Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Die nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen vereinbarte Entgeltlage des vom 12. 2. 1999 bis 31. 3. 2006 bei der Gemeinschuldnerin (im Folgenden zwecks Vereinfachung als Beklagte bezeichnet) beschäftigten Klägers war dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger neben einem monatlichen Fixum ein dieses Fixum bei weitem übersteigendes Trinkgeld bezog, wovon er regelmäßig - wie auch die anderen bei der Beklagten beschäftigten Trinkgeldbezieher - bestimmte Beträge („Tischgeld“) an einen anderen Arbeitnehmer abgab, der diese Tischgelder nach einem bestimmten Schlüssel auf die übrigen Arbeitnehmer der Beklagten verteilte, die nicht unmittelbar Trinkgelder empfingen. Der Kläger steht in seinem Rechtsmittel auf dem Standpunkt, dass der Abzug von Tischgeld sittenwidrig sei. Die außerordentliche Revision sei zulässig, weil es noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu derartigen Tischgeldern gebe.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Überlegungen kann nicht beigetreten werden. Dass sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit derartigen Tischgeldern befasst habe, trifft nicht zu (vgl 8 ObA 283/99x), ist aber für die Frage der Zulässigkeit der Revision nicht entscheidend. Die Ausformung des Begriffs der Sittenwidrigkeit kann nur an Hand von Einzelfällen erfolgen und hat für die Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung. Das heißt jedoch nicht, dass die Revision immer zulässig wäre, wenn die Frage der Sittenwidrigkeit zu lösen ist. Sind die Grundsätze für eine bestimmte Art möglicher Sittenwidrigkeit in der Rechtsprechung schon ausreichend festgelegt, so kann der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die Rechtsentwicklung keine besondere Bedeutung mehr zukommen. Von seiner Entscheidung ist dann eine Vertiefung der Grundsätze nicht mehr zu erwarten (RIS-Justiz RS0042881 ua). Dies ist hier der Fall.
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits wiederholt mit Fragen der Sittenwidrigkeit im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis im Allgemeinen und in Bezug auf das Entgelt der Arbeitnehmer im Besonderen auseinandergesetzt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass dann, wenn - wie auch im vorliegenden Fall - keine besondere lohngestaltende Vorschrift zur Anwendung kommt, nahezu jede Entgeltvereinbarung gültig ist. Die Grenze bildet die Ausbeutung wegen eines im auffallenden Missverhältnis zum Wert der Dienstleistung stehenden „Hungerlohns“, mithin die Sittenwidrigkeit zufolge Lohnwuchers gemäß § 879 ABGB (vgl 4 Ob 139/77, ZAS 1979/12 [Heinrich] = DRdA 1979/13 [Migsch]; 9 ObA 2267/96i, ZAS 1997/21 [Steininger]; 9 ObA 249/98b; 9 ObA 39/00a; RIS-Justiz RS0016668; RS0016702 ua).
§ 879 ABGB normiert in Abs 1, dass ein Vertrag, der gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist, und erachtet einen Verstoß gegen die guten Sitten in Abs 2 Z 4 insbesondere dann als gegeben, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Wert der Leistung in auffallendem Missverhältnis steht. Dass sich der Kläger in einer solcherart beeinträchtigten Lage befunden habe, wurde (und wird) von ihm nicht geltend gemacht. Es kann nach der Lage des Falls auch nicht davon gesprochen werden, dass der Kläger von der Beklagten „ausgebeutet“ wurde. Die Teilhabe von Arbeitnehmern, die nicht unmittelbar Trinkgelder beziehen, an den Trinkgeldern jener Arbeitnehmer, die regelmäßig Trinkgelder beziehen, ist keine Erfindung der Beklagten (vgl schon 8 ObA 283/99x), sondern erkennbar dem Ansatz des § 27 Abs 3 und 4 Glücksspielgesetz, BGBl 1989/620, nachempfunden, der - im Übrigen schon wie die Vorgängerregelung in § 26 Abs 3 und 4 Glücksspielgesetz, BGBl 1962/169 -, die Aufteilung der „Cagnotte“ auf die Gesamtheit der Arbeitnehmer eines Konzessionärs gestattet. Bevor der Kläger im Übrigen bei der Beklagten in jene Tätigkeit wechselte, in der die vorstehende Vereinbarung zum Tragen kam, gehörte er aufgrund seiner früheren Tätigkeit bei der Beklagten zu jener Gruppe von Arbeitnehmern, die mangels unmittelbaren Trinkgeldbezugs von der Teilhabe an den Trinkgeldern anderer Arbeitnehmer profitierte. Eine grobe Äquivalenzstörung in Verbindung mit unzulässig verdünnter Willensfreiheit liegt beim Kläger nicht vor.
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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