Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit Beschluß vom 24.9.1993 trug das Erstgericht dem Rekurswerber auf, sein Rechtsmittel (Rekurs, Berufung) gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5.4.1993, GZ 25 Cga 779/91-25, durch Beisetzung der Unterschrift eines zur Vertretung gemäß § 40 ASGG qualifizierten Person zu verbessern zugleich verhängte das Erstgericht über ihn wegen beleidigender Äußerungen im Rechtsmittelschriftsatz eine Ordnungsstrafe.
Der Rekurswerber erhob dagegen mit Schriftsatz vom 22.11.1993 Rekurs, lehnte den Senatsvorsitzenden Dr.Gustav S***** und alle Richter des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien wegen Befangenheit ab und beantragte für sämtliche Berufungs- und Rekursverfahren unter Anschluß eines Vermögensbekenntnisses die Verfahrenshilfe.
Die Ablehnung gründet der Rekurswerber darauf, daß ihm das eigenhändig verfaßte Rechtsmittel entgegen dem Wortlaut des die Verbesserung seines Schriftsatzes auftragenden Beschlusses nicht zurückgestellt wurde und daß die in seinem Rechtsmittel enthaltenen Ausführungen, das Erstgericht habe bei seiner Entscheidung die "........... Tatsachen unterschlagen und vertuscht" bzw "seine Begründung sei blanker Unsinn", zu Unrecht vom Erstgericht als beleidigend empfunden wurde. Die Anführung wahrer Tatsachen könne nie beleidigend sein.
Das Oberlandesgericht Wien als gemäß § 23 JN für die Entscheidung über die Ablehnung zuständiges Gericht wies den Ablehnungsantrag als unberechtigt zurück, weil die vom Ablehnungswerber erhobenen Vorwürfe keine so schwerwiegende Verfahrensverstösse enthielten, die Zweifel an der Unbefangenheit des abgelehnten Richters begründen könnten. Da die behauptete Befangenheit aller übrigen Richter vom Ablehnungswerber nicht begründet worden sei, sei der Ablehnungsantrag in diesem Umfang jedenfalls unberechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich zulässigerweise der ohne Anwaltsunterschrift vorgelegte Rekurs, der nicht berechtigt ist.
Die Vorschrift des § 520 Abs 1 ZPO, daß schriftliche Rekurse mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein müssen, gilt auch für das Ablehnungsverfahren innerhalb des Zivilprozesses (SZ 43/86; EFSlg 49.413). Nur wenn in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung über einen Ablehnungsantrag ergeht, keine Anwaltspflicht besteht, bedarf der schriftliche Rekurs keiner Anwaltsunterschrift (SZ 54/96). Kraft positiver Vorschrift des § 72 Abs 3 ZPO ist in Verfahren über Anträge auf Verfahrenshilfe eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht erforderlich.
Ein abgelehnter Richter darf eine Endentscheidung vor rechtskräftiger Zurückweisung der Ablehnung nicht fällen (§ 25 JN). Auch einer Entscheidung in einem Zwischenverfahren wegen Verfahrenshilfe kommt insoweit der Charakter einer Endentscheidung zu, sodaß der Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag durch den abgelehnten Richter das noch nicht erledigte Ablehnungsverfahren entgegensteht, für das aber wieder im Rekursverfahren die Vertretung durch einen allenfalls erst im Wege der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt erforderlich ist. Das Ablehnungsverfahren ist vom Hauptverfahren nicht zu trennen. Eine im Hauptverfahren bewilligte Verfahrenshilfe erstreckt sich daher auch auf ein Ablehnungsverfahren (RZ 1975/37). Dies hängt damit zusammen, daß die Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 ZPO für einen bestimmten ganzen Rechtsstreit erfolgt und daher über den Antrag auf Verfahrenshilfe von dem Prozeßgericht zu entscheiden ist, bei dem der Rechtsstreit in erster Instanz anhängig ist (§ 65 Abs 2 ZPO), auch wenn die Wirkungen der Verfahrenshilfe nur im Verfahren vor einer höheren Instanz eintreten (Fasching Kommentar zur ZPO ErgBd 30).
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß das Erstgericht über den Verfahrenshilfeantrag nicht entscheiden kann, weil das Ablehnungsverfahren noch nicht rechtskräftig erledigt ist. Das Oberlandesgericht Wien darf darüber nicht entscheiden, weil das Prozeßgericht dafür zuständig ist, auch wenn die Verfahrenshilfe derzeit nur für das Ablehnungsverfahren erforderlich ist. Dem Rekurswerber wäre daher entgegen Art 6 MRK eine Erledigung seines Antrages und seines Rechtsmittels verwehrt.
Wegen des hier gegebenen untrennbaren Zusammenhanges zwischen Ablehnungverfahren und Verfahrenshilfe ist die Prozeßhandlung des Rekurswerbers einer Prozeßhandlung gemäß § 72 Abs 3 ZPO gleichzusetzen, sodaß auch hier die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich ist.
Dem Rekurs kommt Berechtigung nicht zu.
Die Ablehnung ist nämlich unberechtigt.
Unabhängig von der erst im Rechtsmittelverfahren zu prüfenden Frage (5 Ob 528/91), ob die unsachlichen und provokanten Vorwürfe des Rekurswerbers beleidigend sind, beziehen sich die Vorwürfe einer unrichtigen oder unterlassenen rechtlichen Beurteilung von Tatsachen oder das Unterbleiben einer Zurückstellung des Schriftsatzes des Rekurswerbers lediglich auf Verletzungen von Verfahrensvorschriften, die für sich, weil sie ohnehin im Rechtsmittelverfahren zu prüfen sind, weder schwerwiegend sind noch unsachliche psychologische Motive bescheinigen, die bei objektiver Prüfung und Beurteilung die Befürchtung rechtfertigen, der namentlich abgelehnte Richter werde sich bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen (RZ 1989/110).
Die pauschale Ablehnung aller Richter des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien wäre nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter konkreter Ablehnungsgründe gegen jeden dieser Richter möglich (EvBl 1989/18 mwN; Arb 10.760).
Dem Rekurs ist daher keine Folge zu geben.
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