Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich ihrer bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den Zugang des Klägers zum Betrieb in Jennersdorf zur Ausübung seiner arbeitsverfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte jederzeit zu dulden und entgegenstehende Weisungen zu unterlassen bzw zurückzuziehen, wird abgewiesen.
Die Parteien haben die von ihnen verzeichneten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz selbst zu tragen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 556,99 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 92,83 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger stellte das im Spruch ersichtliche Klagebegehren und beantragte gleichzeitig die Erlassung einer gleichlautenden einstweiligen Verfügung.
Er sei im Betrieb der Beklagten in Jennersdorf tätig, in dem es noch keinen Betriebsrat gebe. Er habe die Initiative zur Gründung eines Betriebsrats ergriffen und gemeinsam mit anderen am 12. 8. 2004 die Kundmachung zur Abhaltung der Gruppenversammlung der Arbeiter zur Wahl des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl öffentlich ausgehängt. Die Gruppenversammlung sei für 26. 8. 2004 angesetzt worden. Am 16. 8. 2004 sei der Kläger von der Beklagten deshalb - somit aus einem verpönten Motiv - zum 30. 11. 2004 gekündigt und dienstfrei gestellt worden. Darüber hinaus sei ihm das Betreten des Betriebs verboten worden. Dadurch werde die Ausübung arbeitsverfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte (Teilnahme an einer Betriebsversammlung, Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsratswahl, Kandidatur zur Wahl des Wahlvorstands und zur Betriebsratswahl) verhindert.
Gesondert brachte der Kläger eine Klage gegen die Beklagte ein, mit der er begehrte, die am 16. 8. 2004 zum 30. 11. 2004 erklärte Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. Das Verfahren über diese Klage ist noch nicht abgeschlossen.
Unmittelbar nach Einlangen der hier zu beurteilenden Klage hat das Erstgericht die begehrte einstweilige Verfügung erlassen. Dagegen erhob die Beklagte Widerspruch.
In der Hauptsache beantragte sie, das Klagebegehren abzuweisen. Sowohl im Provisorial- als auch im Hauptverfahren brachte die Beklagte vor, dass die Kündigung und Dienstfreistellung des Klägers mit den Aktivitäten des Klägers zur Gründung eines Betriebsrats in keinem Zusammenhang stehe. Zudem handle es sich beim Standort Jennersdorf um keinen Betrieb. Der Kläger sei auch gar nicht aktiv und passiv wahlberechtigt.
Das Erstgericht führte das Verfahren über den Widerspruch und das Hauptverfahren gemeinsam durch. Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz war der 14. 11. 2006.
Mit Beschluss vom 14. 11. 2006 hob das Erstgericht die am 20. 8. 2004 erlassene einstweilige Verfügung auf, soweit sie über den 30. 11. 2004 hinaus erlassen wurde.
Mit Urteil vom selben Tag verpflichtete das Erstgericht die Beklagten, den Zugang des Klägers zum Betrieb in Jennersdorf zur Ausübung seiner arbeitsverfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte bis zum 30. 11. 2004 zu dulden und bis zu diesem Zeitpunkt entgegenstehende Weisungen zu unterlassen bzw zurückzuziehen. Das Mehrbegehren des Klägers für die Zeit ab 30. 11. 2004 wies das Erstgericht ab.
Es stellte ua fest, dass ausschließliches Motiv der Beklagten für die Kündigung des Klägers die Unzufriedenheit mit dessen Arbeitsleistung war. Ferner stellte es fest, dass der Kläger mit seiner Liste bei der Betriebsratswahl vom 16. 9. 2004 fünf von sieben Mandaten erzielt hat und zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Dienstverhältnis des Klägers durch die Kündigung mit 30. 11. 2004 geendet habe. Im Hinblick auf sein Betriebsratsmandat habe ihm bis zu diesem Zeitpunkt der Zutritt zum Betrieb zur Ausübung seiner arbeitsverfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte eingeräumt werden müssen. In diesem Umfang sei daher seinem Begehren stattzugeben. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren sei jedoch abzuweisen. Das nur von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte den klagestattgebenden Teil dieser Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens war bzw ist ausschließlich der Einwand der Beklagten, wonach einem Leistungsbegehren für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nicht stattgegeben werden könne. Das Berufungsgericht folgte diesem Einwand nicht. Obwohl der Zeitraum, über den das Erstgericht abgesprochen habe, bereits in der Vergangenheit liege, habe der Kläger dennoch weiterhin ein Interesse an einer endgültigen Entscheidung über das auf Duldung und Unterlassung gerichtete Leistungsbegehren und damit auch an einer Aussage darüber, ob er allenfalls widerrechtlich oder berechtigt trotz eines Betretungsverbots die Betriebsräumlichkeiten der Beklagten aufgesucht habe oder ordnungsgemäß seinen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen (etwa im Zusammenhang mit Mitwirkungs- oder Äußerungspflichten) nachkommen habe können. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass derzeit - ungeachtet des Ausgangs des Parallelverfahrens - von einer rechtswirksamen Kündigung ausgegangen werden müsse und dass dem Kläger aufgrund der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung das Betreten des Betriebs ohnedies gestattet worden sei. Auch in anderen Zusammenhängen gebe es Entscheidungen, die sich ausschließlich auf in der Vergangenheit bestehende Arbeitsverhältnisse beziehen, so etwa das Begehren auf Feststellung der Dauer eines in der Vergangenheit beendeten Arbeitsverhältnisses.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat. Sie ist auch berechtigt. Da über die Kündigungsanfechtungsklage des Klägers noch nicht entschieden wurde und seine Kündigung daher seit 30. 11. 2004 schwebend rechtswirksam ist (RIS-Justiz RS0052018), hat das Erstgericht das Klagebegehren, soweit es die Zeit nach dem (schwebend rechtswirksamen) Ende des Dienstverhältnisses betrifft, abgewiesen. Diese Abweisung ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des Verfahrens ist daher nur mehr das die Zeit bis 30. 11. 2004 betreffende Klagebegehren.
Das noch offene Leistungs- bzw Duldungsbegehren- und Unterlassungsbegehren bezog sich daher schon zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (14. 11. 2006) ausschließlich auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, sodass ihm die Beklagte schon damals nicht mehr entsprechen konnte bzw gar keine Möglichkeit für die Beklagte bestand, durch weitere Rechtsgutverletzungen gegen ein (nur für die Vergangenheit) stattgebendes Urteil zu verstoßen. Da somit ein diesem Begehren stattgebendes Urteil nicht mehr vollstreckbar wäre bzw keine Möglichkeit besteht, gegen ein solches Urteil zu verstoßen, ist dieses Begehren mangels eines Rechtsschutzinteresses abzuweisen (9 ObA 2091/96g).
Der Einwand des Klägers, das noch offene Klagebegehren laute auch auf „Zurückziehung entgegenstehender Weisungen", ändert daran nichts. Das Erstgericht hat auch diesen Teil des Begehrens für die Zeit ab 30. 11. 2004 vom Kläger unbekämpft und daher rechtskräftig abgewiesen. Die Beklagte kann daher die (im Klagebegehren nicht näher definierten) „entgegenstehenden" Weisungen für die Zeit ab 30. 11. 2004 aufrecht erhalten. Das insoweit noch offene Begehren kann daher nur auf die Zurückziehung (nicht näher definierter) „entgegenstehender" Weisungen für die Zeit bis zum 30. 11. 2004, also für einen bereits vergangenen Zeitraum, abzielen. An der Erlassung eines diesem Begehren stattgebenden Urteils hatte der Kläger aber am 14. 11. 2006 - also etwa zwei Jahre später - kein Rechtsschutzinteresse mehr. Die oben angestellten Überlegungen haben daher auch für diesen Teil des Begehrens uneingeschränkt Geltung. Dass die Beklagte das Fehlen des Rechtsschutzinteresses des Klägers nicht geltend gemacht habe, trifft nicht zu. Sie hat bereits in erster Instanz einen entsprechenden Einwand erhoben, diesen allerdings - dies ist dem Kläger zuzugestehen - damit begründet, dass sie ihm ohnedies den Zutritt zum Betrieb gestatte. Den Einwand, dass sich das Klagebegehren ausschließlich auf die Vergangenheit beziehe, konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht erheben, weil das (auch in die Zukunft gerichtete) ursprüngliche Klagebegehren zu diesem Zeitpunkt noch zur Gänze offen war. Erst durch die (unangefochten gebliebene) Abweisung des Klagebegehrens für die Zeit ab 30. 11. 2004 war klar, dass sich das noch offene Klagebegehren ausschließlich auf einen bereits vergangenen Zeitraum bezog. Erst jetzt konnte die Beklagte einen entsprechenden Einwand erheben. Dies hat sie in ihrer Berufung auch getan.
Der Hinweis des Berufungsgerichts, die Rechtsprechung kenne auch in anderen Zusammenhängen Urteile, die sich ausschließlich auf die Vergangenheit beziehen, trifft für Feststellungsbegehren zu - auch das vom Berufungsgericht angeführte Beispiel betrifft ein Feststellungsbegehren - nicht aber für Leistungs- (Duldungs-, Unterlassungs-)begehren, die sich ausschließlich auf bereits vergangene Zeiträume beziehen. Auch für ein ausschließlich die Vergangenheit betreffendes Feststellungsbegehren bedürfte es aber eines Feststellungsinteresses, das unter den hier gegebenen Umständen keineswegs auf der Hand läge und das vom Kläger im Falle eines bereits beendeten Arbeitsverhältnisses konkret dargelegt werden müsste.
Das vom Kläger erhobene Begehren, das auf Leistung, Duldung und Unterlassung gerichtet ist und das sich bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ausschließlich auf die Vergangenheit bezog, ist daher im Sinne der dargestellten Rechtslage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO sowie auf § 58 ASGG. Der Kläger machte mit seiner Klage einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch geltend, sodass das darüber durchgeführte Verfahren eine Rechtsstreitigkeit iSd § 50 Abs 2 ASGG ist. Für solche Rechtsstreitigkeiten findet ein Kostenersatz nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof statt.
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