OGH 9ObA35/15k

OGH9ObA35/15k29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Schleinzer und Mag. Regina Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** H*****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****GmbH, *****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, wegen 6.544,57 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2015, GZ 9 Ra 112/14b‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00035.15K.0429.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Auslegung einer Satzungserklärung kommt dann keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn die Auslegung klar und eindeutig ist (vgl RIS‑Justiz RS0109942 [T1, T6]). Dies ist hier der Fall.

Der Kollektivvertrag für die Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS‑KV) wurde mit Verordnung des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vom 24. 4. 2006, Zl 84/BEA/2006‑11, zur Satzung erklärt, zuletzt mit Verordnungen des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz am 25. 3. 2013 (BGBl II 2013/83) und am 6. 3. 2014 (BGBl II 2014/49). Der fachliche Geltungsbereich dieser Satzung wird in § 1 lit a) der Satzungserklärung wie folgt geregelt:

Fachlich: für Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen, mit folgenden Ausnahmen:

- öffentlich-rechtliche Einrichtungen

- Heilbade-, Kur- und Krankenanstalten

- Rettungs- und Sanitätsdienste

- Privatkindergärten, -kinderkrippen und -horte (Privatkindertagesheime)

- selbst organisierte bzw. elternverwaltete Kindergruppen

- Einrichtungen der Kinderbetreuung durch Tagesmütter(-väter).“

Die Beklagte betreibt ein selbständiges Ambulatorium für physikalische Therapie. Mangels Mitgliedschaft der Beklagten beim Verein Sozialwirtschaft Österreich ‑ Verband der österreichischen Sozial‑ und Gesundheitsunternehmen unterliegt die Beklagte nicht unmittelbar dem BAGS-KV. Nach den übereinstimmenden Auffassungen der Vorinstanzen unterliegt das Arbeitsverhältnis des bei der Beklagten beschäftigten Klägers auch nicht der Satzung des BAGS-KV, weil Krankenanstalten vom fachlichen Geltungsbereich der Satzung gemäß § 1 lit a) der Satzungserklärung ausgenommen seien. Unter Krankenanstalten in diesem Sinne seien auch selbständige Ambulatorien zu verstehen, wie es schon § 2 Abs 1 Z 5 Krankenanstalten‑ und Kuranstaltengesetz (KAKuG) ausdrücklich vorsehe.

Diese Auslegung der Verordnung ist zutreffend. Nach §§ 6, 7 ABGB hat die Auslegung von Gesetzen (und Verordnungen) zunächst mit der Wortinterpretation zu beginnen (RIS‑Justiz RS0008896). Dabei ist nach dem Wortsinn der Norm und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der Regelung zu fragen (9 ObA 91/14v mwN). Fachausdrücke, auch der juristischen Fachsprache, sind in der Regel im fachsprachlichen Sinn auszulegen (Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 6 Rz 7 mwN). Im Zweifel geht bei der Gesetzesauslegung ein präziser rechtstechnischer Sprachgebrauch dem allgemeinen vor (10 ObS 313/91; Bydlinski in Rummel³ § 6 Rz 17 mwN).

Dem Verordnungsgeber kann hier mangels anderer Anhaltspunkte in der Satzungserklärung weder unterstellt werden, dass ihm die gesetzliche Begriffsbestimmung des § 2 Abs 1 KAKuG nicht bekannt gewesen wäre, noch dass er in Kenntnis dieser Bestimmung, ohne dies klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, von der in § 2 Abs 1 KAKuG vorgenommenen Aufzählung Einteilung der Krankenanstalten nach den in Österreich möglichen Betriebsformen (AB 164 BlgNR 18. GP 5) abweichen wollte (vgl RIS‑Justiz RS0008761; RS0010088 [T9]). Vielmehr handelt es sich beim Begriff der Krankenanstalten um eine fachlich einschlägige Bestimmung im Gesundheitssektor, was eine Bezugnahme auf die allgemeine organisationsrechtliche Regelung in § 2 Abs 1 KAKuG sogar besonders nahe legt. Da die Wortinterpretation zu einer eindeutigen Gesetzesauslegung führt, bedarf es keiner weiteren objektiv‑teleologischen Interpretation unter Bedachtnahme auf die in der Revision relevierten unterschiedlichen Normzwecke des KAKuG und der Satzung (vgl RIS‑Justiz RS0008836; RS0008777 [T2]), zumal im Ausnahmenkatalog der Satzung nicht zum Ausdruck gebracht wird, einen vom Gesetz verschiedenen Krankenstaltenbegriff zu meinen.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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