OGH 9ObA322/99i

OGH9ObA322/99i26.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Gerhard Kriegl und Josef Redl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Klaus N*****, Werbetexter, ***** vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Walter Kainz, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der "T***** GmbH, ***** wegen Feststellung (Streitwert S 300.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 1999, GZ 10 Ra 135/99t-46, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1. Dezember 1998, GZ 27 Cga 135/96m-39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

13.725 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 7. 2. 1994 bei der nachmaligen Gemeinschuldnerin als Angestellter beschäftigt und wurde mit Schreiben vom 28. 10. 1994 zum 15. 12. 1994 zeitgleich mit zumindest vier weiteren Arbeitnehmern gekündigt. Der Betrieb beschäftigte damals mehr als 20, aber weniger als 100 Beschäftigte. In Unkenntnis des § 45a AMFG wurde die zuständige Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht innerhalb von 30 Tagen vor der beabsichtigten Auflösung der Arbeitsverhältnisse von den bevorstehenden Kündigungen verständigt. Sowohl der Kläger als auch die Gemeinschuldnerin hielten die Kündigung zunächst für wirksam. Der Kläger erklärte bis zum 2. 8. 1996 keinerlei Arbeitsbereitschaft. Bis zu der am 24. 6. 1996 eingebrachten Klage hat die Gemeinschuldnerin vom Kläger nichts gehört und wusste nicht, ob er in der Zwischenzeit wieder einer Arbeit nachgegangen ist. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin wurde erst nach Eröffnung des Konkurses vom Masseverwalter über den Inhalt des § 45a AMFG aufgeklärt.

Der Kläger erfuhr im März 1996 beim Arbeitsmarktservice Wien von der nicht rechtzeitig erfolgten Verständigung durch die Gemeinschuldnerin von den bevorstehenden Kündigungen. Er erhob vorerst das Feststellungsbegehren, dass das Dienstverhältnis nach wie vor aufrecht fortbestehe und erklärte nach Klageeinbringung am 2. 8. 1996 seine Arbeitsbereitschaft. Aus verfahrenstechnischer Vorsicht und unpräjudiziell des Rechtsstandpunktes des Beklagten wurde der Kläger am 26. 3. 1998 entlassen. Daraufhin modifizierte der Kläger sein Feststellungsbegehren dahin, dass sein Arbeitsverhältnis bis 31. 5. 1998 aufrecht bestanden habe. Zusätzlich stellte er ein Eventualbegehren (S 71 und 87).

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte unter anderem aus, dass der Kläger der Kündigung schlüssig zugestimmt habe. Er habe keine Tätigkeiten für die beklagte Partei mehr verrichtet und auch sonst bis zum 2. 8. 1996 keine Arbeitsbereitschaft erklärt. Sein Anspruch auf Feststellung eines aufrechten Arbeitsverhältnisses sei verfristet.

Das Erstgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 27. 3. 1998 aufrecht bestanden habe.

Eine entgegen den Bestimmungen des § 45a AMFG ausgesprochene Kündigung sei rechtsunwirksam. Das Arbeitsverhältnis sei daher aufrecht. Eine konkludente Auflösung des Dienstverhältnisses liege nicht vor. Das Arbeitsverhältnis sei daher erst mit der am 27. 3. 1998 zugegangenen Entlassungserklärung aufgelöst worden.

Das Berufungsgericht änderte in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, dass es das Feststellungsbegehren und das Eventualbegehren abwies.

Das Arbeitsverhältnis sei durch die Entlassung aufgelöst worden, was zur Fälligkeit sämtlicher Entgeltansprüche geführt habe. Sei der gesamte Leistungsanspruch aus einem streitigen Rechtsverhältnis bereits fällig, dann sei eine Feststellungsklage unzulässig; denn mit der Leistungsklage werde das streitige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt. Der Kläger hätte daher seine Entgeltansprüche unmittelbar verfolgen können, was er auch durch eine zu 9 Cg 43/98b eingebrachte Leistungsklage getan habe. Der Mangel des mit den Parteien vom Erstgericht bereits erörterten rechtlichen Interesses führe zur Abweisung des Klagebegehrens.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache, mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des bestrittenen Rechtsverhältnisses hat. Das Feststellungsinteresse ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten. Hiebei ist die ausdrückliche Anführung von das Feststellungsinteresse begründenden Tatsachen nicht unbedingt erforderlich. Es genügt vielmehr, dass sich das Feststellungsinteresse aus dem Klagevorbringen im Zusammenhang mit den Einwendungen der beklagten Partei ergibt (SZ 57/203; 9 ObA 346/93).

Der Kläger begründete sein rechtliches Interesse damit, dass er infolge der vereinbarten einjährigen Konkurrenzklausel im Anschluss an die Beendigung des Dienstverhältnisses Interesse an einer ordnungsgemäßen Auflösung seines Dienstverhältnisses habe. Da die beklagte Partei auf der Rechtswirksamkeit der entgegen den Bestimmungen des § 45a AMFG ausgesprochenen Kündigung infolge eines nachträglichen Einverständnisses des Klägers bzw der Verwirkung seines Rechtes, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen, beharre und vorgebracht habe, die spätere Entlassung nur aus verfahrenstechnischer Vorsicht und unpräjudiziell ihres Rechtsstandpunktes ohne Anerkennung eines (bis dahin) bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgesprochen zu haben, ist das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses bis zur Entlassung offenkundig. Es geht über die mit der Entlassung jedenfalls fällig gewordenen Beendigungsansprüche hinaus und betrifft, wie allgemein bekannt ist, auch arbeitslosen- und sozialversicherungsrechtliche Belange (9 ObA 112/90; 9 ObA 140/94 mwN), zumal der Kläger nach seinen Angaben in der Revision von der Arbeitslosenunterstützung und der Notstandshilfe gelebt hat. Mit der Leistungsklage wird somit der Feststellungsanspruch, der auch den Zeitraum zwischen Kündigung und Entlassung betrifft, nicht ausgeschöpft (2 Ob 69/99g), sodass entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung zu bejahen ist.

Dennoch ist die Revision im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach dem maßgeblichen Schrifttum (Kuderna, Gedanken einer individualrechtlichen und materiellrechtlichen Gestaltung des allgemeinen Kündigungsschutzes im Arbeitsrecht DRdA 1974, 49 [59], derselbe, Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes DRdA 1990, 1 [8]; Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung, 398 ff) und der Rechtsprechung kann der die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers voraussetzende Fortsetzungsanspruch nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0028233). Dies wurde unter anderem mit einem Klarstellungsinteresse der Vertragspartner begründet, das aus dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als synallagmatisches Dauerschuldverhältnis und aus der Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers zwischen der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und der Geltendmachung beendigungsabhängiger Ansprüche abgeleitet wird.

Mangels einer gesetzlichen Frist ist die zeitliche Grenze unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB zu ziehen und zu beurteilen, ob das Verhalten des Arbeitnehmers als stillschweigendes Einverständnisses mit der Beendigung bzw als Verzicht auf die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Beendigung aufzufassen ist. Die bloße Nichtgeltendmachung durch längere Zeit dokumentiert für sich allein in der Regel noch keinen Verzicht; vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, die die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen (Arb 11.402; 9 ObA 270/97i; 9 ObA 160/99s; 9 ObA 276/99z).

Im vorliegenden Fall ist nicht zu übersehen, dass der Kläger lediglich 10 Monate bei der nachmaligen Gemeinschuldnerin beschäftigt war. Er nahm die Kündigung zur Kenntnis und dachte über eineinhalb Jahre nicht an eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Er holte weder juristischen Rat ein noch erklärte er jemals seine Arbeitsbereitschaft. Der Kläger machte seinen Fortsetzungsanspruch erst mit der am 24. 6. 1996 eingebrachten Klage geltend und erklärte erst in der Folge seine Arbeitsbereitschaft. Aus dem synallagmatischen Charakter des Arbeitsverhältnisses folgt zwingend, dass der aus der relativen Nichtigkeit einer Auflösungserklärung folgende Gestaltungs- und Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers nicht nur die Bereitschaft, zu den bisherigen Bedingungen die eigene Leistung weiterhin zu erbringen voraussetzt, sondern auch ein aktives Tun durch Geltendmachung seines die Auflösung verhindernden Gestaltungsrechtes, die Auflösung anzufechten und seinerseits das Festhalten am Arbeitsverhältnis durch Zeigen seiner Leistungsbereitschaft dem Arbeitgeber gegenüber nach außen zu bekunden. Durch das zeitverlaufsbedingte rasch abnehmende besondere Fortsetzungsinteresse und die Untätigkeit des Klägers konnte der Arbeitgeber keinen Zweifel daran haben, dass kein Recht des Arbeitnehmers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bestehe. In ähnlicher Weise besteht eine zeitverlaufsbedingte abnehmbare Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes und der nicht rechtzeitigen Geltendmachung desselben. Dieser Anspruch des Arbeitgebers auf alsbaldige Klarstellung der Interessen des Arbeitnehmers, die mit dem Zeitverlauf immer mehr abnehmen, bedingt eine Aufgriffsobliegenheit des Arbeitnehmers, sein Gestaltungsrecht und Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses ohne Verzug geltend zu machen. Zur Beurteilung dieser Unverzüglichkeit ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ein angemessener zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen (Schrank aaO). Ein Zeitraum von rund eineinhalb Jahren kann jedoch nicht mehr als insoweit angemessener Zeitraum angesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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