittags endete. Die Pause wurde zumeist in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr morgens eingelegt.
Am 26. 3. 2002 begann der Kläger um 3.00 Uhr morgens mit seiner Arbeit im Betrieb der beklagten Partei. Er hatte an diesem Tag die Weisung erhalten, gemeinsam mit anderen Arbeitskollegen 590 Stück "Mini-Osterpinzen" in durchsichtige Säckchen zu verpacken, welche zur Auslieferung in eine Filiale bestimmt waren. Die Arbeit gestaltete sich derart, dass die semmelgroßen Backstücke vom Backblech zu trennen und in Verpackungen zu je drei Stück zu geben waren.
Schon öfter hatte der Kläger gegenüber Arbeitskollegen erwähnt, dass er seine Arbeit bei der Beklagten beenden werde, weil sie ihn nicht interessiere. Dies brachte er auch am 26. 3. 2002 gegen 9.00 Uhr gegenüber seinen Arbeitskollegen erneut zum Ausdruck, indem er mitteilte, dass es ihn nicht mehr freue und dass er heimgehen wolle. Davon wurde der Geschäftsführer verständigt. Er begab sich daraufhin zum Kläger und fragte ihn, was los sei. Dieser gab ihm zur Antwort, dass es ihn "anzipfe", er werde nach Hause gehen. Der Geschäftsführer forderte daraufhin den Kläger auf, seine Arbeit weiter zu verrichten. Dem kam der Kläger nicht nach, er schickte sich vielmehr an, den Betrieb zu verlassen. Daraufhin drohte der Geschäftsführer dem Kläger an, ihn zu entlassen, wenn er jetzt nach Hause gehe. Der Kläger gab zur Antwort, dass ihm dies egal sei, packte seine Sachen und verließ seinen Arbeitsplatz. Daraufhin sprach der Geschäftsführer die Entlassung mündlich aus und verfasste noch am selben Tag ein schriftliches Entlassungsschreiben, welches dem Kläger am 27. 6. 2002 zuging. Mit fremder Hilfe verfasste der Kläger dann seinerseits ein Schreiben, aus dem hervorging, dass er weiter arbeitsbereit sei. Er erschien aber nicht wieder bei der beklagten Partei. Er meldete sich in der Folge beim AMS arbeitsuchend, fand aber als Bäcker keine Arbeit. Schließlich nahm er eine Tätigkeit als Schlosserhelfer an, um die Zeit bis zum Beginn seines Präsenzdienstes zu überbrücken.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Entlassung des Klägers aus dem Grunde des § 15 Abs 3 lit c BAG berechtigt gewesen sei, sodass dieser keinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung habe.
Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung Berufung mit einer Rechts- und einer Beweisrüge.
Das Berufungsgericht gab der Berufung schon aufgrund der Rechtsrüge Folge und behandelte die Beweisrüge nicht mehr. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass es sich bei der Verfehlung des Klägers um eine erstmalige gehandelt habe, sodass der Entlassungsgrund nach § 15 Abs 3 lit c BAG noch nicht erfüllt sei. Auch der Entlassungsgrund nach § 15 Abs 3 lit e BAG (unbefugtes Verlassen des Lehrplatzes) könne hier nicht angenommen werden, weil der Kläger seinen Arbeitsplatz nur rund eine Stunde vor Arbeitsende verlassen habe. Seitens der beklagten Partei sei nicht behauptet worden, dass die Anwesenheit des Klägers während dieser kurzen Zeitspanne besonders wichtig gewesen oder aber ihr daraus ein Schaden entstanden sei.
Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes mit der Bestimmung des § 15 Abs 3 lit c BAG nicht vereinbar ist; sie ist im Rahmen eines in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Gemäß § 15 Abs 3 lit c BAG liegt ein Grund, der den Lehrberechtigten zur vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses berechtigt, vor, wenn der Lehrling trotz wiederholter Ermahnungen die ihm aufgrund dieses Bundesgesetzes, des Schulpflichtgesetzes.... oder des Lehrvertrages obliegenden Pflichten verletzt oder vernachlässigt. Wohl ist gerade bei den noch jugendlichen Lehrlingen erforderlich, dass ihnen der Ernst der Situation in Bezug auf das Lehrverhältnis entsprechend deutlich vor Augen geführt und sie aufgrund der wiederholten Ermahnungen erkennen können, dass eine weitere Pflichtenvernachlässigung Konsequenzen haben werde (RIS-Justiz RS0052761), doch kann daraus keineswegs der generelle Schluss gezogen werden, dass erstmalige Verfehlungen nicht zur Entlassung eines Lehrlings berechtigen. Kriterium ist vielmehr - wie auch bei anderen Entlassungsgründen - die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung durch den Lehrberechtigten (8 ObA 32/03v). Im vorliegenden Fall muss das Verhalten des Klägers - ausgehend von den getroffenen Feststellungen - als beharrliche und erhebliche, aber auch schuldhafte Pflichtverletzung angesehen werden, zumal weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschließungsgründe ersichtlich sind. Besondere Bedeutung kommt hier dem Umstand zu, dass der Geschäftsführer aufgrund von Beschwerden anderer Arbeitnehmer auf das Fehlverhalten des Klägers aufmerksam gemacht worden war und dieser in Gegenwart seiner Arbeitskollegen in seinem Fehlverhalten verharrte, ohne dass dieses aus der Situation heraus erklärbar gewesen wäre oder der Kläger auch nur den Versuch einer Rechtfertigung unternommen hätte. Mit jugendlicher Unbesonnenheit allein kann die Arbeitsverweigerung des Klägers nicht erklärt werden. Da der Geschäftsführer die materiellen Erfordernisse der zumindest zweimaligen Ermahnung nicht nur eingehalten, sondern sogar mit der ernsten und für den Kläger wie für jedermann verständlichen Konsequenz der Entlassung bei weiterem Zuwiderhandeln gedroht hat, muss die Entlassung aus dem Grunde des § 15 Abs 3 lit c BAG als berechtigt angesehen werden. Es bedarf daher derzeit keiner Überprüfung des Vorliegens des Entlassungsgrundes nach § 15 Abs 3 lit e BAG.
Ausgehend von seiner, vom Revisionsgericht nicht geteilten Rechtsauffassung, hat jedoch das Berufungsgericht die Beweisrüge nicht behandelt. Erst wenn dies nachgeholt worden ist, wird eine abschließende Beurteilung möglich sein.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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