European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00070.14F.0722.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Zur Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof bedarf es der Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO.
Der Kläger macht hier im Ergebnis im Revisionsverfahren noch geltend, dass der von ihm mit der Beklagten geschlossene Tankstellenvertrag wegen dessen Nachteiligkeit für den Kläger wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 879 ABGB nichtig sei. Er begehrt für die von ihm bei der Führung der Tankstelle in den ca 2 Jahren und 8 Monaten geleisteten Arbeitsstunden den Kollektivvertragslohn abzüglich seiner Geschäftsgewinne in diesen Jahren.
Das Berufungsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger, der bereits davor bei dieser Tankstelle gearbeitet hatte, bei dem über seine Initiative erfolgten Abschluss des Vertrags gewusst habe, dass die Tankstelle ohne die Betriebskostenzuschüsse der Beklagten nicht gewinnbringend zu führen sei. Der Kläger habe mit den Betriebskostenzuschüssen auch regelmäßig einen Gewinn erwirtschaftet, wenngleich nicht in der von ihm erwarteten Höhe.
Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Regelfall ‑ solange das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschreitet ‑ keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (vgl etwa Kodek in Rechberger ZPO4 § 502 Rz 26; RIS‑Justiz RS0042881, RS0042405).
Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits in der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung zu 9 ObA 15/09k ausgeführt, dass eine allfällige Sittenwidrigkeit eines solchen Vertrags nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann. Auch damals war sich der Kläger bei Vertragsabschluss bewusst, dass er die Risiken einschließlich der Unrentabilität der Handelsvertretung als Tankstellenbetreiber übernimmt und wusste aufgrund seiner Erfahrung mit der Führung einer Tankstelle, dass die gepachtete Tankstelle unter den üblichen Konditionen nicht gewinnbringend zu führen sein werde.
Auch damals verneinte das Berufungsgericht die Sittenwidrigkeit des über Initiative des Klägers abgeschlossenen Tankstellenvertrags und berücksichtigte dabei das Wissen des Klägers, dass die gepachtete Tankstelle unter den üblichen Konditionen nicht gewinnbringend zu führen sein werde. Der Oberste Gerichtshof erachtete die Verneinung der Sittenwidrigkeit gemäß § 879 Abs 1 ABGB als vertretbar. Davon abzugehen bietet der vorliegende Fall keinen Anlass. Dazu ist auch darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof in Fällen, in denen die Tankstellen nicht gewinnbringend geführt werden können, dem Tankstellenpächter auch im Fall der Eigenkündigung einen Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG 1993 zubilligt (RIS‑Justiz RS0124725) und der Betriebskostenzuschuss, der dem Kläger einen Gewinn verschaffte, jeweils vor oder in den ersten Monaten des jeweiligen Jahres vereinbart wurde. Es musste dem Kläger also relativ rasch klar sein, ob er das Vertragsverhältnis zu den wirtschaftlichen Bedingungen weiter aufrecht halten will. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass gerade auch die vom Kläger herangezogene Entscheidung zu 9 ObA 35/09a festhält, das die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung nicht nur beim Kauf, sondern bei jedem Rechtsgeschäft im Sinn des § 1056 ABGB nicht nur einer dritten Person, sondern auch einer der Parteien des Rechtsgeschäfts überlassen werden kann (RIS‑Justiz RS0020079 ua), soweit diese nicht willkürlich erfolgt (RIS‑Justiz RS0017784 ua). Inwieweit die Festsetzung der Betriebskostenzuschüsse willkürlich erfolgte und diese überhaupt von den vertraglichen Grundlagen erfasst waren, bedarf nun schon deshalb keiner weiteren Erörterung, weil der Kläger ja keine Erhöhung der Betriebskostenzuschüsse begehrt, sondern den Kollektivvertragslohn.
Der Kläger stützt sich auch darauf, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 9 ObA 4/13y ausgesprochen hat, dass ein kalkulatorischer Unternehmerlohn des Tankstellenpächters ermittelt und geprüft werden soll, ob er im Geschäftsgewinn Deckung findet, weil den Tankstellenpächter keine „Selbstaufopferungspflicht“ trifft. Dies bezog sich aber ebenfalls auf die Prüfung, ob die vom Unternehmer vorgegebenen Bedingungen eines Tankstellenpachtvertrags einen wirtschaftlichen Betrieb unter zumutbaren Voraussetzungen nicht ermöglichen und daher auch bei Selbstkündigung durch den Tankstellenpächter dessen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 3 HVertrG gewahrt bleibt (RIS‑Justiz RS0124725). Daraus kann aber auch nicht abgeleitet werden, dass der Kläger, dem die Verhältnisse im Tankstellenbetrieb völlig bewusst waren, in die Irre geführt worden wäre, weil dem von ihm letztlich unter Berücksichtigung der Betriebskostenzuschüsse doch erzielten positiven Betriebsergebnis nicht auch der von ihm angestrebte Unternehmerlohn zugrundegelegt wurde.
Insgesamt zeigt die Revision somit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf und ist daher zurückzuweisen.
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